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RECHT/084: BUND-Klage gegen Kohlekraftwerk beschäftigt EuGH (BUND NRW)


BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V. - 20. Juli 2009

Europäischer Gerichtshof bereitet Grundsatzentscheidung vor

BUND-Klage gegen Kohlekraftwerk beschäftigt EuGH


Düsseldorf, 20.07.2009 - "Dürfen Umweltschutzverbände bei Klagen gegen Kohlekraftwerke die gerichtliche Überprüfung aller für die Zulassung des Vorhabens maßgeblichen Vorschriften verlangen oder nicht?" Diese Frage beschäftigt den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in Luxemburg. Im so genannten Vorabentscheidungsersuchen - vorgelegt vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG Münster) - endete heute die Frist zur Stellungnahme (Rechtssache C-115/09).

In einem 63-seitigen Schriftsatz legte der nordrhein-westfälische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) nun fristgemäß dem EuGH seine Argumentation dafür vor, dass die Bundesrepublik mit den im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz vorgesehenen Einschränkungen des Verbandsklagerechts gegen die bindenden europarechtlichen Vorgaben und internationale Verträge verstößt. Folgt der Europäische Gerichtshof dieser Argumentation, so muss das bundesdeutsche Recht geändert werden und anerkannte Umweltverbände erhalten umfassende Klagerechte. Dies hätte auch Auswirkungen auf alle laufenden Kraftwerksklagen des BUND. Der BUND rechnet damit, dass die mündliche Verhandlung vor dem EuGH im Frühjahr 2010 stattfinden wird. Gemäß der durchschnittlichen Verfahrensdauer beim EuGH sei mit einem Urteil im September 2010 zu rechnen.

Hintergrund ist die von der Bürgerinitiative Kontra Kohle Kraftwerk e.V. in Lünen unterstützte Klage des BUND gegen die Genehmigung des dort geplanten Trianel-Kohlekraftwerks. Der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Münster hatte in seiner Entscheidung vom 5. März 2009 die vom BUND beklagten Verstöße gegen das Naturschutz- und Immissionsschutzrecht zwar für berechtigt gehalten, sah sich aber nicht befugt, der Klage unmittelbar stattzugeben. Der Grund dafür liegt in den Vorschriften des Umweltrechtbehelfsgesetzes, welches die Klagerechte auf solche Belange beschränkt, die einzelne Personen direkt betreffen. Dem gegenüber argumentiert der BUND, dass die dem deutschen Gesetz zugrunde liegende EU- Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie eine solche Beschränkung der Klagemöglichkeiten nicht zulässt. Einem Naturschutzverband müsse es möglich sein, gerade die dem Allgemeinwohl dienenden Belange des Natur- und Umweltschutzes gerichtlich überprüfen zu lassen.

In der umfassenden Stellungnahme legt der BUND-Anwalt Dirk Teßmer (Frankfurt) dar, dass das deutsche Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz sowohl gegen die so genannte "Århus-Konvention", als auch gegen verschiedene EU-Richtlinien verstößt. Im konkreten Fall des in Lünen geplanten Kohlekraftwerks sieht der BUND so z.B. gravierende Beeinträchtigungen der durch europäisches Naturschutzrecht geschützten Lippeaue. Die Untersuchungen zur Umweltverträglichkeit des Kraftwerk-Vorhabens klammerten aber gerade diesen Aspekt vollkommen aus, ohne dass der BUND dies nach der Logik des Umweltrechtsbehelfsgesetzes hätte rügen können.

Unterstützt wird die BUND-Argumentation durch ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Bernhard Wegener, einem renommierten Umwelt- und Europarechtler vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Er sieht auch Verstöße gegen das EU-Wettbewerbsrecht. Blieben die Klagerechte gegen Industrievorhaben in Deutschland entgegen der Regelungen in anderen Mitgliedstaaten eingeschränkt, führe dies zu Wettbewerbsverzerrungen.

Setzt sich der BUND mit seiner Argumentation von der Europarechtswidrigkeit des Umweltrechtsbehelfsgesetzes durch, können anerkannte Naturschutzverbände zukünftig umfassend und unabhängig von einer möglichen Rechtsverletzung Dritter gegen Infrastruktur- und Industrievorhaben klagen. Sollte der EuGH gegen den BUND entscheiden, so fürchtet der BUND ein "Genehmigungsdumping" und die bundesweite Invasion umweltgefährdender Anlagen ohne weit reichende Rechtsschutzmöglichkeiten.


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Quelle:
Presseinformation Nr. 51, 20. Juli 2009
Herausgeber: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen
Merowingerstr. 88, 40225 Düsseldorf
Tel.: 0211/30 20 05-22, Fax: 0211/30 20 05-26
Redaktion: Dirk Jansen, Pressesprecher
E-Mail: dirk.jansen@bund.net
Internet: www.bund-nrw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juli 2009