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MASSNAHMEN/267: Ersatzbaustoffe - Streit um Gefährdungsanalytik und Einbautabellen (BBU AK Wasser)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 893 vom 22. Juni 2008 27. Jahrgang

Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Schütteln oder Säule? Glaubenskrieg um die Analytik


Das Grundwassergefährdungspotenzial von Ersatzbaustoffen wurde bislang mit einem "Schütteltest" festgestellt. Das Material wird dabei mit einem zehnfachen Überschuss an Wasser so lange geschüttelt, bis fast alle auslaugbaren Schadstoffe in die wässrige Phase übergegangen sind. In der geplanten Ersatzbaustoffverordnung ist vorgesehen, den Schüttelversuch zum Entsetzen der Recyclingbranche durch die "Säule" zu ersetzen: Das Untersuchungsmaterial wird dabei in eine Glassäule gepackt, die mit Wasser beschickt wird. Das aus der Säule heraustropfende Wasser (das "Eluat") enthält dann die Schadstoffe, die beispielsweise auch aus einem aus Recyclingmaterial errichteten Lärmschutzwall ins Grundwasser durchsickern. Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt gehen davon aus, dass der Säulentest die realen Verhältnisse besser widerspiegelt als der bisherige Schütteltest. Demgegenüber hat die Recyclingbranche den Schütteltest lieb gewonnen und will nicht von ihm lassen. Der leidenschaftlich ausgetragene Disput, welches Analysenverfahren künftig angewandt werden sollte, bestimmte über Stunden mehrmals die Dessauer Anhörung. Der Streit um das richtige Analysenverfahren wurde noch dadurch angereizt, weil die Ergebnisse aus dem Schütteltest und aus dem Säulentest in den seltensten Fällen ineinander umrechenbar sind. Der Höhepunkt des Analysedisputs war erreicht, als Dr. Klaus-R. Frisch vom Deutschen Abbruchverband e.V. theatralisch den Popanz aufbaute, dass "der neuntägige Säulentest" in der Praxis viel zu lang dauern würde. So lange könne kein Unternehmer eine Abbruchbaustelle stilllegen. Somit würde auch verwertungswürdiges Abbruchmaterial unvernünftiger Weise in der Beseitigung und Deponierung landen. Ministerialrat Rüdiger Wagner vom BMU konterte diesen Angriff mit der Aussage: "Wir sollten endlich Schluss machen mit dem Märchen von neuntätigen Analysedauern!". Der vorgesehene Säulenschnelltest würde nur zwei Tage in Anspruch nehmen. Insofern könne keine Rede von Baustellen sein, die man über neun Tage stilllegen müsse.


Einbautabellen: Stürzen sich Behördenvertreter aus dem Fenster?

Mit gleicher Inbrunst wie über Vor- und Nachteile von Schüttel- und Säulentest wurde auch über die "Einbautabellen" in dem Verordnungsentwurf gestritten. In den Einbautabellen wird festgelegt, welches Recyclingmaterial unter welchen Bedingungen für welche Einsatzzwecke verwendet werden darf. Auf den ersten Blick erscheinen diese Tabellen tatsächlich schrecklich unübersichtlich. Ein Vertreter der Abfallbehörde beim Regierungspräsidium Kassel kolportierte, dass "langjährige Praktiker aus dem Fenster springen wollten, als sie die Tabelle gesehen haben". Die Tabellen seien für die Behörden absolut vollzugsuntauglich. Dem wurde von Seiten der nordrhein-westfälischen Landesbehörden energisch widersprochen. In NRW hätten sich diese Tabellen bereits sehr gut bewährt. In NRW habe sich niemand aus dem Fenster gestürzt. Angesichts des Disputs um die Einbautabellen konnte Rüdiger Wagner aus dem BMU nur noch seufzend das Fazit ziehen, dass auch die Einbautabellen offenbar "ein sehr polarisierendes Thema" seien. Das eigentliche Problem liegt aber wohl vor allem darin, dass angesichts der fortschreitenden "Verschlankung" kein Bundesland über das Überwachungspersonal verfügt, um zu kontrollieren, ob sich die Recycler vor Ort auf den Baustellen tatsächlich auch an die Einbautabellen halten.

Den Entwurf der Ersatzbaustoffverordnung, der der Anhörung in Dessau zu Grunde lag, können AbonnentInnen des BBU-WASSER-RUNDBRIEFS via nik@akwasser.de anfordern. Wer sich von der Vielzahl der Stellungnahmen zur Ersatzbaustoffverordnung erschlagen lassen will, möge in Google den Suchbegriff "Ersatzbaustoffverordnung" eintippen.


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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 893/2008
Herausgeber:
Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband
Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)
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Tel.: 0761/275693; 45687153
E-Mail: nik@akwasser.de
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2009