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MASSNAHMEN/309: Weltklimagipfel in Mexiko - CO2-Fußabdruck von Unternehmen (idw)


Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT - 01.12.2010

Weltklimagipfel in Mexiko: Welchen CO2-Fußabdruck hinterlässt ihr Unternehmen?


Die Erwartungen und Hoffnungen sind hoch gesteckt für die gerade gestartete Weltklimakonferenz in Cancún (29.11.-10.12.). Denn beim vergangenen Weltklimagipfel in Kopenhagen im April einigten sich die Teilnehmerländer nur auf einen Minimalkonsens ohne Verbindlichkeiten. Allerdings werden für Unternehmen weltweit die Themen Klimawandel und Nachhaltigkeit schon längst immer wichtiger. Fraunhofer UMSICHT forscht in den Bereichen Nachhaltigkeitsmanagement, Ökobilanzierung sowie Ermittlung von Carbon Footprints und bietet der Industrie sein Know-how an. In einem Workshop zeigte das Institut zusammen mit Experten Ansätze auf, wie die Bilanzierung von Carbon Footprints funktioniert und wie der CO2-Fußabdruck von Produkten verringert werden kann.

In Kopenhagen nahmen die Mitgliedsländer das Ziel zur Kenntnis, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, einigten sich aber nicht auf verbindliche Maßnahmen, um dies zu erreichen. Auf der anderen Seite zeigen Studien, dass Unternehmen sich stärkere Vorgaben und Regulierungen auf dem Gebiet wünschen. Die Ergebnisse einer Studie des Carbon Disclosure Project (Supply Chain Report 2010), die bei 700 Unternehmen in 15 Ländern durchgeführt wurde, belegt: Die Wirtschaft ist bereit und wünscht sich, Maßnahmen zum Klimaschutz zu ergreifen. CO2-Steuern, Emissionshandelssysteme und finanzielle Anreize finden in der globalen Wirtschaftswelt beachtlich breite Unterstützung. Allerdings wünscht sich die Wirtschaft dafür einheitliche Rahmenbedingungen und verlässliche Regeln. Es wächst die Erkenntnis, dass der Klimawandel die Nachfragen nach neuen Produkten und Dienstleistungen stärkt.


CO2-Fußabdruck eines Produkts über den gesamten Lebenszyklus hinweg

Es gibt bereits zahlreiche Ansätze in der Wirtschaft, als Unternehmen neue Wege zu gehen. Ein wichtiger Schritt ist der CO2-Fußabdruck eines Produkts (Ware oder Dienstleistung). Über den gesamten Lebenszyklus hinweg - von der Herstellung über Vertrieb und Nutzung bis hin zur Entsorgung - entstehen Treibhausgasemissionen. Ihre Summe wird als Carbon Footprint von Produkten bezeichnet. Diese CO2-Fußabdrücke finden wir als vom Menschen gemachte Veränderungen in unserem Ökosystem wieder, selbst wenn das Produkt schon lange seine Nutzungsphase verlassen hat. Wenn diese Emissionen konkret beziffert werden können, kann man auch Lösungen finden, sie zu verringern. Gleichzeitig kann so Kunden ein Produktvergleich ermöglicht und klimabewusstes Kaufen gefördert werden.

Fraunhofer UMSICHT hat in einem Workshop Ansätze erläutert und diskutiert, wie eine Bilanzierung von Carbon Footprints funktioniert, treibhausgasrelevante Emissionen standardisiert ermittelt, Zertifizierungen eingeführt, Wertschöpfungskette entsprechend optimiert und Label für produktbezogene Carbon Footprints entwickelt werden können. Ziel muss in Zukunft sein, eine wissenschaftlich fundierte, transparente und international harmonisierte Berechnungsgrundlage für den Carbon Footprint zu entwickeln. Anlässlich des Weltklimagipfels sind nachfolgend die Ergebnisse des Workshops vom 29. April 2010 zusammengefasst.


CO2-BILANZEN, CARBON FOOTPRINTS UND ÖKOBILANZEN

Markus Hiebel, Fraunhofer UMSICHT

Markus Hiebel, stellvertretender Abteilungsleiter Ressourcenmanagement bei Fraunhofer UMSICHT, erläuterte in seinem Vortrag kurz die Ziele und Schritte einer Ökobilanzierung und ordnete die Begriffe Carbon Footprints und CO2-Bilanzen ein.

Mithilfe einer Ökobilanz betrachten, vergleichen und bewerten Unternehmen die Prozesskette der Herstellung, Nutzung und Entsorgung von Produkten und deren Umwelteinwirkungen. Ebenso gehören dazu vor- und nachgeschaltete Produktionsprozesse. Synonyme sind »Lifecycle Assessment (LCA)« oder »Unternehmenszyklusanalyse«.

Als grober Rahmen existieren für Ökobilanzen die Normierungen ISO14040 und 14044. Um eine Ökobilanzierung vorzunehmen, müssen zunächst vier relevante Phasen der Bilanzierung bestimmt werden: Ziel und Umfang des Untersuchungsrahmens, Sachbilanz, Wirkungsabschätzung und zuletzt die Auswertung. »Der erste Punkt ist besonders wichtig, da von diesem alle weiteren Auswirkungen der Analyse abhängen. Er umfasst die Definition des Ziels - ob beispielsweise nur die CO2-Wirkungen untersucht werden sollen oder alle Umweltauswirkungen - und die Auswahl des zu untersuchenden Produkts. Ebenfalls wird hier die funktionelle Einheit festgelegt, die Größe, auf die die Umweltwirkungen bezogen werden«, schilderte Markus Hiebel.

Treibhauseffekt, Versauerung oder Lärm sind mögliche Wirkungskategorien

In der nächsten Phase werden die Prozessketten abgebildet, der Einsatz und Verbrauch aller Ressourcen und der emittierten Stoffe summiert und als unbewertete Sachbilanz aufgestellt. Daten können selbst erhoben oder aus Datenbanken ermittelt werden, die jedoch meist kostenpflichtig sind. Außerdem liegen nicht alle Daten vor. In der Phase der Wirkungsabschätzung geht es um die Zuordnung der Umweltauswirkungen der verschiedenen Emissionen die das Produkt verursacht. Welchen Schaden richtet z. B. Methan an? Die Umweltauswirkungen sind hierbei zu Wirkungskategorien zusammengefasst, z. B. Treibhauseffekt, Versauerung, Geruchsbelästigung oder Lärm. Die für solche Berechnungen notwendigen Emissionsfaktoren, die das Verhältnis zwischen der Masse eines freigesetzten Stoffes zu der eingesetzten Masse eines Ausgangsstoffes in Relation setzen, werden stoff-und prozessspezifisch ermittelt. Diese Faktoren werden u. a. vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)(Link) genutzt um den Einfluss des Menschen auf die Entwicklung des Weltklimas abschätzen zu können.

Für die Auswertung muss zunächst eine Gewichtung der Umweltauswirkungen vorgenommen werden. Welchen Einfluss auf die Umwelt bzw. welche Wirkungskategorie möchte man überhaupt messen? Hierzu existieren allerdings Maßstäbe, die bei der Verrechnung zwischen den Wirkungskategorien helfen. Ein ganzheitliches System zur Auswertung bietet beispielsweise das Ökoinstitut (Link.) Eine Liste an Datenbanken, in denen Input- und Output-Daten gesammelt werden, ist das Joint Research Center der EU (Link.) Mit den Ergebnissen einer Ökobilanz können Unternehmen beispielsweise ökologische Schwachstellen optimieren oder aber ihre positiven Bilanzen für Marketingzwecke oder zur Strategieentwicklung nutzen.

Carbon Footprint als ein Aspekt der Ökobilanz

Der Carbon Footprint entspricht der Wirkungskategorie Treibhauseffekt aus der Ökobilanz, die man untersuchen kann. Die Ökobilanz ist dementsprechend der Rahmen der Analyse. Wenn nur dieser Aspekt berücksichtigt wird, ist die Analyse weniger aufwändig, aber auch weniger umfassend in ihrer Aussage. Bei der Erstellung eines Carbon Footprints sind alle Treibhausgase berücksichtigt wie z. B. Lachgas, CO2, Methan etc. Die CO2-Bilanz umfasst nur das verursachte CO2.

Beispiele aus der Praxis

Als Beispiele stellte Hiebel kurz drei Studien vor, die Fraunhofer UMSICHT bisher für Unternehmen durchgeführt hat.

INTERSEROH, Tochtergesellschaft des großen deutschen Entsorgungsunternehmen ALBA Group, wollte den Beitrag ihrer Geschäftstätigkeit zum Klimaschutz erfahren. Ziel der Untersuchung war eine CO2-Bilanz. Zwei Fragen lagen zu Grunde, zum einen wie viel CO2- Emissionen damit verbunden sind, wenn z. B. Stahl aus Stahlschrott hergestellt wird und zum anderen wie viel CO2 bei der Produktion von Stahl aus Eisenerz freigesetzt wird? Die Vergleichseinheit war somit eine Tonne Stahl. Das Ergebnis: INTERSEROH spart insgesamt 5,2 Millionen Tonnen CO2 durch ihre Geschäftstätigkeit ein, das entspricht etwa den Emissionen der Einwohner von einer Stadt wie Duisburg.

Eine weitere Studie führte Fraunhofer UMSICHT für die IGEL Technology GmbH durch, einem Hersteller von Computerlösungen, zur Entwicklung und Anwendung einer Methodik zum Vergleich von Thin Client mit PC- Systemen. Aus den Ergebnissen konnten Strategien für das Produktdesign und auch Vermarktungsstrategien abgeleitet werden.

Bei der INTERSEROH Dienstleistungs GmbH ging es um die CO2- Einsparungen durch das Recycling von Papier, Glas und Leichtverpackungen. Es wurden fundierte Berechnungen der CO2-Bilanzen der Stoffströme Glas, Papier und Leichtverpackungen durchgeführt. Hierbei wurde beispielsweise die Produktion von Glas aus Sand der Produktion von Glas aus Scherben gegenübergestellt. Die Studie ergab, dass man eine bewaldete Fläche der Größe Hannovers (rund 200 Quadratkilometer) bräuchte, um die Menge an CO2 zu binden, die das Unternehmen mit der Produktion von Recyclingmaterialien (204 070 Tonnen CO2 einspart.


DURCHFÜHRUNG VON CARBON FOOTPRINTS IM BETRIEBLICHEN RAHMEN

Boris Dresen, Fraunhofer UMSICHT

Boris Dresen, Ressourcenmanagement Fraunhofer UMSICHT, erläuterte in seinem Vortrag Methoden, Durchführung, Rahmenbedingungen und Alternativen bei der Erstellung von Carbon Footprints (CF) im betrieblichen Rahmen.

Es gibt derzeit noch keine einheitliche weltweite Norm für Carbon Footprints (CF) daher ist auch eine Definition von CF nicht einfach. Neben den Ökobilanzierungsnormen 14040 und 14044 existieren außerdem noch weitere Standards und Initiativen. Der bekannteste Standard ist derzeit der »PAS2050«, der von der British Standard Institution entwickelt wurde. Er liefert eine sehr detaillierte Anleitung für die Bilanzierung von CF. Weiterhin entwickelte das World Resources Institute (WRI) (Link) und das World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) (Link) das Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol), mit dem unternehmensweite CO2-Emissionen bilanziert werden können.

Eine mögliche Definition, die vom deutschen PCF Pilotprojekt (Link) genutzt wird, lautet: Der Carbon Footprint beschreibt die Summe der Treibhausgasemissionen, die über den gesamten Lebenszyklus eines Produktes (Ware oder Dienstleistung) durch Herstellung, Vertrieb, Nutzung und Entsorgung entstehen. Allerdings steht in der Diskussion, ob auch die Bilanzierung von Teilbereiche als CF bezeichnet werden dürfen, wie zum Beispiel nur der Weg eines Produkts innerhalb eines Unternehmens. Der Vorteil von diesen »Partial Carbon Footprints« besteht darin, dass diese schneller und kostengünstiger erstellt werden können und oftmals ausreichend sind für eventuelle interne Prozess- oder Produktoptimierungen. Um Produktvergleiche vorzunehmen und Produktlabel zu etablieren ist es wichtig, dass der gesamte Lebensweg eines Produktes betrachtet wird.

Vorteile und Treiber von Carbon Footprints

Carbon Footprints bieten einem Unternehmen zahlreiche Vorteile: Mit ihnen lassen sich Prozesse optimieren und Kosten reduzieren. Die Wertschöpfungskette wird transparenter. Dies geschieht dadurch, dass alle eingesetzten Energien, alle Mengen und Produktionswerte auf einen Wert normiert werden. Das ist das CO2-Äquivalent. Es werden emissionsreiche Phasen identifiziert, die viel Energie benötigen und dadurch auch hohe Kosten verursachen. Es kann so beispielsweise der Erwerb von Emissionszertifikaten in bestimmten Branchen reduziert werden. Weiterhin sind die Ergebnisse eines CF auch wichtig in der Kundenkommunikation und im Marketing. Denn ein Unternehmen zeigt durch einen CF seinen Beitrag zum Klimaschutz und wertet damit sein Image auf. Es erreicht vermehrt Endkunden, die viel Wert auf diesen Beitrag legen, die so genannten «Green Consumer». Aber auch die steigenden externen Anforderungen können so erfüllt werden: Laut des Supply Chain Report von 2010 wird die Zahl der Unternehmen rasant zunehmen, die ihre Zulieferer vor allem nach ihrer CO2-Bilanz auswählen.

Methoden und Rahmenbedingungen

»Die zwei wichtigsten Rahmenbedingungen bei der Erstellung eines CF sind die Detailtiefe und die genutzte Datenbasis«, erläuterte Boris Dresen. Zur Detailtiefe: Es ist möglich, für jede Lebenszyklusphase des CF einen einzelnen Wert, pro Phase mehrere Werte oder alle Phasen wiederum in Teilprozesse zu unterteilen und für jeden Prozess eigene Werte zu ermitteln. Je detaillierter die Werte sind, umso besser können Prozesse optimiert werden. Ist es das Ziel, einen detaillierten CF zu erstellen, müssen auch die Datenbanken entsprechend detailliert sein. Doch gibt es nicht für jeden Prozess einen CO2-Wert. Daher sind auch Auswahl und Umgang mit den Datenbanken besonders wichtig, denn hier gibt es wiederum Unterschiede in der Betrachtung von Stoffen oder den Bezugsjahren. Laut Dresen empfiehlt es sich, mehrere Datenbanken zu nutzen, Literatur und natürlich die Primärdaten aus dem betrachteten Unternehmen hinzuzuziehen. Um trotz unterschiedlicher Datenquellen einen räsonablen CF zu erstellen, sollten veraltete Daten vermieden, Durchschnitte gebildet und alle zugrundeliegenden Prämissen, Systemgrenzen und Produktbezüge angegeben werden. UMSICHT arbeitet mit den Programmen UMBERTO, GaBi, GEMIS und den Datenbanken ecoinvent, ProBas (Umweltbundesamt) und internen Daten von Fraunhofer UMSICHT.

Bei der Durchführung zählen interne und externe Prozesse

Bei der Erstellung eines CF werden sowohl interne als auch externe Prozesse eines Unternehmens betrachtet. Zu den externen Prozessen gehören alle Schritte in der Wertschöpfungskette, die außerhalb des Unternehmens stattfinden und auf die das untersuchende Unternehmen keinen direkten Zugriff hat, wie zum Beispiel Vorketten, Nutzung, Recycling und Transporte. Nur die Produktionsprozesse gehören zu den Internen. Innerbetriebliche Produktionsprozesse werden differenziert betrachtet, außerbetriebliche Prozesse etwas pauschaler zusammengefasst.

Die eigentliche Durchführung eines CF ist ähnlich wie die einer Ökobilanz. Im Vorfeld der Untersuchung müssen die Produktauswahl, Aufstellen der Prozessnetze, Datensammlung, Berechnung des Carbon Footprints, Validierung und Dokumentation festgelegt werden. Außerdem müssen Zeit- und Kostenaufwand berücksichtigt werden. Diese Faktoren werden durch die Komplexität der Prozesse und dem Grad der Selbstbeteiligung des Unternehmens bestimmt. Je höher der Grad der Selbstbeteiligung ist, desto höher ist der Lerneffekt des Unternehmens.

Dresen schilderte ein kurzes Beispiel für die Datensammlung: In der Vorkette eines Süßwarenherstellers, der Mandeln für die Produktion bezieht, muss zunächst der CO2-Wert pro Kilogramm für den Anbau und den Transport der Mandeln aus Datenbanken bezogen werden. Mengen- und Distanzangaben liefert das Unternehmen selbst. Da es aber keine Werte für Anbau und Transport von Mandeln in Datenbanken gibt, müssen diese aus Einzelaufwendungen selbst berechnet werden. Dies sind dann z. B.: Dieselbedarf für die Feldarbeit, Dünger, Pflanzenschutzmittel etc. Sie müssen dann in der Einheit CO2-Emissionen pro Kilo Mandeln ungerechnet werden, um damit weiterrechnen zu können. Dieses Vorgehen wird für alle weiteren Phasen durchgeführt. Beim internen Produktionsprozess »Besprühen von Mandeln« wird dann beispielsweise der Verbrauch von Strom und Dampf für 1 Kilogramm Mandeln ermittelt. Das dementsprechende CO2-Äquivalent für den Energiebedarf kann wiederum aus Datenbanken bezogen werden.

Das Carbon Foot Print Label

Da derzeit noch keine einheitliche Methodik existiert, in welcher Detailtiefe und mithilfe welcher Datenbanken Carbon Footprints erstellt werden, sind nach Meinung von Dresen und Fraunhofer UMSICHT auch noch keine sinnvollen Labels möglich, die produktübergreifend und objektiv sind. Allerdings gibt es diese schon in diverser Ausführung. »Es sollte weiterhin das Ziel sein, Carbon Footprints zu nutzen, um Prozesse zu optimieren hinsichtlich ihrer CO2-Bilanz und Verbraucher darüber zu informieren«, schilderte Dresen.

Eine andere Möglichkeit jenseits der produktbezogenen Carbon Footprints stellt das »Greenhouse Gas Inventar« dar. Dieses ermöglicht eine detaillierte Anleitung zur Berechnung und normgerechten Berichterstattung der unternehmensspezifischen Treibhausgasemissionen. Hier werden ganze Unternehmensstandorte bilanziert. Der Carbon Footprint stellt nur eine Wirkungskategorie der Ökobilanzierung dar. Es ist allerdings auch möglich, vielfältigere Umweltauswirkungen zu betrachten. Von einer kompletten Nachhaltigkeitsbewertung spricht man dann, wenn alle ökologischen, ökonomischen und sozialen Faktoren, die mit einem Produkt oder einem Unternehmensstandort zusammenhängen, bewertet werden.


MIT BRIEF UND SIEGEL: ZERTIFIZIERUNG VON CARBON FOOTPRINTS UND BIOMASSE

Eric Werner-Korall, DQS GmbH

Eric Werner-Korall, Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen (DQS GmbH), erläutert Defizite von Carbon Footprints und CO2-Bilanzen und stellt Möglichkeiten und Herausforderungen bei der Zertifizierung von Carbon Footprints dar.

Die Zertifizierung von Carbon kann zu einem Bestandteil der Auditierung von Betrieben in den Bereichen Qualität, Umwelt und Arbeitssicherheit werden. Während Betriebe und Institute die Daten vorher sammeln und bewerten, käme dem Zertifizierer die Aufgabe zu, diese zu verifizieren und zu validieren. Dazu überprüft dieser den Geltungsbereich der Untersuchung anhand bereits existierender Umweltmanagementsysteme, die für sämtliche Prozesse Umweltaspekte und deren Auswirkungen betrachten.

Es fehlt allerdings eine einheitliche Methodik bei der Erstellung von Carbon Footprints und zur Bilanzierung von Treibhausgasen auf Produktebene. Zudem ist es auch zur Zeit nicht möglich, Produktgruppen anhand von Labels zu vergleichen. Der Auditor muss daher die ausgewählten Prozesse, die Detailtiefe, die zugrundeliegenden Datenbanken, die eventuellen Labels genau auf ihre Wahrhaftigkeit und Sinnhaftigkeit überprüfen. Nach Werner-Korall würden sich dafür »Gate- to-Gate«-CF am besten eignen, da diese sich konkret auf die Prozesse eines Unternehmens beziehen.»Wünschenswert sind Normen, die Methodiken vorschreiben«, sagte Werner-Korall. Es wird derzeit an einem Normierungprojekt gearbeitet, der DIN 14067, das 2011/2012 vorgestellt werden soll.

Neben dem bisher freiwilligen Part der Erstellung von Carbon Footprints gibt es auch gesetzlich vorgeschriebene Regeln, die bei den Audits mit einfließen und berücksichtigt werden müssen. Diese sind auf EU-Ebene geregelt und für Deutschland weiter spezifiziert. In den nächsten 10 Jahren sollen die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent reduziert werden, der Anteil an erneuerbaren Energien in der Stromversorgung 30 Prozent betragen, an der Wärmeerzeugung 14 Prozent. Die bisher noch freiwilligen Leistungen der Erstellung von CF liefern hier schon Möglichkeiten, Prozesse transparenter zu machen und Potenziale aufzuzeigen, wie man CO2-Emissionen verringern kann.

Zertifizierung von Biomasse

Das erneuerbare Energiegesetz (EEG) sieht vor, grünen Strom zu fördern. Mit Beschluss der Biomasse-Nachhaltigkeitsverordnung (Link nur noch zertifizierte Biomasse für Biokraftstoffe eingesetzt werden. Das hat zahlreiche Konsequenzen für die Herstellung von Biomasse. Hier müssen nun für jede einzelne Markstufe die CO2-Äquivalente ermittelt werden. Dabei ergeben sich neue Fragestellungen, was nachhaltige Biomasse eigentlich sei. Dies betrifft landwirtschaftliche Betriebe, die sich mit Palmöl, Sojabohnen oder Rapsöl beschäftigen, weil nun die Treibhausgas-Bilanzen ab dem Anbau ermittelt werden müssen. Die Nachhaltigkeitskriterien werden immer detaillierter, neben Umweltaspekten spielen auch soziale Kriterien, wie zum Beispiel die Einhaltung von Sozialstandards, eine immer größere Rolle.

Werner-Koralls grundsätzliches Fazit fasst seine Einstellung zum Thema zusammen: »Der durchschnittliche Bürger emittiert pro Jahr 10-12 Tonnen CO2. Er darf allerdings nur 2 emittieren, um die Erwärmung unter 2°C zu halten. Hier muss sich etwas tun.«


WIR KENNEN UNSERE FUßABDRÜCKE: ERFAHRUNGEN AUS DEM PILOTPROJEKT CARBON FOOTPRINT

Ricarda Hochwald, Tengelmann Energie GmbH

Ricarda Hochwald, Tengelmann Energie GmbH schilderte die Erfahrungen der Unternehmensgruppe Tengelmann beim Product Carbon Footprint Pilotprojekt, ihre Empfehlungen, Ergebnisse von CF sinnvoll in der Kundenkommunikation zu nutzen, und ihre Ziele für die Zukunft im Bereich CF.

Die Tengelmann Energie GmbH ist eine 100-prozentige Tochter der Unternehmensgruppe Tengelmann und zuständig für die Energieversorgung, das Energiemanagement und die Energieberatung sowohl für interne als auch externe Kunden. Zur Tengelmann Unternehmensgruppe gehören Kaiser`s Tengelmann, KiK, und OBI. Die Abteilung »Umweltprojekte« befasst sich mit den Umwelt- und Klimaschutzprojekten der gesamten Unternehmensgruppe. Hierzu gehören die Erstellung von Corporate und Product Carbon Footprints sowie Verbands- und Lobbyarbeit.

Tengelmann nahm am Product Carbon Footprint Pilotprojekt (PCF Projekt) teil, um praktische Erfahrungen in der Methodik zu sammeln, daraus Thesen abzuleiten, die methodische Harmonisierung bei der Erstellung von PCF voranzutreiben und sinnvolle Kommunikationsansätze über die Ergebnisse von Product Carbon Footprints mit den Kunden zu finden.

In der Studie wurde eine Sechserpackung Bio Freilandeier, der Kaiser`s Tengelmann Eigenmarke »Naturkind«, bilanziert. Das Ergebnis: Gekocht und verzehrt generiert diese 1.178 Gramm CO2. Davon fallen 62 Prozent auf die Haltung der Legehennen. Weitere Prozesse, die betrachtet wurden, waren: Junghennenaufzucht, Transport, Verkauf, Nutzung und Entsorgung. »Im Lebensmittelbereich ist die Nutzungsphase besonders schwierig, da hier viele unbekannte Faktoren Einfluss auf das Ergebnis haben. Es ist unklar, wie weit der Supermarkt vom Kunden entfernt ist, ob der Kunde mit dem Auto fährt oder wie der Kunde die Eier zubereitet«, erklärte Hochwald. Durch die bewährte Zusammenarbeit mit dem Zulieferer waren die vorgelagerten Prozesse dagegen sehr gut analysierbar.

Glaubwürdige Kommunikation der Ergebnisse gegenüber dem Kunden

Prozesse, die verbessert werden könnten: Eine Biogasanlage im Legebetrieb würde 158 Gramm CO2 einsparen. Weiterhin könnte Ökostrom verwendet werden. Dies ist bei der Kaiser`s Tengelmann GmbH bereits der Fall. Jedoch darf der grüne Strom methodisch noch nicht angerechnet werden. Hochwald betonte, dass neben der Verantwortung des Unternehmens im Bereich Product Carbon Footprint der Kunde selbst vor allem im Lebensmittelbereich auch einen Einfluss auf den Carbon Footprint habe. Dies sollte auch in der Kundenkommunikation genutzt werden, um die Kunden für das Thema zu sensibilisieren. In der Nutzung könnten folgende CO2-Einsparungen erzielt werden: 130 g CO2 wenn der Kunde die Eier im Eierkocher und nicht im Topf koche.

Die Ergebnisse der Studie teilte Tengelmann den Kunden ausführlich über eine ganzseitige Anzeige im wöchentlichen Handzettel der Kaiser`s und Tengelmann Märkte mit. Einige Kunden reagierten mit Rückfragen und Neugier, grundsätzlich sei das Interesse aber verhalten gewesen. »Der Kunde kann mit einer einfachen Zahl oder einem weiteren Label nichts anfangen. Einfachheit in der Methodik, Transparenz in der Berechnung und Glaubwürdigkeit in der Kommunikation sind nun Ziele, die wir für die Zukunft erreichen wollen. Und glaubwürdig können wir bei Product Carbon Footprints nur sein, wenn es eine Methodik gibt, die in allen Branchen einheitlich genutzt wird«, erklärte Ricarda Hochwald.

Neben dem Fehlen einer einheitlichen Methodik kritisiert Hochwald zudem die fehlende Standardisierung von Sekundärdatenbanken. Auch hier gebe es verschiedene Qualitätsstandards, welche das Ergebnis erheblich beeinflussen können. Weiterhin fehlen Regelungen für grünen Strom und für CO2-neutrale oder -freie Energie- und Stoffströme, die Standardisierung von Nutzungsphasen und die Etablierung von »Product Category Rules«. »Wir sehen uns bei den Product Carbon Footprints noch in der Beoabachtungsposition. Wir werden zukünftig weitere Produkte bilanzieren, halten allerdings Label definitiv nicht für sinnvoll. Die Ergebnisse würden wir dann erst einmal für interne Zwecke und nur sehr vorsichtig für die Kundenkommunikation nutzen«, fasste Hochwald zusammen.


KLIMANEUTRALITÄT - KLIMASCHUTZ IN DER PRAXIS

Stefan Leuchten, EnergieAgentur. NRW

Stefan Leuchten, EnergieAgentur.NRW, befasste sich in seinem Vortrag mit den Prozessen, Möglichkeiten aber auch Herausforderungen beim Umgang mit Klimaneutralität von Unternehmen.

Die EnergieAgentur.NRW wurde 1990 gegründet und ist eine Einrichtung des Landes NRW, die vom Wirtschaftsministerium finanziert wird. Sie berät Unternehmen, Kommunen, Vereine, und Verbände neutral und unabhängig über die Themen Energieeffizienz, erneuerbare Energien und Klimaschutz und bietet darüber hinaus Weiterbildungen und Zugang zu Kompetenznetzwerken an.

Leuchten erläutert, dass der Begriff Klimaneutralität umstritten ist, da streng genommen kein Prozess, bei dem CO2 ausgestoßen wird, wirklich klimaneutral sein kann. Klimaneutralität bedeutet, dass ein Unternehmen versucht, Emissionen zu verringern und die nicht vermeidbaren kompensiert. Allerdings muss dies in einem zusätzlichen Projekt sichtbar gemacht werden.

»Unternehmen, die sich klimaneutral stellen wollen, möchten ihren Energieverbrauch und damit auch Kosten senken. Weiterhin können sie ihr Image aufbessern und neue Kunden gewinnen. Auch können sie auf diesem Weg innovative Produkte oder Technologien vermarkten«, erläuterte Leuchten.

Die Vorgehensweise für klimaneutrale Maßnahmen jeglicher Art lässt sich unterteilen in Ziele erfassen, Emissionen ermitteln, Minderungsmaßnahmen durchführen, Emissionen kompensieren, Klimaschutzmaßnahmen dokumentieren und kommunizieren. Um die eigenen Emissionen zu verringern, könnten beispielsweise Energieträger gewechselt werden oder emissionsärmere Rohstoffe eingekauft werden. Bei der Kompensation kommt nun ein neuer Aspekt hinzu: Wenn Emissionen so weit wie möglich gemindert wurden, wird der Aufwand für weitere Minderungen immer größer und für ein Unternehmen an einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr bezahlbar. Da Klimaschutz global ist, gibt es daher Möglichkeiten, nicht im eigenen Unternehmen, sondern an anderer Stelle durch eigene Projekte CO2 einzusparen. Beispielsweise könne man in einer nahegelegenen Schule Energiesparmaßnahmen sponsern. Die Provinzial hat beispielsweise ein Stück Land gepachtet und Bäume angepflanzt, die wiederum CO2 binden. Wenn keine eigenen Projekte möglich sind, können Unternehmen Emissionsgutschriften kaufen. Das sind Gutschriften aus anderen Projekten, die von Projektentwicklern durchgeführt wurden und die dann die entsprechende Emissionsreduzierung bei den Projekten verkaufen.

Kompensationsprojekte und Zertifikate

Es gibt strenge Regeln für die Kompensationsprojekte: Die Minderungsprojekte müssen tatsächlich zusätzlich durchgeführt werden, d.h. sie wären ohne die finanziellen Mittel aus dem Zertifikatehandel nicht umgesetzt worden. Die tatsächliche Emissionsminderung muss im Projektverlauf nachgewiesen werden, am besten überprüft durch einen externen Berater. Außerdem darf die Emissionsreduktion nur einmal verbucht und die entsprechenden Zertifikate müssen gelöscht werden.

»Waldprojekte sind beispielsweise umstritten, da sie nur temporär Emissionen binden. Der Wald könnte abgeholzt oder abgebrannt werden. Die Zertifikate für Projekte dieser Art müssen immer wieder erneuert werden«, erklärte Leuchten. Bei den CO2-Zertifikaten gibt es zudem noch unterschiedliche Arten und damit auch Qualitäten. Ein Zertifikat ist eine Tonne CO2. Die Kosten für ein Zertifikat liegen zwischen 15 und 30 Euro. Man unterscheidet zwischen den Zertifikaten EUA (EU allowance), zugeteiltes Emissionsrecht im europäischen Emissionshandel, ERU (emission reduction unit) für Projekte in Industrieländern, CER (certified emission reductions) für Projekte in Entwicklungsländern und VER (verified emission reduction) für den freiwilligen Markt.

Die Zertifikate lassen sich auch nach qualitiativen Merkmalen unterteilen. Eine sehr hohe Qualität hat der Gold Standard, der vom WWF entwickelt wurde. Sie erfüllen folgende hohen Anforderungen: strengere Zusätzlichkeitskriterien als bei CDM-Projekten, nur Projekte im Bereich Energieeffizienz und Erneuerbare Energien zugelassen, Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung in den Bereichen Umweltschutz, soziale Entwicklung, Technologietransfer ins Gastland und Einbeziehung der lokalen Bevölkerung in die Projektplanung. Wichtig bei der Auswahl eines Zertifikats ist laut Leuchten auch der Anspruch, dass das geförderte Projekt zum Unternehmen passt. Unter den Anbietern von CO2-Zertifikaten gibt es gemeinnützige und gewerbliche.


Fachkontakt:
Dr.-Ing. Markus Hiebel (MSc)
Ressourcenmanagement
E-Mail: markus.hiebel@umsicht.fraunhofer.de
Telefon +49 208 8598-1181

Weitere Informationen finden Sie unter
http://http://www.energieagentur.nrw.de/ - EnergieAgentur.NRW
http://http://www.dehst.de/ - Deutsche Emissionshandelstelle

Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter: http://idw-online.de/pages/de/news399659

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter: http://idw-online.de/pages/de/institution10


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT,
Dipl.-Chem. Iris Kumpmann, 01.12.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Dezember 2010