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ÖL/019: Ecuador will mit internationaler Hilfe Öl im Boden lassen (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 102/3.2009
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

tropenwald
Ecuador: Öl im Boden lassen

Von Regine Richter


Ecuador will einen Teil seines Ölvorkommens nicht fördern - wenn die internationale Gemeinschaft dafür zahlt. Ein interessante Initiative für mehr Klima- und Artenschutz.

Man stelle sich vor: Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel treffen in den USA, Nichtregierungsorganisationen und erzählen von ihrem Plan, die Braunkohle in der Lausitz fortan nicht mehr abzubauen. Denn sie wollen den ökologischen Fußabdruck Deutschlands nicht noch größer machen und den Sorben erlauben, weiter in ihrer angestammten Region zu leben. Von der internationalen Staatengemeinschaft hätten sie für diesen Plan gerne Unterstützung, indem ein Teil der Einnahmen, die durch die Nicht-Förderung verloren gehen, ersetzt wird. Dieses Geld soll in einem Treuhandfonds angelegt werden, aus dem einerseits bereits entstandene Umweltschäden aus dem Braunkohleabbau behoben werden und andererseits die Energieversorgung Deutschlands weg von der Braunkohle geführt werden soll.

Ein ziemlich unwahrscheinliches Szenario. Es entspricht aber in etwa dem, was Ecuador aktuell der internationalen Staatengemeinschaft vorschlägt. Dort befindet sich im Yasuní Nationalpark im Amazonasgebiet das "Ishpingo Tambococha Tiputini" (ITT) Gebiet, unter dem 864 Millionen förderbare Barrel Schweröl vermutet werden. Diese Menge entspricht fast einem Viertel der bestätigten Ölvorkommen Ecuadors. Aus mehreren Gründen ist die Gegend besonders schützenswert: Sie gehört zu den weltweit artenreichsten Regionen, auf einem Hektar Wald finden sich dort etwa so viele Baumarten wie in ganz Nordamerika, ganz zu schweigen von den zahllosen Vögeln und Insekten. Darüber hinaus leben dort mehrere indigene Völker, teilweise in freiwilliger Isolation. Sie leben in Subsistenzwirtschaft vom Jagen, Sammeln und Wanderackerbau. Würde das Öl ausgebeutet, würde die Kultur dieser Huaorani aussterben.

2007 mischte das Energie- und Bergbauministerium Ecuadors die internationale Klima- und Biodiversitätsdiskussion auf, indem der kleine Andenstaat vorschlug, das unter dem Nationalpark Yasuní lagernde Erdöl nicht zu fördern und somit neben dem Arten- und Kulturschutz noch 400 Millionen Tonnen CO2 zu vermeiden. Um diesen Plan umsetzen zu können, bat es die Weltgemeinschaft um einen Finanzausgleich, der der Hälfte der verlorenen Einnahmen entsprechen sollte, was 1,3 bis 11 Mrd. US$ entspricht. Die ITT-Initiative spricht von einer kreativen, ganzheitlichen und revolutionären Idee, da sie der herrschenden Logik widerspricht, nach der entdecktes Erdöl in jedem Fall ohne Rücksicht auf Verluste gefördert wird. Alberto Acosta, ehemaliger Energie- und Bergbauminister Ecuadors, formuliert es so: "Konkret basiert das Projekt auf Respekt vor der Natur und den kulturellen Optionen der in freiwilliger Isolation lebenden Urvölker, für die dieser Teil des Amazonasgebiets auch heute noch die Heimat ist."

Der Vorschlag traf auf gemischte Reaktionen. Viele Menschen waren fasziniert von der einfachen und klaren Botschaft: Lasst das Öl im Boden, dann werden Treibhausgase wahrlich an der Quelle, nämlich vor der Entstehung, vermieden. Der offensichtliche Gewinn für die Biodiversität war offensichtlich. Gleichzeitig kamen jedoch viele kritische Fragen, etwa, ob das vermiedene Öl nicht einfach durch zusätzlich gefördertes russisches oder saudisches Öl ersetzt würde und es deshalb global zu keiner CO2-Einsparung käme, was den Vorschlag klimapolitisch wenig interessant machen würde. Ebenso wurde gefragt, wie die korrekte Nutzung der Gelder gesichert und was aus der Initiative werden würde, wenn eine weniger "grüne" die aktuelle ecuadorianische Regierung ablösen würde.

In Anbetracht der vielen offenen Fragen und der Menge benötigten Geldes bestand die Befürchtung, dass der Vorschlag zwar für breite Diskussionen sorgen, anschließend jedoch in der Schublade verschwinden würde. Umso erfreulicher ist, dass eine ecuadorianische Delegation im Juni 2009 Deutschland besuchte, die deutliche Präzisionen des Vorschlags vorstellen konnte. So soll das Geld in einen Treuhandfonds gezahlt werden, den die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB) verwalten und überwachen soll. Die Delegation berichtete, dass die deutsche Bundesregierung prüfe, wie sie jährlich 30 Millionen Euro in den Fonds einzahlen könnte, der jährlich 350 Mio. US$ braucht, damit die Initiative erfolgreich arbeiten kann. Die Erlöse aus dem im Fonds angelegten Geld sollen verwandt werden, um die Energieversorgung in Ecuador umzustellen, Wiederaufforstungsprojekte durchzuführen und Initiativen für nachhaltige Entwicklung wie Ökotourismus oder kleinbäuerliche Landwirtschaft zu finanzieren.

Der sympathische Vorschlag eines kleinen Landes, der große Fragen nach dem Preis unseres Energieverbrauchs und den Alternativen dazu stellt, ist somit beileibe nicht in der Versenkung verschwunden. Im September kommt er noch einmal groß heraus. Dann ist in Madrid ein großes Open-Air Konzert geplant, das weltweit übertragen werden und beim Fundraising für das Projekt helfen soll. Wir werden also im wahrsten Sinn des Wortes weiter von der Initiative hören.

Mehr Informationen: www.yasuni-itt.gov.ec

Regine Richter, Biologin, Berlin regine@urgewald.de

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
- Der Yasuní Nationalpark gehört zu den artenreichsten Regionen der Welt
- Unter dem Nationalpark lagern ein Viertel der Ölvorkommen Ecuadors
  (Fotos: Ute Koczy, MdB, engagiert sich für die ITT- Initiative)


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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 102/3.2009, S. 40-41
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2009