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MELDUNG/420: Wende bei Rechtslage von Lützerath - Moratorium für Erhalt von Braunkohle-Dorf möglich (Alle Dörfer bleiben)


Alle Dörfer bleiben

Pressemitteilung - 21.11.2022

Neue Wende bei der Rechtslage von Lützerath:
Moratorium für Erhalt von bedrohtem Braunkohle-Dorf möglich


Erkelenz. Im Streit um das von Abbaggerung bedrohte Dorf Lützerath zeichnet sich eine entscheidende Wende ab: Ende diesen Jahres läuft der geltende Hauptbetriebsplan aus, welcher derzeit die rechtliche Grundlage für die sogenannte bergbauliche Inanspruchnahme des Ortes bildet. Der Rechtsanwalt Dirk Teßmer betont, dass es damit zu einer rechtlich "anderen Situation" komme und NRW-Wirtschaftsministerin Neubaur nun die Möglichkeit habe, unabhängig vom Kohlekonzern RWE ein Moratorium für Lützerath zu verhängen, ohne Entschädigungszahlungen auszulösen. RWE pocht darauf, Lützerath diesen Winter abzureißen. Der zuständige Polizeipräsident Dirk Weinspach hat eine Räumung in diesem Jahr jedoch ausgeschlossen. Weinspach betonte zugleich, dass für einen Polizeieinsatz abschließende Rechtsklarheit bestehen müsse. Anwälte und Klimaaktivist*innen argumentieren, diese Rechtsklarheit sei mit dem Ende des derzeitigen Hauptbetriebsplans nicht mehr gegeben.

Der auf das Bergrecht spezialisierte Rechtsanwalt Dirk Teßmer erklärt: "Die Landesregierung hat stets betont, RWE habe das Recht Lützerath abzureißen; auf der gegenwärtigen Rechtsgrundlage ist dies jedoch ab Neujahr nicht mehr der Fall. Es besteht dann eine andere rechtliche Situation. Als zuständige Ministerin hat Frau Neubaur die Möglichkeit, sich von den geschaffenen Pfadabhängigkeiten der Vorgängerregierung zu lösen. Aus juristischer Sicht kann sie den Antrag von RWE ablehnen lassen und RWE auffordern, stattdessen einen Hauptbetriebsplan vorzulegen, der zunächst den Abbau der unter Immerath lagernden Kohle vorsieht und sich nicht auch auf Lützerath erstreckt. Dass RWE hierdurch ein Anspruch auf Entschädigung hätte, ist nicht ersichtlich."

Christopher Laumanns von Alle Dörfer Bleiben ergänzt: "Auf die Energiesicherheit hätte das keine Auswirkungen, denn die noch ohne Inanspruchnahme von Lützerath förderbaren Kohlemengen reichen für Jahre. Die Landesregierung muss die Möglichkeit beim Schopf packen und mit einem Moratorium den sozialen Frieden bewahren, anstatt RWE weiter eskalieren zu lassen."

Das Bündnis Alle Dörfer Bleiben fordert darüber hinaus Planungsflexibilität, die zur gleichzeitigen Lösung der Energie- und Klimakrise nötig sei: Um den Kohleausstiegspfad nicht bis 2030 zu zementieren, solle jährlich überprüft werden, wieviel Kohle wirklich noch gebraucht wird und wieviel in Bezug auf die Einhaltung der Klimaziele verbrannt werden darf. Für die kurzfristige Sicherung der Versorgungssicherheit sei eine Ausweitung des Tagebaus nicht nötig. Die Kohle unter Lützerath könne aus bergbautechnischen Gründen ohnehin nicht früher als in vier Jahren gefördert werden. Für eine zeitnahe Räumung gäbe es daher keinerlei Notwendigkeit.

RWE hatte bereits im Juni 2022 einen neuen Hauptbetriebsplan für die Weiterführung des Tagebaus ab dem 1.1.2023 - einschließlich der Abbaggerung von Lützerath - bei der Bezirksregierung Arnsberg als zuständigem Bergamt beantragt. Das Bergamt untersteht der Fach- und Rechtsaufsicht des Wirtschaftsministerium von NRW. Frau Ministerin Neubaur kann das Bergamt daher anweisen, den Plan in der vorgelegten Form nicht zu genehmigen. Hierfür besteht Anlass, da es momentan keinerlei juristischen Zwang für die Abbaggerung von Lützerath gibt. Unter dem bereits abgerissenen Dorf Immerath liegen ca. 150 Millionen Tonnen Kohle, auf die RWE Zugriff hat. Zur Einhaltung der 1,5°-Grenze darf RWE laut Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung nicht mehr als 47 Millionen Tonnen Kohle verbrennen.

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Quelle:
Alle Dörfer bleiben
Pressemitteilung, 21.11.2022
E-Mail: info@alle-doerfer-bleiben.de
Internet: https://www.alle-doerfer-bleiben.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 22. November 2022

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