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ATOM/1200: Störfall 1986 im Thorium Hochtemperaturreaktor Hamm - Kritik an Untersuchungsmethoden (BI Hamm)


Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm e. V. - Presseerklärung, 28. Oktober 2012

Kritik an LANUV-Messungen der Kügelchen am THTR: Entscheidende Messbereiche wurden ausgespart!



Die Vorgeschichte

1986 kam es im Thorium Hochtemperaturreaktor (THTR) Hamm acht Tage nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl zu einem Störfall, bei dem Radioaktivität in die Umgebung gelangte. Es wurden zerstörte Brennelementekugeln, in denen sich zehntausende von 0,4 mm großen PAC-Kügelchen (Plutonium, Americium, Curium) befinden, über den Abluftkamin hinausgeblasen. Die Messstreifen für Radioaktivitätsabgaben wiesen beim THTR-Betreiber innerhalb dieser entscheidenden Stunden fünfmal Leerstellen von insgesamt 150 Minuten auf.

Im Frühjahr 2012 entdeckte im Rahmen von "Jugend forscht" eine damals elfjährige Schülerin zahlreiche Kleinstkügelchen im Umkreis des THTR. Diese Kleinstkügelchen wurden zur Untersuchung an das NRW-Landesinstitut für Arbeitsgestaltung (LIA) und etwas später an die LANUV weitergegeben. Die beiden Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass keine Radioaktivität in den Kügelchen vorliegt und es sich bei den eingereichten Proben möglicherweise um Eisenoxidpartikel handelt.

Inzwischen wird deutliche Kritik an den Untersuchungsmethoden laut. Der zu Rate gezogene Gutachter Heinz-Werner Gabriel, der vor Jahrzehnten selbst an dem THTR-Sicherheitsbericht mitgearbeitet hatte, analysierte bereits zweimal in der Nähe des THTR die gefundenen Kügelchen. Im Zusammenhang mit den zahlreichen Leukämiefällen in der Nähe von Atomanlagen in Geesthacht hat er vor einigen Jahren ähnliche Kügelchen wie am THTR gefunden.

Gabriel bemängelt, dass bei der LANUV-Veröffentlichung exakt diejenigen Messbereiche ausgespart wurden, um die es bei der Untersuchung des Thorium-Reaktors geht: Eben um Thorium und andere spezifische radioaktive Substanzen des THTR!

Die Kritik im Detail:

Der am 6.7. 2012 veröffentlichte Bericht der LANUV "Analytik kugelförmiger Substanzen in Böden von Hamm" wirft einige grundlegende Fragen auf, die dringend der Klärung bedürfen.

Die LANUV will eine Gesamt-Elementbestimmung mit Hilfe der Röntgenfluoreszensanalyse und der Rasterelektronenmikroskopischen (REM) durchgeführt haben. Als Ergebnis wird behauptet, dass es sich bei der eingereichten Probe nur um Eisenoxid-Partikel handelt, die keine weiteren chemischen Elemente mit hoher Ordnungszahl (wie die Thorium, Uran, Plutonium) enthalten.

Nach Angaben des Gutachters H. W. Gabriel ist der Bericht der LANUV aus mehreren Gründen zu kritisieren:

Auffällig bei den von der LANUV veröffentlichten Werten der Gamma-Spektrometrie ist, dass der Messbereich für Thorium (93 keV = Emissionsenergie) ausgeblendet wird, weil der LAMUV-Bericht den Messbereich erst ab dem Wert größer als 100 keV darstellt.

Auch wenn bedacht wird, dass das Spektrum aller Folgeprodukte von Thorium in dem Bereich größer als 100 keV oftmals als "Fingerabdruck" für die Stoffe mit einer geringeren Emissionsenergie als 100 keV Verwendung findet, sollte das gesamte Messprotokoll mit allen Messbereichen öffentlich gemacht werden.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass von der LANUV nur eine Probemasse von ca. 1 Gramm für die Dauer eines einzigen Tages gemessen wurde. Dies ist angesichts der Brisanz der Kügelchenfunde unzureichend. Selbst bei der rudimentären LANUV-Veröffentlichung sind bei dem Diagramm im Gamma-Spektrum des Thorium-Folgeproduktes Blei (PB 212) radioaktive Partikel verzeichnet! Aus den veröffentlichten Messergebnissen kann also kein Nichtvorhandensein von Radioaktivität und Kernbrennstoff abgeleitet werden.

Zur Röntgenfluoreszenzanalyse:

Zwecks Elementbestimmung wird in Abbildung der LANUV (Seite 5, Abb.4) nur ein Probenausschnitt (!) bis zu einer Energie von 11 keV dargestellt. Die für die Untersuchung der relevanten Kernbrennstoffe Th, Uran, Plutonium sind jedoch bei 12,8 , 15,6 , 16,2 und 18,97 keV anzusiedeln. Auch hier fehlen die wesentlichen Angaben zu genau denjenigen Stoffen, die für die Untersuchung relevant sind.

Falls die beiden oben genannten Bereiche tatsächlich nicht gemessen wurden, sollte dies unbedingt nachgeholt werden. Falls doch, was spricht dagegen, die ganze "Messlatte" der Ergebnisse zu veröffentlichen?

Fazit

In den letzten Jahren ist die Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm immer wieder von besorgten Menschen aus der Umgebung des THTR wegen der Häufung von Krebsfällen angesprochen worden. Eine im Jahr 2008 von der BI und 4000 Bürgern geforderte Kinderkrebsstudie (KiKK-Studie) erfolgte am THTR nicht, obwohl alle anderen AKW-Standorte in der BRD untersucht wurden!

Die beispiellose Pannen- und Störfallserie im THTR und ihre möglicherweise gesundheitsschädlichen Folgen für viele zehntausend Menschen gebieten es zwingend, die gefundenen Kleinstkügelchen umfassend und nicht nur ausschnittweise zu untersuchen. Deswegen fordert die BI Umweltschutz Hamm:

  • Veröffentlichung der gesamten Messergebnisse!
  • Neue Messungen mit einer gezielten Analyse THTR-typischer Substanzen!
  • Durchführung einer Krebsstudie in der Umgebung des THTR!


Weitere Informationen, Grafiken, Kügelchen-Bilder:
http://www.reaktorpleite.de/aktuelles.html

ZDF-Film "Und keiner weiß warum: Leukämietod in der Elbmarsch" aus dem Jahr 2011:
http://www.youtube.com/watch?v=H53C2yA9z4Q

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Quelle:
Pressemitteilung, 28.10.2012
Herausgeber: BI Umweltschutz Hamm e. V.
Postfach 1242, 59002 Hamm
E-Mail: h.blume@thtr-a.de (Horst Blume)
Internet: www.thtr-a.de, www.reaktorpleite.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Oktober 2012