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FORSCHUNG/288: Nanotechnologien bergen Chancen und Risiken (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Juni 2009

Vorsorge ist besser als Nachsorge

Nanotechnologien werden immer häufiger eingesetzt - trotzdem ist das Wissen über die Wirkungen bisher gering


Das Problem ist wahrscheinlich so alt wie die Schifffahrt: Seit Schiffe über die Meere segeln, haben such Meeresbewohner den Schiffsrumpf für sich entdeckt. Eine Symbiose, die von den Seeleuten nicht so gern gesehen wird. Denn Bakterien, Algen und Muscheln verringern nicht nur die Lebensdauer der Schiffe, sie machen auch die Oberfläche rauher und bremsen dadurch. Ein hauchdünner Biofilm von wenigen Mikrometern kann den Dieselverbrauch schnell um 10 Prozent erhöhen, starker Muschelbesatz sogar verdoppeln. Bisher wurde versucht, das durch so genannte Anti-Foulingfarben zu verhindern. Doch diese sind stark toxisch und daher ein großes Umweltproblem. Hier bietet die Nanotechnologie neue Möglichkeiten: "Wenn es gelingt, die Lacke mit Hilfe von Nanopartikeln leitfähig zu machen, dann könnten kleine Stromstöße den bisher üblichen Besatz am Schiffsrumpf verhindern", erklärt Barbara Zippel, Biofilmexpertin vom UFZ. Doch nicht nur die Umwelt würde davon profitieren. "Momentan müssen die Schiffe regelmäßig an Land genommen werden, um neu mit Farbe oder ähnlichem beschichtet zu werden. Ein solches Produkt wäre revolutionär und könnte die Intervalle der Auflandnahme verlängern und somit für unsere Kunden von Vorteil sein", meint Sebastian Kunsch, Geschäftsführer der Barther Werft.

Doch Nanopartikel bieten nicht nur Chancen, sondern bergen auch Risiken. Von Feinstaub ist bekannt, dass dieser über die Lunge in den Körper eindringen und Erkrankungen auslösen kann. Nanopartikel sind jedoch noch viel kleiner als Fein- und Ultrafeinstaub. Aufgrund ihrer geringen Größe können sie sogar in einzelne Zellen eindringen. Entscheidend ist also, ob Nanopartikel gebunden bleiben oder von Organismen aufgenommen werden. Mit insgesamt 7,6 Millionen Euro hat daher das Bundesministerium für Bildung und Forschung drei Konsortien (NanoCare, INOS und TRACER) gefördert, die erstmals in Deutschland gesundheitsrelevante Aspekte von synthetischen Nanopartikeln in großem Umfang untersucht haben. NanoCare wird seine Ergebnisse Mitte Juni in Berlin vorstellen. Im Fokus des Forschungsprojektes INOS, an dem auch das UFZ beteiligt war, stand die Entwicklung von Methoden zur Bewertung des Gefährdungspotentials von technischen Nanopartikeln mithilfe von in vitro-Methoden. Diese Arbeiten konzentrierten sich auf keramische und metallische Partikel wie Diamant, Wolframcarbid, Titandioxid, Titannitrid, Cobsit, Platin, Keramik-Metall-Mischungen sowie Kohlenstoffnanoröhren und Ruß. Die Ergebnisse wurden auf dem Symposium "Nanotechnologie in Umwelt und Gesundheit" mit etwa 70 Wissenschaftlern sowie Vertretern von Behörden und Industrie im März in Leipzig diskutiert. "Die Untersuchungen stimmen dahingehend überein, dass die Hauptmenge der derzeit verfügbaren technischen Nanopartikel in Form von sehr stabilen Aggregaten von mindestens 100 bis 200 Nanometern vorliegt. Die Größe der Aggregate eröffnet neue Wege des Zugangs zu Zellen. Damit ist aber nicht zwingend eine akute toxische Wirkung verbunden", fasst Projektkoordinator Dr. Volkmar Richter vom Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) zusammen. Offenbar spielt die chemische Zusammensetzung der Partikel eine große Rolle. Möglicherweise transportieren die Nanopartikel toxische Ionen in die Zelle hinein und wirken damit als "trojanische Pferde". "Wir konnten bei unseren Versuchen beobachten, dass Nanopartikel aus Wolframcarbid und Wolframcarbid-Cobalt in Zellkulturen eindringen können", bestätigt Dr. Dana Kühnel vom UFZ. "Aber Nanopartikel aus reinem Wolframcarbid verursachten keine zellschädigenden Effekte. Diese traten erst durch das Mischen von Nanopartikeln mit toxischen Stoffen wie Cobalt auf." Das harte Wolframcarbid wird vor allem zur Werkzeugfertigung eingesetzt. Die Beimischung von Cobalt erhöht Zähigkeit und Festigkeit. Bei der Herstellung der Werkzeuge könnte es bei unsachgemäßem Umgang zu einer Belastung am Arbeitsplatz kommen. Jedoch lagen zu den Wirkungen des Stoffes in der Größe von Nanopartikeln bisher noch keine Erkenntnisse vor. Die im Arbeitsschutz verwendeten Sicherheitsdatenblätter verwenden oft nur Daten aus dem Mikrometer-Maßstab. Fraglich ist, ob sich der Stoff im Nano-Maßstab auch so verhält.

Wegen ihrer antibakteriellen Eigenschaften kommen Nanopartikel aus Silber inzwischen in vielen Produkten wie Farben, Lebensmittelverpackungen, Desinfektionssprays oder Textilien vor. Wenn zum Beispiel Socken so Fußgeruch verhindern, dann klingt das zunächst verlockend. Doch was passiert, wenn sich die Partikel beim Waschen lösen und über das Abwasser in die Umwelt gelangen? Der Ökotoxikologe Dr. Rolf Altenburger vom UFZ hat zusammen mit Kollegen der Universität Bremen die Wirkung auf Bakterien und Grünalgen untersucht. Ergebnis: Deren Wachstum wird gebremst. "Die Ergebnisse zeigen, dass sich sowohl Nanosilber als auch die als Positivkontrolle verwendeten gelösten Silberionen auf Ökosysteme auswirken können, denn Bakterien und Algen übernehmen wichtige Funktionen wie z. B. die Zersetzung toter Materie oder die Produktion von Biomasse."

Zu nachdenklich stimmenden Ergebnissen ist die frühere UFZ-Wissenschaftlerin Dr. Ariette Schierz gekommen. Mit Kollegen des Forschungszentrums Dresden-Rossendorf (FZD) fand sie heraus, dass Kohlenstoff-Nanoröhrchen wässrige kolloidale Lösungen bilden und sich folglich mit dem Wasser in der Umwelt ausbreiten könnten. Studien zufolge wächst der Markt für diese so genannten Carbon Nanotubes (CNT) jährlich um 25 Prozent und soll 2020 ein Volumen von rund 1,5 Milliarden Euro erreichen. "Wenn sich die Produkte, die diese Kohlenstoff-Nanoröhrchen enthalten, in Zukunft ausbreiten, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Röhren bei Herstellung, Gebrauch oder Entsorgung in die Umwelt gelangen, sich dort weiter verteilen und auf ihrem Weg Schadstoffe wie z. B. das Schwermetall Uran binden", sagt Dr. Harald Zänker vom FZD. Ein Beispiel dafür, dass Fluch und Segen der Nanotechnologie oft dicht beieinander liegen. Eine Anwendung im Sinne des Umweltschutzes ist der Einsatz von Nanokatalysatoren, um halogenorganische Verbindungen, so genannte AOX-Bildner (Adsorbierbare organisch gebundene Halogene), aus industriellen Abwässern zu entfernen. Wissenschaftler des UFZ-Departments Technische Umweltchemie haben dazu ein Verfahren entwickelt, bei dem diese Schadstoffe mit Hilfe von Palladium-Magnetit-Nanokatalysatoren sehr effizient zerstört werden können. (Der UFZ-Newsletter berichtete im Februar 2007.) "Der Magnetismus der Magnetit-Nanopartikel erlaubt eine nahezu vollständige Entfernung der Partikel aus dem behandelten Abwasser innerhalb weniger Minuten, was auch noch ein anschließendes Recycling des Nanokatalysators ermöglicht", beschreibt Dr. Heike Hildebrandt die Vorteile des Verfahrens. Dank der Magnetabscheidung bleiben die Nanopartikel im Reaktorsystem. Die so behandelten Abwässer sind ausreichend gereinigt, um in kommunale Kläranlagen eingeleitet werden zu können.

Gerade kleine und mittelständische Firmen verfügen oft nicht über ausreichend Kapazität, um die Wirkung von Nanopartikeln untersuchen zu können. Im Rahmen des Forschungsprojektes INOS wurde daher ein "Virtuelles Labor" entwickelt, das diese Leistung als Auftragsforschung anbietet. Daran sind neben dem UFZ auch das IKTS, die TU Dresden und das Universitätsklinikum Dresden beteiligt. "Durch diesen Verbund von Partnern mit komplementärer Expertise wird ein umfassendes Leistungsspektrum angeboten, dass von der Partikelcharakterisierung bis zu toxikologischen Untersuchungen alles abgedeckt", begründet der Zelltoxikologe Dr. Stefan Scholz vom UFZ die Kooperation.

Dass noch einiges an Forschung nötig ist, unterstreichen ebenfalls Berichte aus anderen Staaten. So hat beispielsweise die britische Royal Commission on Environmental Pollution vor kurzem gefordert, Nanomaterialien besser zu regulieren. "Die aktuellen Tests und die bestehenden Regelungen sind unzureichend. Die Kommission ist der Auffassung, dass neue gesetzliche Regelungen notwendig sind, um den Herausforderungen der gegenwärtigen und zukünftigen Innovationen in diesem Sektor begegnen zu können, sagte ihr Vorsitzender, Sir John Lawton. "Registrierung und Stoffprüfung leisten in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung keinen besonderen Beitrag zur Wissensgenerierung für Nanomaterialien", kritisiert auch der Umweltjurist Prof. Wolfgang Köck vom UFZ. So müsse das System der Chemikalienkontrolle (kurz REACH) mit Blick auf die Besonderheiten nanoskaliger Formate ertüchtigt werden. "Handlungsbedarf besteht im Bereich der Stoffprüfung, der Kriterienbildung für die Risikobewertung und im Bereich der Testmethoden". Entsprechende Arbeitsprozesse auf EU- und OECD-Ebene laufen inzwischen an. Dazu zählt auch ein OECD-Programm, in dem sich mehrere Staaten verpflichtet haben, 14 Nanomaterialien zu testen und bis Ende 2010 Stoffdossiers zu erstellen. Deutschland ist dabei für Titandioxid und teilweise auch für Nano-Silber verantwortlich. Tilo Arnhold


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NANOPARTIKEL

Nano kommt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie Zwerg. Ein Nanometer ist ein Milliardstel eines Meters. Unter Nanopartikeln werden demnach Teilchen verstanden, die kleiner als 100 Nanometer, also kleiner als ein Fünfhundertstel des Durchmessers eines menschlichen Haares sind. Sie bestehen oft nur aus wenigen Atomen oder Molekülen und besitzen daher Eigenschaften, die ihren Einsatz für die Industrie interessant machen. Die Nanotechnologie gilt als eine der Zukunftstechnologien. Laut Umweltbundesamt gab es bereits 2006 allein in Deutschland 550 Unternehmen mit rund 50.000 Beschäftigten, die auf diesem Gebiet tätig waren.


UFZ-Ansprechpartner:

Dr. Stefan Scholz
Department Bioanalytische Ökotoxikologie
Telefon: 0341/235-1217
e-mail: stefan.scholz@ufz.de

Prof. Dr. Wolfgang Köck
Department Umwelt- und Planungsrecht
Telefon: 0341/235-1232
e-mail: wolfgangkoeck@ufz.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

• René Lührmann von der Schiffswerft Barth appliziert eine Jacht. Ein Konsortium aus Forschern und Industriepartnern entwickelt unter Leitung des Fraunhofer Institutes für Werkstoffmechanik moderne Beschichtungen mit Nanopartikeln, die die Umwelt deutlich entlasten könnten.

• Elektromikroskopie-Aufnahme von Wolframcarbid-Partikeln in Pulverform. Foto: Dr. Volkmar Richter/Fraunhofer Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS)


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Quelle:
UFZ-Newsletter Juni 2009
Herausgeber:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juli 2009