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ENERGIE/1405: Kohleausstieg - 1. Schritt ein Ende der Subventionen - CCS keine Rettung (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 160 - Februar/März 2011
Die Berliner Umweltzeitung

Aussteigen, Wenden, Anschalten
Auch der Kohleausstieg ist notwendig, Schritt 1: Schnelles Ende der Subventionen

Von Felix Eick


Den Ausstieg aus den Steinkohlesubventionen im Jahr 2018 - und das Ganze sozialverträglich - wollen die Umweltverbände und Grünen schon lang. Sie fordern eine schnelle Gesetzesinitiative. Die Revisionsklausel solle aus dem Steinkohlehilfsgesetz gestrichen werden.

Nur so gebe es Planungssicherheit für alle Beteiligten und eine Vermeidung von zusätzlichen Bergschäden, Altlasten und Ewigkeitskosten. Zu diesen Altlasten gehören auch Schäden wie verwüstete Landschaften und Kraftwerksruinen. Die Kosten dafür müssen selbstverständlich von den Betreibern getragen werden. Schon viel zu viel musste der Steuerzahler durch die Hintertür zahlen.

Selbst bei den Sozialdemokraten gibt es eine positive Entwicklung, die bis zuletzt die Arbeitsplätze der Kumpel kategorisch, stur schützten. Es stellt sich doch eine Frage bei der Ausrichtung der deutschen und europäischen Energiezukunft: Wie viele arbeiten im Kohlebergbau, und wie viele neue Arbeitplätze entstehen im Sektor der erneuerbaren Energien? Kann man wegfallende Arbeitsplätze ausgleichen? Diese Frage ist eindeutig zu bejahen. Im Bereich der regenerativen Energien sollen bis 2020 laut Angaben der Agentur für erneuerbare Energien (AEE) 200.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Da müsste es doch möglich sein, in diesem umschulungswütigen Land und durch schon vorhandenes Wissen die 23.000 beziehungsweise mit den Zulieferern 70.000 zu kompensieren (Angaben: www.derwesten. de). Vattenfall kündigte an, trotz neuer Carbon Dioxide Capture and Storage-Technik (CCS) Arbeitsplätze in Brandenburg abzubauen.

Erschwerend kommt hinzu, dass Deutschland in der Steinkohle zu 72 Prozent von Energieimporten abhängig ist, was hoch unwirtschaftlich ist. Dieses Problem kann mit einem schnellen Ausstieg aus der Subvention und dem Abschalten von Kohlekraftwerken gelöst werden. An dieser Stelle muss noch einmal betont werden, dass nicht Kohle und Atom die Brückentechnologien sind, sondern wie etwa im Leitszenario von Greenpeace postuliert, Erdgas diese Rolle einnehmen kann.


Fatale Subventionen

Keine Subventionen für Kohle bedeutet zugleich, dass Strom aus erneuerbaren Energien im Vergleich günstiger wird. Weil nicht nur Atomstrom-, sondern auch Kohlestromsubventionen, an welchem Glied der Produktionskette auch immer, vom Steuerzahler künstlich niedrig gehalten werden und daher nicht auf der Stromrechnung erscheinen. Diese versteckten Kosten gibt es bei Wind-, Sonnen-, Wasser- und Bioenergie nicht, da die Finanzierung ausschließlich über den Strompreis selbst geregelt wird! Hierbei wird zugleich die oft beschworene Akzeptanz in der Bevölkerung für erneuerbare Energien gesteigert und nach der Anreizmethode attraktiver. Auch auf EU-Ebene scheint das aber nicht hinreichend verstanden worden zu sein. Das Treffen des Ministerrats am 10. Dezember 2010 legitimierte auch aus Brüssel die Subventionen bis 2018. In den Jahren 1950-2008 wurden die Stein- und Braunkohle laut Angaben des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft mit 432 Milliarden Euro staatlich und steuerlich gefördert. Diese Zahl ist ähnlich hoch wie bei der Kernenergie und macht deutlich, wie sehr diese fossilen Brennstoffe nicht nur die Umwelt, sondern auch die Gesellschaft und den Staat belasten.


Der Fall Jänschwalde

DER RABE RALF schaut und krächzt vor allem in Richtung Jänschwalde (Brandenburg), wo Vattenfall entsprechend dem Energiekonzept der Bundesregierung und dem "früheren und endgültigen" Ausstieg aus der Kernenergie versucht, die CCS-Technologie und Kohlekraft auszubauen. Vattenfall probiert erneut die Bevölkerung zu verkaspern. Anstatt durch die Kohlendioxidspeicherung und -verpressung den Ausstoß in die Atmosphäre bei den alten Kraftwerken zu reduzieren, baut der schwedische Energiekonzern direkt nebenan den "Block G", also das CCSDemonstrationskraftwerk und pustet das mit umstrittener Technologie eingesparte CO2 mit dem alten Kraftwerk weiterhin einfach in die Atmosphäre.

Die Bürgerinitiativen "Klinger Runde" und "CO2-Endlager stoppen" sowie die GRÜNE LIGA sind vor Ort aktiv und protestieren, weil die CO2-Bilanz nicht gesenkt wird. Das Einzige, was noch ein wenig zur Senkung des Ausstoßes führt, ist der Zusatz von Biomasse in Form von Holzschnitzeln zum Brennstoff Kohle. Dieses Modell wird ebenfalls kritisiert und skeptisch beäugt, da Holzimporte aus Afrika für die deutsche Stromerzeugung ethisch, sozial und ökologisch fragwürdig sind.

Es gibt auch noch jede Menge anderer ökologisch höchst bedenklicher Nebenaspekte der Vattenfallpolitik. Die Rede ist vom Wasserverbrauch. 7 Millionen Kubikmeter mehr Wasser als bisher sollen verschwendet werden, um in Jänschwalde produzierte 1,7 Millionen Tonnen CO2, zumeist unter bewohntem Gebiet, endzulagern. Das und die Gefahren der Endlagerung ohne Erfahrungswerte sind ebenfalls nicht hinnehmbar, was auch die regelmäßig stattfindenden Sternmärsche gegen den Braunkohletagebau in der Region auslöst.


CCS - keine Rettung für Kohle

Die Liste der möglichen Risiken bei der Kohlenstoffendlagerung unter der Erde ist lang. Die Sicherheit des Transports des Kohlenstoffs in die unterirdischen Hohlraumspeicher ist noch nicht geklärt. Wer garantiert, dass nicht schon auf dem Weg CO2 entweicht? Vor einer tatsächlichen - hoffentlich niemals stattfindenden - Implementierung hierzulande müssten die Gesteinsformationen geologisch umfangreich erkundet werden, aber eine ausreichende Sicherheit kann auch hier niemand geben. Vielmehr zeigt das Beispiel Saskatchewan (Canada), dass die Technik gefährlich ist, da die CO2-Deponie dort leckt.

Carbon Dioxid Capture and Storage ist eine hinterhältige Ausflucht, billig in jedem Sinne und keine Ursachenbekämpfung gegen Kohlestrom. Zwei Beispiele verdeutlichen das: Selbst Berliner Hausmüll ist ein besserer Brennstoff als die brandenburgische Braunkohle. Das heißt, kein Konzern sollte angesichts dieser Ineffizienz überhaupt noch in Kohle investieren. Zweitens sind in anderen Bereichen wie dem effizienteren Einsatz von Rohstoffen und Energie in der industriellen Produktion viel größere Potenziale zur tatsächlichen Einsparung von CO2 vorhanden, die auch eine Zukunft haben, weil sie nicht wie CCS viel und rare unterirdische Fläche benötigen.

Der energiepolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Brandenburger Landtag, Michael Jungclaus, meint treffend: "Innovativ ist Vattenfall allenfalls auf dem Gebiet der Öffentlichkeitsarbeit, technologisch gesehen ist die Braunkohleverstromung - auch mit CCS - von gestern".

Das festzustellen ist gerade in diesen Wochen wichtig. Vattenfall versucht, den Anti-Atom-Aktivisten und Umweltschützern den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem der schwedische Energiekonzern die Hauptanteile an den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel an den Konkurrenten E.ON verkaufen will. Vattenfalls Argumente werden besser auf dem Weg zu atomfreiem Strom; aber erreicht ist erst etwas, wenn die beiden und andere Kernkraftwerke abgeschaltet werden. Gerade unter Berücksichtigung dieses Kontexts ist es von zwingender Bedeutung, Vattenfall gegenüber die Kohleproblematik zu betonen. CCS kann hier nichts aufpolieren und schon gar nicht verbessern. Atom- und Kohlekraft müssen beide weg, auch wenn die Anti-Atom-Bewegung bei weitem mehr Zuspruch und einen größeren Kultcharakter besitzt!


Man verrennt sich in der Rückständigkeit

Nur am Rande bemerkt: Auf die Spitze der Rückständigkeit treibt es eine kanadische Firma. Sie will mit seismischen Bohrungen nach förderbarem Öl in der Niederlausitz suchen.

Initiativen wie "Bäume statt CO2-Endlager" sind in jedem Falle sinnvoller und der Sache dienlicher als Vattenfalls Lobbyismus, Greenwashing, Pseudofortschritt und Profitgier.

Bei riesigen Rutschungen wie im Tagebau Spreetal sterben bald vielleicht nicht nur Schafe. An gleicher Stelle kam es Anfang Januar erneut zu einem Grundbruch und Erdrutsch.

Der Tagebau ist und bleibt gefährlich und ohne Zweifel ein relevanter Teil vom Kohlestrom.

In einem Brief an alle schwedischen Reichstagsabgeordneten forderten die GRÜNE LIGA und einige Bürgermeister aus der Lausitzer Region, "die Braunkohleförderung des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall geordnet auslaufen zu lassen". Vattenfall selbst plant noch für die nächsten 60 Jahre mit dem Standort Lausitz und der Braunkohle. Da hat man wohl nichts verstanden. Viel besser sollte der bereits in kleinem Maßstab bestehende Windpark in Jänschwalde von Vattenfall ausgebaut werden.

Also die Marschroute lautet: Aussteigen aus der Kohlesubvention vor 2018, Abschalten der Kohlekraftwerke, Umdenken der Gesellschaft, Wenden der Energiepolitik, neue Arbeitsplätze im Bereich erneuerbarer Energien schaffen und Anschalten von Windkraft-, Solar-, Geothermie- und Biomasseanlagen. CCS darf kein Zwischenschritt sein!


www.brandenburg.nabu.de/naturschutz/energie

www.moz.de/lokales/artikel-ansicht/dg/0/1/264002

www.lausitzer-braunkohle.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Grafik der Originalpublikation:

geplante CO2-Endlagerug in Brandenburg
Grafik: www.kein-fussbreit-auf-unser-land.de


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Quelle:
DER RABE RALF - 21. Jahrgang, Nr. 160 - Februar/März 2011
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2011