Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INDUSTRIE

ENERGIE/1493: Erneuerbare ausgebremst - Die große Koalition und die Energiewende (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 120/1.2014

Erneuerbare ausgebremst
Die große Koalition und die Energiewende

von Florian Kubitz



Die schwarz-gelbe Regierung hat in der Energiepolitik viele ungelöste Probleme hinterlassen. Die Diskussion über die angeblich zu hohen Kosten gefährdet die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung. Schuld daran sind aber nicht die Kosten der Erneuerbaren Energien, sondern hausgemachte Probleme, wie die Ausnahmeregelungen für große Teile der Industrie. Leider scheint die neue Regierung nicht aus den Fehlern zu lernen, sondern droht jetzt die Energiewende auszubremsen, wie eine Analyse des Koalitionsvertrags zeigt.

Unter der Überschrift "Die Energiewende zum Erfolg führen" ist im Koalitionsvertrag zu lesen: "Wir setzen uns für einen nachhaltigen, stetigen und bezahlbaren Ausbau der Erneuerbaren ein. Dafür werden wir im EEG einen im Gesetz geregelten Ausbaukorridor festlegen und den Ausbau steuern. Damit stellen wir sicher, dass die Ausbauziele erreicht werden und die Kosten im Rahmen bleiben." Klingt erst mal vielversprechend. Sieht man sich diesen Korridor etwas genauer an, merkt man aber, dass es in Wahrheit darum geht, die Energiewende auszubremsen: "Der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien erfolgt in einem gesetzlich festgelegten Ausbaukorridor: 40 bis 45 Prozent im Jahre 2025, 55 bis 60 Prozent im Jahr 2035."

ROBIN WOOD und andere Umweltverbände fordern eine Vollversorgung bis 2030. Auch die SPD hatte ursprünglich 75 Prozent bis 2030 gefordert. Die Koalition begründet das geringe Ausbautempo mit den Kosten der Energiewende, in Wahrheit dürften die Interessen der großen Energiekonzerne dahinterstecken. So meldet abgeordnetenwatch.de, dass die Energielobbyisten während der Koalitionsverhandlugen im Kanzleramt ein und aus gingen. Sie haben ihre Interessen durchgesetzt, denn maximal 45 Prozent Erneuerbare bis 2025 bedeuten vor allem eine Bestandsgarantie für die konventionellen Kraftwerke. So heißt es dann auch folgerichtig: "Die konventionellen Kraftwerke (Braunkohle, Steinkohle, Gas) als Teil des nationalen Energiemixes sind auf absehbare Zeit unverzichtbar."

Klimaschutz, kein Grundwert der SPD?

Ganz unverblümt sagt die Koalition hier dem Klimaschutz ade! Kritik dagegen will die SPD totschweigen. Der Solarenergieförderverein wollte in der SPD Mitgliederzeitschrift "Vorwärts" eine Anzeige schalten, um auf diesen Passus im Koalitionsvertrag aufmerksam zu machen. Der Verlag lehnte die Veröffentlichung ab, mit der Begründung, die Anzeige würde sozialdemokratischen Grundwerten widersprechen. Man sollte doch meinen, der Klimaschutz sei ein sozialdemokratischer Grundwert. Anscheinend ist es aber der Schutz der Kohleverstromung. Vattenfall durfte jedenfalls annoncieren. Der Slogan lautete: "Lausitzer Braunkohle: Partner für den Energie-Mix der Zukunft".

Was bedeuten diese Absichtserklärungen nun konkret für die verschiedenen regenerativen Energieträger? Eckpunkte zur Novelle des Erneuerbaren Energien Gesetzes hat die große Koalition bereits im Januar beschlossen. Erfreulich ist, dass die Förderung von Biomasse überwiegend auf die Nutzung von Abfall- und Reststoffen begrenzt werden soll. So soll der Mais-Monokultur Einhalt geboten werden und Räume für die Natur erhalten bleiben. Bei der Photovoltaik sind keine Änderungen geplant. Hier hatte ja auch schon die schwarz-gelbe Koalition kräftig auf die Bremse getreten. Mit dem "Erfolg", dass sich der Zubau von Photovoltaik im Jahr 2013 in etwa halbiert hat.

Das gleiche Schicksal soll nun die Windenergie an Land erleiden. Auch hier soll der Zubau über den so genannten atmenden Deckel begrenzt werden, so dass nur noch 2500 Megawatt pro Jahr zugebaut werden. Dabei kann gerade die Windenergie an Land einen wichtigen Beitrag zur dezentralen Stromerzeugung leisten und so teure Übertragungsleitungen überflüssig machen.

Außerdem will die große Koalition das Grünstromprivileg abschaffen und den Eigenverbrauch mit der EEG-Umlage belasten. Das Grünstromprivileg besagt, dass Stromversorger, die überwiegend Strom aus Erneuerbaren Energien vertreiben, eine um zwei Cent pro Kilowattstunde geringere EEG-Umlage zahlen müssen. Diese Regelung nutzen Naturstrom und andere Ökostromfirmen, um ihren KundInnen Ökostrom aus einheimischen Anlagen anbieten zu können. Wird diese Regelung ersatzlos gestrichen, wird Naturstrom zukünftig wohl wieder in Österreich und Norwegen eingekauft werden müssen. Dabei ist gerade der Vertrieb von Ökostrom an EndkundInnen ein Beispiel für die oft geforderte direkte Vermarktung.

Auch eine Belastung des Eigenverbrauchs könnte den Ausbau Erneuerbarer Energien deutlich bremsen. PV-Anlagen lassen sich mit den niedrigen Fördersätzen nicht mehr wirtschaftlich betreiben und entstehen daher dort, wo der Strom direkt genutzt werden kann. Immerhin ist hier eine Bagatellgrenze geplant, so dass Einfamilienhausbesitzer und Kleinbetriebe hoffentlich nicht von der Regelung betroffen sein werden.

Ein weiterer Passus im Koalitionsvertrag ist besonders kritisch zu sehen: Es soll geprüft werden, ob Betreiber großer EEG-Anlagen einen Grundlastanteil ihrer Maximaleinspeisung garantieren müssen. Die Betreiber sollen also auch dann Strom bereitstellen, wenn keine Sonne scheint bzw. kein Wind weht. Dafür müssten die Betreiber Speicher installieren oder Verträge mit Biogasanlagen oder auch konventionellen Kraftwerken schließen. Eine solche Regelung wäre eine sinnvolle Möglichkeit Speicher an den Erzeugungsanlagen zu fördern, aber die Kosten dafür können nicht die Anlagenbetreiber tragen, da ihre Anlagen dann sofort unwirtschaftlich wären. Wenn, dann müssten Anreize über höhere Fördersätze geschaffen werden.

Nur noch 50 Prozent der EEG-Umlage fließen tatsächlich in die Förderung der Erneuerbaren

Die eigentlichen Probleme der Ökostromförderung ignoriert die große Koalition. Deshalb dürfte es auch kaum gelingen, die EEG-Umlage zu senken. Diese ist ja nicht durch die Förderkosten der Erneuerbaren Energien so stark angestiegen, sondern weil sie zunehmend mit fremden Kosten belastet wurde. Nur noch rund 50 Prozent der EEG-Umlage fließen tatsächlich in die Förderung Erneuerbarer Energien. Daran wird sich wohl wenig ändern.

Die Aussagen im Koalitionsvertrag zu den viel kritisierten Industrieprivilegien sind äußerst vage. Es ist daher zu befürchten, dass auch weiterhin viel mehr Unternehmen von der Umlage befreit werden, als tatsächlich erforderlich wäre. Auch wird sich wohl nichts daran ändern, dass die EEG-Umlage als Differenz zwischen den Förderkosten und dem Börsenstrompreis berechnet wird, ohne zu berücksichtigen, dass das hohe Angebot an erneuerbarem Strom die Börsenpreise senkt.

Nichts Neues gibt es im Koalitionsvertrag zum Thema Atomenergie. Man will lediglich am beschlossenen "Ausstieg" festhalten und das letzte AKW 2022 abschalten. Dabei müssten sofort mehrere AKW stillgelegt werden, um das Überangebot an Strom zu beenden.

Auch in Sachen Endlager gibt es keine Überraschungen: Die Regierung setzt auf Morsleben, Konrad und ein noch zu findendes Endlager für hochradioaktiven Müll. Dass Morsleben und Konrad nicht sicher sind und dass die Kapazitäten für den gesamten Müll viel zu gering sind, wird ignoriert. Außerdem können weiterhin Hermes-Bürgschaften für Atom-Exporte vergeben werden und die Brennelemente-Steuer soll Ende 2016 auslaufen!

Positiv: Energieeffizienz zweite Säule der Energiewende

Etwas Positives gibt es dann doch noch zu vermelden: Der Koalitionsvertrag nennt die Energieeffizienz als zweite Säule der Energiewende. Es soll ein Aktionsplan Energieeffizienz erarbeitet werden und die energetische Gebäudesanierung verstärkt werden. Bleibt zu hoffen, dass der Plan dann auch wirklich ehrgeizige Ziele und vor allem weitreichende Maßnahmen zur Energieeinsparung enthält.

Die Energiewende wird von vielen engagierten Bürgerinnen und Bürgern getragen. Sie entwickeln Konzepte, bauen Bürgerkraftwerke und holen sich die kommunale Energieversorgung zurück in BürgerInnenhand. Aber ohne die erforderlichen Rahmenbedingungen wird alles Engagement vergebens sein. Bleibt zu hoffen, dass sich die Menschen den verordneten Stillstand bei der Energiewende nicht gefallen lassen. Ein erstes Zeichen wurde am 30.11.2013 in Berlin gesetzt. 16.000 Menschen gingen auf die Straße, um die Energiewende zu retten, auch ROBIN WOOD war dabei. Aber es muss noch deutlich mehr passieren, um die Pläne der Regierung zu stoppen und die großen Energiekonzerne in die Schranken zu weisen. Packen wir es gemeinsam an!


Florian Kubitz, Hamburg, ist Vorstandssprecher von ROBIN WOOD und in der Fachgruppe Energie aktiv

*

Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 120/1.2014, Seite 30-31
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
Verlag: ROBIN WOOD-Magazin
Langemarckstr. 210, 28199 Bremen
Tel.: 0421 59828-90, Fax: -72
E-Mail: magazin@robinwood.de
 
Magazin zu beziehen über:
Robin Wood e.V. Bremen, Geschäftsstelle
Postfach 10 21 22, 28021 Bremen
Tel.: 0421/59 828-8, Fax: -72
E-Mail: info@robinwood.de
Internet: www.robinwood.de
 
Erscheinungsweise: vierteljährlich
Jahresabonnement: 12,- Euro inkl. Versand
Der Bezug des ROBIN WOOD-Magazins
ist im Mitgliedsbeitrag enthalten


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2014