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ATOM/1369: Rückbau AKW Esenshamm - Kläger schreiben an das OVG Lüneburg (BBU)


Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) e.V. - Bonn, 18. Juli 2019

Pressemitteilung der Klagegruppe AKW Esenshamm vom - 16.07.2019

AKW Esenshamm: Kläger schreiben an das OVG Lüneburg


(Bonn, Hannover, 18.07.2019) Anfang Juli 2019 haben mehrere Kläger über ihre Rechtsanwältin Joy Hensel gegen die Rückbaugenehmigung des Atomkraftwerkes (AKW) Esenshamm ein 54 seitiges Schreiben an das Oberverwaltungsgericht Lüneburg geschickt. Damit reagierten sie auf eine Stellungnahme des Niedersächsischen Umweltministerium (NMU). Der klagebegleitende Arbeitskreis hat jetzt in einer Pressemitteilung den Stand der Dinge dargelegt.

Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) begrüßt es, dass sich besorgte Bürgerinnen und Bürger kritisch mit dem Verfahren zum Rückbau des AKW Esenshamm befassen. "Es ist gut, dass das AKW Esenshamm stillgelegt wurde. Beim Rückbau des AKW muss jetzt der Schutz der Bevölkerung und der Umwelt oberste Priorität haben. Ebenfalls zum Schutz der Bevölkerung müssen die noch in Niedersachsen laufenden Atomkraftwerke Grohnde und Lingen 2 sofort stillgelegt werden", fordert BBU-Vorstandsmitglied Udo Buchholz. Grundsätzlich engagiert sich der BBU für die sofortige Stilllegung aller AKW und Atomanlagen im Bundesgebiet und darüber hinaus.

Zum Rückbauverfahren des AKW Esenshamm heißt es In der Pressemitteilung der Klagegruppe vom 16. Juli 2019 u. a.: "Obwohl das Kraftwerk nunmehr brennstofffrei ist, sollen weiterhin radioaktive und mit Borsäure belastete Abwässer mit höherer Konzentration in die Weser eingeleitet werden. Radioaktive Abwasser-Belastung wird verursacht durch z.B. Dekontaminierung von Wänden, Böden, Anlagenteilen und Zerlegen von Bauteilen oder Konditionieren von flüssigen Abfällen. Zur billigen Entsorgung wird das alles in die Weser verbracht. Die Kläger haben beantragt die kürzlich zum AKW Brunsbüttel vereinbarte mehr als 95 %-ige Reduktion der Einleitwerte auch beim AKW Esenshamm anzuwenden."

Weiter heißt es in der Pressemitteilung: "Es fehlen Untersuchungen zur Umweltverträglichkeitsprüfung, zur Wasserrahmenrichtlinie (Belastung, Verschlechterung) und insb. zu den Qualitätsverschlechterungen auf die Reetflächen (gesetzlich geschütztes Biotop gem. §30 BNatSchG)."

Vom Umgang mit Atommüll, der bei der Stilllegung und dem Rückbau von Atomkraftwerken anfällt

Der BBU legt generell großes Augenmerk auf den Umgang mit Atommüll, der bei der Stilllegung und dem Rückbau von Atomkraftwerken anfällt. Der Verband lehnt die Verbringung von sogenanntem freigemessenen Atommüll auf Mülldeponien und in Verbrennungsanlagen ab. Eine derartige Verbringung erfolgt u. a. in der Mülldeponie in Dörpen (Emsland). Dort werden Reste des AKW Lingen 1, das bereits vor Jahren stillgelegt wurde, eingelagert.

"Freigemessen" bedeutet, dass radioaktiv belasteter Abfall, der eine bestimmte Belastung unterschreitet, nicht mehr unter das Atomrecht fällt, sondern zu "normalem" Müll erklärt wird und dann deponiert, verbrannt oder - das ist der größte Teil - frei verwertet werden darf. Damit erhöht sich zum einen die radioaktive Strahlung in der Umwelt, zum andern können die radioaktiven Stoffe eingeatmet werden oder in Nahrungsmittel gelangen. Es gibt keine Grenze, unterhalb derer radioaktive Stoffe unbedenklich sind, daher ist das "Freimessen" bzw. die Freigabe insgesamt abzulehnen". Der BBU warnt, dass bundesweit aus dem Abbau der Atomanlagen Hunderttausende von Tonnen dieses Abfalls anfallen werden.

Weitere Informationen des BBU zur "Freimessung" von Atommüll auf der Startseite der BBU-Homepage unter
https://bbu-online.de/.

Direktlink:
https://bbu-online.de/AK%20Energie/Aktuelles%20AK%20Energie/Deponietabelle%202017/Deponietabelle%20Erlaeuterungen%202017-2.pdf


Der BBU ist der Dachverband zahlreicher Bürgerinitiativen, Umweltverbände und Einzelmitglieder. Er wurde 1972 gegründet und hat seinen Sitz in Bonn. Weitere Umweltgruppen, Aktionsbündnisse und engagierte Privatpersonen sind aufgerufen, dem BBU beizutreten um die themenübergreifende Vernetzung der Umweltschutzbewegung zu verstärken. Der BBU engagiert sich u. a. für menschen- und umweltfreundliche Verkehrskonzepte, für den sofortigen und weltweiten Atomausstieg, gegen die gefährliche CO2-Endlagerung, gegen Fracking und für umweltfreundliche Energiequellen.

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Arbeitskreis zur Begleitung der Klage gegen NMU zu dieser Genehmigung zum Rückbau des AKW Esenshamm

Brake, den 16.07.2019

Pressemitteilung
zu unserer 54 seitigen Antwort auf NMU an das OVG Lüneburg vom 6.7.2019.



Exemplarische Beispiele unserer Replik auf das NMU :

1. Obwohl das Kraftwerk nunmehr brennstrofffrei ist, sollen weiterhin radioaktive und mit Borsäure belastete Abwässer mit höherer Konzentration in die Weser eingeleitet werden. Radioaktive Abwasser-Belastung wird verursacht durch z.B. Dekontaminierung von Wänden, Böden, Anlagenteilen und Zerlegen von Bauteilen oder Konditionieren von flüssigen Abfällen. Zur billigen Entsorgung wird das alles in die Weser verbracht. Die Kläger haben beantragt die kürzlich zum AKW Brunsbüttel vereinbarte mehr als 95 %-ige Reduktion der Einleitwerte auch beim AKW Esenshamm anzuwenden.

2. Es kann nicht sein, dass die Gesundheit der Menschen und der Schutz der Natur weniger Wert ist als in Schleswig-Holstein. Allerdings zieht sich das bereits durch das gesamte Verfahren. Es fehlen Untersuchungen zur Umweltverträglichkeitsprüfung, zur Wasserrahmenrichtlinie (Belastung, Verschlechterung) und insb. zu den Qualitätsverschlechterungen auf die Reetflächen (gesetzlich geschütztes Biotop gem. §30 BNatSchG) und der geplanten Weservertiefung der Kläger. In der Brackwasserzone liegt eine durchschnittliche Flussgeschwindigkeit von 3,75 km/h vor.

3. Ebenfalls ungenügend ist der Deichschutz. Dabei hat man sich nicht an die erforderlichen Vorgaben gehalten und nur auf die KTA Regel 2207 bezogen. Diese sieht fälschlicherweise nicht das Umsetzen des fehlenden Deichbestickes vor (hier im Umfeld des AKW mehrere Mängel), sondern nur das Benennen. Häufigkeit und Stärke von Sturmfluten bzw. Hochwasser können nicht Bemessungswasserstände und Deichhöhe festlegen (Prof. Schüttrumpf). Es fehlen Prognosestudien zum Hochwasser bis 2100 inkl. Berücksichtigung der Schmelze des Permafrostes und Klimaauswirkungen.

4. Die Kläger fordern unmißverständlich

  • das Einholen eines Sachverständigengutachtens zu den Auswirkungen auf a)den Brackwasserbereich und b)die Reetfläche und c)das Urteil des EUGH(1.7.15) zur Weservertiefung (Zusatzbelastung) und d) zu WRRL und UVP zu Schlamm und Abwasseruntersuchungen inkl. vollständiger Untersuchung aller Schutzgüter.
  • Danach hat die Beklagte NMU zu entscheiden, welche Grenzwerte sie nach § 7 (3) i.V.m. (2) Nr. 3 AtG in der 1. SAG festzulegen hat und welche Zusatzmaßnahmen im Risikogebiet Hochwasser i.V.m. § 57 (1)Nr.1 und Nr.3 WHG i.V.m. § 82 (2), (4) und (5) WHG anzuordnen sind. Somit liegt eine Konzentrationswirkung für die 1. SAG vor.

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Quelle:
BBU-Pressemitteilung, 18.07.2019
Herausgeber:
Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) e.V.
Prinz-Albert-Str. 55, 53113 Bonn
Internet: www.bbu-online.de
Facebook: www.facebook.com/BBU72


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juli 2019

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