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KATASTROPHEN/035: Erdbeben in Japan - Kernschmelze in Block-1 des AKW Fukushima-Daiichi (.ausgestrahlt)


.ausgestrahlt / Gemeinsam gegen Atomenergie - Hintergrundinformation, 12. März 2011

Erdbeben in Japan: Kernschmelze in AKW

Ausfall der Kühlsysteme in sechs Reaktoren. Explosion zerstört Reaktorgebäude


Erdbeben in Japan: Kernschmelze in AKW

Ausfall der Kühlsysteme in sechs Reaktoren. Explosion zerstört Reaktorgebäude

+++ Japanische Regierung bestätigt Kernschmelze in Block 1 des AKW Fukushima-Daiichi und spricht von "nie dagewesener Katastrophe". Fernsehbilder zeigen eine Explosion, die das Reaktorgebäude von Block 1 zerstört (12.3.). In Block 3 desselben Kraftwerks versagten am Sonntag (13.3.) sämtliche Kühlsysteme, die Regierung hält eine Kernschmelze für "höchstwahrscheinlich" und eine Wasserstoffexplosion im Reaktor für möglich. In vier weiteren Reaktoren des 12 Kilometer entfernten AKW Fukushima-Daini ist die Kühlung des Reaktorkerns möglicherweise ebenfalls nicht sichergestellt. AKW-Betreiber TEPCO ließ aus Block 1 und 3 des AKW Fukushima-Daiichi radioaktiven Dampf ab, um den Druck in den Reaktoren zu reduzieren. In und um das AKW ist die Radioaktivität stark angestiegen, radioaktives Cäsium und Jod wurde freigesetzt. Die Regierung weitete die Evakuierungszone um Fukushima-Daiichi auf 20 Kilometer aus und begann mit der Verteilung von Jodtabletten. 200.000 Menschen mussten bereits ihre Wohnungen verlassen. Seit Freitag (11.3.) herrscht offiziell atomarer Notstand. +++

In Folge eines Erdbebens im Pazifik mit nachfolgender Flutwelle fiel am Freitag (11. März 2011) in mehreren japanischen AKW rund 300 Kilometer nördlich von Tokyo die Stromversorgung und zudem die Notstromversorgung aus, Teile der Anlagen wurden zerstört. Landesweit lösten die Erdstöße in zehn Reaktoren eine Reaktorschnellabschaltung aus, offensichtlich erfolgreich. Um eine Kernschmelze zu verhindern, müssen jedoch auch die abgeschalteten Reaktoren kontinuierlich weiter gekühlt werden. Wegen des station blackout war dies in einigen Reaktoren über Stunden nicht möglich. Japans Regierungschef Naoto Kan rief am Freitag (11.3.) erstmals in der Geschichte des Landes den nuklearen Notstand aus.

Durch den Ausfall der Stromversorgung, der Notstromversorgung, der Kühl- und Notkühlsysteme stiegen Druck und Temperatur in jeweils drei Reaktorblöcken in Fukushima-Daiichi und Fukushima-Daini an. Zeitweise liefen die Notkühlsysteme, die den Reaktorkern und die im Brennelemente Becken lagernden Brennstäbe kühlen müssen, nur noch im Batteriebetrieb und mit Hilfe von Dampfpumpen.

Nach Betrieberangaben gibt es inzwischen an beiden Standorten wieder Strom zum Betrieb von Pumpen und anderen Apparaten. Dies konnte den Beginn der Kernschmelze im Block 1 des AKW Fukushima-Daiichi aber offensichtlich nicht mehr verhindern. Darauf deutet das aus dem Reaktor ausgetretene radioaktive Cäsium-137 hin. In Block 3 fielen nach Angaben des Betreibers in der Nacht zu Sonntag (MEZ) alle technischen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung eines ausreichenden Kühlwasserstands im Reaktor aus. Bemühungen, das Notkühlsystem wieder in Betrieb zu setzen, scheiterten. Wie in Block 1 ließ der Betreiber radioaktiven Dampf ab, um den Druck im Reaktor zu senken, und pumpte anschließend Meerwasser hinein. Eine zumindest teilweise Kernschmelze konnte das offenbar ebenfalls nicht verhindern. Zudem steigt die Gefahr einer Wasserstoffexplosion. In weiteren vier Reaktoren des benachbarten AKW Fukushima-Daini ist noch offen, ob es gelingt, das Aufheizen des Reaktorkerns zu stoppen und damit eine Kernschmelze zu verhindern.

Am Samstagmorgen (12.3., MEZ) hatte eine Wasserstoff-Explosion [1] das Reaktorgebäude von Block 1 des AKW Fukushima-Daiichi zerstört. Nach Betreiberangaben wurde der im Gebäude befindliche Sicherheitsbehälter dabei aber nicht beschädigt. Dennoch stieg die Strahlung in der Umgebung des Reaktors stark an. Am Samstagnachmittag (MEZ) lag sie bei über einem Millisievert pro Stunde, Sonntagfrüh (MEZ) sogar bei 1,5 Millisievert pro Stunde. Die in Deutschland für die Bevölkerung zulässige Jahresdosis von 0,6 Millisievert wäre damit bereits nach 24 Minuten erreicht.

Die japanische Regierung erweiterte die Evakuierungszone um das AKW Fukushima-Daiichi auf 20 Kilometer und begann mit der Verteilung von Jodtabletten. 170.000 Menschen mussten bisher ihre Wohnungen verlassen [2]; hinzu kommen 30.000 Menschen aus der 10-Kilometer-Zone um das AKW Fukushima-Daini. Medienberichten zufolge sind bisher 19 Anwohner verstrahlt, die Atomaufsichtsbehörde geht von bis zu 160 Kontaminierten aus. "Jeder will die Stadt verlassen, aber die Straßen sind einfach furchtbar", zitierte die Nachrichtenagentur dapd eine Frau: "Wir haben Angst, dass der Wind dreht und die Strahlung in unsere Richtung treibt." Das Auswärtige Amt empfahl insbesondere Familien mit Kindern die umgehende Ausreise aus der Region um Fukushima und dem Großraum um die Großstädte Tokio und Yokohama.

Neben den Reaktoren in Fukushima wurden auch andere Atomanlagen durch das Erdbeben geschädigt:
Im AKW Onagawa im Nordosten Japans brach am Freitag an einem Turbinengebäude ein Feuer aus, das nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA inzwischen gelöscht wurde.
Auch in der atomaren Wiederaufbereitungsanlage Rokkasho ist am Freitag die Stromversorgung der Kühlung ausgefallen. Die Anlage wird mit Notstrom gekühlt. Die Notgeneratoren seien allerdings nicht darauf ausgelegt, langfristig zu laufen, erklärte das Japanische Atom-Informationsforum (JAIF). In der Anlage liegen rund 3.000 Tonnen hochradioaktiver abgebrannter Brennstoff, die sich ohne Kühlung selbst entzünden können.

[1] http://tagesschau.vo.llnwd.net/d3/video/2011/0312/TV-20110312-1241- 0001.podm.h264.mp4

[2] http://www.spiegel.de/video/video-1114961.html


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Quelle:
Hintergrundinformation, 12. März 2011
Letzte Aktualisierung: So, 13.3.2011, 09:00 MEZ
http://www.ausgestrahlt.de/hintergrundinfos/akw-fukushima.html
Herausgeber: .ausgestrahlt
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Internet: www.ausgestrahlt.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2011