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ATOM/954: Hessische Atomaufsicht hat Glaubwürdigkeit verspielt (IPPNW)


IPPNW - Berlin, den 21. Oktober 2009

Hessische Atomaufsicht hat Glaubwürdigkeit verspielt

Ministerium täuscht, trickst und belügt den Hessischen Verwaltungsgerichtshof


Im Rahmen der Klage auf Stilllegung des Atomkraftwerks Biblis B hat die hessische Atomaufsicht nach Auffassung der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW nun endgültig ihre Glaubwürdigkeit verspielt. "Das hessische Umweltministerium legte beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof mit ihrer Klageerwiderung einen bemerkenswert unsachlichen Schriftsatz vor. Ganz offensichtlich kann sie unserer Klagebegründung weder in rechtlicher noch in technischer Hinsicht überzeugend entgegentreten", so IPPNW-Atomexperte Henrik Paulitz. "Mit Stil und Inhalt der Klageerwiderung hat sich das hessische Umweltministerium als ernstzunehmende Partei in diesem Rechtsstreit disqualifiziert. Das könnte die Wende in diesem Verfahren bedeuten. Die Antwort unserer Anwältin vom 13. Oktober dürfte das Gericht nun endgültig davon überzeugen, dass Biblis B stillgelegt werden muss."

"Täuschen, tricksen und lügen" sind laut Paulitz die Stilmittel, mit denen die Aufsichtsbeamten in Wiesbaden versuchten, die Stilllegung des RWE-Meilers zu verhindern. Beispielsweise habe das Ministerium in dem Schriftsatz vom 26. August wahrheitswidrig behauptet, in der Klagebegründung der IPPNW stünde, das Atomgesetz sei verfassungswidrig. Ein Satz aus der Klagebegründung sei sogar sinnentstellend verkürzt wiedergegeben worden, um dem Gericht ein verfälschtes Bild von der Klagebegründung zu vermitteln. Argumente führender deutscher Atomrechtler wie auch der Wortlaut des Atomgesetzes würden als "Erfindungen" oder Phantastereien "der Kläger" verunglimpft. "Ferner versucht das Ministerium die haltlose Behauptung, in der gut 200 Seiten starken Klagebegründung würden nur wenige Thesen beständig wiederholt, unter anderem dadurch zu belegen, dass zwei längere Zitate aus der Klagebegründung im Schriftsatz an das Gericht jeweils doppelt zitiert werden", so Paulitz. "Insgesamt zielt der Text vornehmlich darauf ab, die Klagebegründung zu diskreditieren und das Gericht zu täuschen."

Die IPPNW erinnert in diesem Zusammenhang an die inzwischen widerlegte Aussage des Ministeriums vom September 2007, alle Vorwürfe des in Biblis eingesetzten Elektromonteurs über fehlerhafte Arbeiten an Sicherheitssystemen seien haltlos. Ferner ergibt sich nach Ansicht der IPPNW aus einer behörden-internen Email vom 13. Juni 2006, dass die restriktive Akteneinsichtnahme und die Verweigerung eines sachlichen Dialogs "Herrn Paulitz bzw. die Vertreter von IPPNW" daran hindern sollten, ihren Stilllegungs-Antrag "besser zu begründen".

"Die polemische und streckenweise sogar aggressive Klageerwiderung zeigt, dass dem hessischen Umweltministerium die Sachargumente ausgegangen sind", so Paulitz. "Wir haben darauf sachlich und begründet reagiert. Wir haben dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel jetzt nochmals zugespitzt dargelegt, dass die Rechtsauffassung des Umweltministeriums weder mit dem Atomgesetz noch mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Einklang steht. Das ist allein daran erkennbar, dass das Ministerium wegen eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. April 2008 eine Neubescheidung des Stilllegungsantrags ankündigen musste. Ferner musste das Ministerium den zentralen Vorwurf der IPPNW nochmals ausdrücklich bestätigen, wonach Biblis B nicht mehr - wie vom Atomgesetz gefordert - dem Stand von Wissenschaft und Technik entspricht."

Die IPPNW klagt auf Stilllegung des Atomkraftwerks Biblis B und legte am 11. Dezember 2008 eine umfangreiche Klagebegründung vor. Das hessische Umweltministerium reagierte erst am 26. August 2009 mit einer Klageerwiderung auf einen Teil der Vorwürfe.

Weitere Informationen: www.ippnw.de/atomenergie


Über die IPPNW:

Diese Abkürzung steht für International Physicians for the Prevention of Nuclear War. Die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges engagieren sich seit 1982 für eine Welt ohne atomare Bedrohung und Krieg. 1985 wurden sie dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Seit 1990 stehen zusätzlich gesundheitspolitische Themen (z.B. Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere, Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten) auf dem Programm des Vereins. In der IPPNW sind rund 7.000 ÄrztInnen und Medizinstudierende organisiert.


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Quelle:
Presseinformation der IPPNW - Deutsche Sektion der
Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, 21.10.2009
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Sven Hessmann, Pressereferent
Tel.: 030-69 80 74-0, Fax: 030-69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2009