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ATOM/1145: Atomarer Notstand in Japan - Kernschmelzgefahr (IPPNW)


IPPNW - Berlin, den 11. März 2011

Atomarer Notstand in Japan - Kernschmelzgefahr


Angesichts der Ausrufung des atomaren Notstands in Japan erklärt Henrik Paulitz von der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW:

Durch ein Erdbeben kann in einem Atomkraftwerk ein Störfall ausgelöst und zugleich können die dann erforderlichen Sicherheitssysteme zerstört werden.

Durch das Erdbeben in Japan soll im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi die Kühlwassermenge gefährlich abgesunken sein. Die Notstromdiesel sind nicht angelaufen. Es kam zum gefürchteten "station blackout", dem Ausfall der Stromversorgung.

Die für die Steuerung des Atomkraftwerks erforderlichen Batteriekapazitäten sind in zwei Blöcken nahezu erschöpft. Um die Batterien zu schonen, musste das Notkühlsystem abgestellt werden. Durch den Austritt von Kühlwasser über ein Leck steigt derzeit der Druck im Containment. Es besteht die Gefahr eines schweren Kernschmelz-Unfalls.

Es ist völlig unklar, ob in diesem Fall Notfallmaßnahmen funktionieren würden und ob die Anlage die Radioaktivität überwiegend zurückhalten könnte. In aller Regel ist wie im vorliegenden Fall gerade bei älteren Anlagen mit Undichtigkeiten zu rechnen, so dass mit der Freisetzung von Radioaktivität gerechnet werden muss. Außerdem dürften auch in Japan die Containments durch potenzielle explosive Ereignisse gefährdet sein. Vermutlich vor diesem Hintergrund wurde bereits mit der Evakuierung begonnen.

Stets wurde uns von der deutschen Atomindustrie Japan als leuchtendes Beispiel für erdbebensichere Atomkraftwerke vor Augen geführt. Die Realität zeigt nun erneut, was von den Verlautbarungen dieser Branche zu halten ist.

Auch in Deutschland gibt es massivste Probleme mit einer unzureichenden Erdbebenauslegung von Atomkraftwerken. Die IPPNW prangert schon seit vielen Jahren an, dass die hessische Atombehörde in Biblis nur eine Auslegung der Anlage gegen vergleichsweise schwache Erdbeben verlangt, obwohl am Standort laut Gutachten deutlich schwerere Erdbeben möglich sind (in der Fachsprache: Auslegung nur 50%- Fraktile statt 84%- oder 95%-Fraktile). Vermutlich sind alle Atomkraftwerke im Rheingraben und am Neckar durch an diesen Standorten mögliche Erdbeben gefährdet.

Ferner sind auch in Deutschland die Batteriekapazitäten in den Atomkraftwerken völlig unzureichend, die Notstromdiesel versagen bei Tests regelmäßig, die Notkühlsysteme weisen gefährliche Schwachstellen auf, die Notfallmaßnahmen sollen gerade bei den "neuesten" deutschen Atomkraftwerken nicht funktionieren, die Containments würden im Notfall über Leckagen Radioaktivität freisetzen, Wasserstoffexplosion könnten in die Katastrophe führen.

Die Geschehnisse in Japan zeigen, dass es jederzeit zu einer weiteren Atomkatastrophe kommen kann. Die IPPNW fordert die sofortige Abschaltung aller Atomkraftwerke, vordringlich der an erdbebengefährdeten Standorten.

Man kann jetzt nur hoffen, dass es in Japan nicht zum Äußersten kommt.



Über die IPPNW:

Diese Abkürzung steht für International Physicians for the Prevention of Nuclear War. Die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges engagieren sich seit 1982 für eine Welt ohne atomare Bedrohung und Krieg. 1985 wurden sie dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Seit 1990 stehen zusätzlich gesundheitspolitische Themen (z.B. Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere, Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten) auf dem Programm des Vereins. In der IPPNW sind rund 7.000 ÄrztInnen und Medizinstudierende organisiert.


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Quelle:
Presseinformation der IPPNW - Deutsche Sektion der
Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, 11.03.2011
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Tel.: 030-69 80 74-0, Fax: 030-69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2011