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ATOM/1015: Neue Kritik an Hermesbürgschaft für brasilianisches Atomkraftwerk Angra 3 (urgewald)


urgewald - Kampagne für den Regenwald - Pressemitteilung vom 20. April 2010

Neue Kritik an Hermesbürgschaft für brasilianisches Atomkraftwerk Angra 3

Umweltschützer warnen vor Gefälligkeitsgutachten


Die Umweltorganisationen urgewald und Greenpeace kritisieren heute in einer Pressekonferenz in Berlin das Gutachten der ISTec GmbH zum Atomkraftwerk Angra 3. Auf der Grundlage dieses Gutachtens erklärt die Bundesregierung, dass Angra 3 deutsche und internationale Standards einhält. Laut den Umweltorganisationen ist das jedoch nicht der Fall: Urgewald hat das ISTec-Gutachten unter Berufung auf das Umweltinformationsgesetz erhalten, Greenpeace hat es analysieren lassen. Mit vernichtendem Ergebnis:

"Das Gutachten als Beleg anzuführen, dass Angra 3 deutschen Sicherheitsstandards entspricht, ist unverantwortlich", sagt Heinz Smital, Atomexperte von Greenpeace Deutschland. "Es ist in seiner Betrachtung zu bruchstückhaft und oberflächlich. Auch die Frage, ob Angra 3 internationalen Sicherheitsstandards wie zum Beispiel denen der Internationalen Energieagentur entspricht, kann nicht hinlänglich beantwortet werden." Kritisch sei, so Smital, das Gutachten überhaupt nur an einer Stelle, wenn es nämlich feststelle, dass Angra 3 nicht den aktuellen deutschen Vorschriften zur Auslegung gegen Flugzeugabstürze entspreche.

Neben dem ISTec Gutachten zitiert die Bundesregierung die umfassenden Auflagen, mit denen die Genehmigung in Brasilien versehen wurde, als Grund für die Bürgschaftsvergabe. Diese seien ein Indiz dafür, mit welcher Gründlichkeit Angra 3 in Brasilien vorangetrieben werde.

Brasilianische und deutsche Umweltorganisationen verweisen jedoch darauf, dass solche Auflagen in Brasilien oft nicht eingehalten werden. "Schließlich ist am Standort Angra dos Reis das AKW Angra 2 bereits seit 2000 am Netz, ohne dass zentrale Genehmigungsauflagen auch nur ansatzweise zufrieden stellend 'gelöst' worden sind. Als Beispiele dienen hier die immer noch sehr provisorische Lösung für die Lagerung der radioaktiven Abfälle sowie der unzureichende Katastrophenschutz" erklärt Dr. Barbara Happe, Brasilienexpertin von urgewald. Da zu Angra 3 bisher erst die Grundsatzzusage, nicht jedoch die endgültige Zusage erteilt worden ist, fordern die Umweltorganisationen, die Entscheidung zurückzunehmen.

Nach der Hermesbürgschaft für Angra 3 liegen laut Wirtschaftsministerium bereits Anträge für Zulieferungen zu weiteren Atomkraftwerken in China und Russland vor, unter anderem für die russischen Atomkraftwerke Leningradskaja 3 und Novovoronezhkaja 4. Da keine Informationen zu den Bürgschaftsanträgen öffentlich erhältlich sind, ist unklar, ob es sich dabei um Zulieferungen für die Erweiterung von zwei Blöcken der existierenden AKW oder für den Bau neuer Blöcke an beiden Standorten handelt. Der russische Atomexperte Vladimir Slivyak von der Umweltorganisation Ecodefense warnt vor beiden Optionen: "Wenn es um die Erweiterung der existierenden Blöcke geht, wäre dies verantwortungslos, da es sich beim Leningrader Kraftwerk um einen RBMK-Reaktor handelt. Diese Tschernobyl-Typ-Reaktoren gehören schnellstmöglich geschlossen und nicht ihre Lebenszeit durch Erweiterungen verlängert! Und auch die Förderung von Neubauten ist fahrlässig, denn deren Umweltverträglichkeitsprüfung ist unvollständig und selbst die atomfreundliche russische Presse berichtet von fehlender Einhaltung der Technologie-Normen beim Bau vom neuen AKW Novovoronezh."

"Die enorme Dimension der chinesischen Atomausbaupläne kombiniert mit dem Mangel an Transparenz und öffentlichen Kontrollmöglichkeiten bergen ein großes Risiko für Unfälle, Verseuchung und radioaktive Abfallprobleme. Sogar die Behörden in China sind besorgt über die Qualität und Sicherheit der neu geplanten Reaktoren. Der Westen sollte China eher ermutigen, seine weltweit führende Rolle beim Ausbau von sauberen, sicheren und nachhaltigen Erneuerbaren beizubehalten", erklärt Jan Beranek, Atomexperte bei Greenpeace International zu den chinesischen Atomplänen.

Hermesbürgschaften werden Unternehmen gewährt, um diese in so genannten 'schwierigen Märkten', besonders Entwicklungs- und Schwellenländern, gegen die Zahlungsunfähigkeit lokaler Besteller abzusichern. Im Fall von Angra 3 wurde Anfang Februar eine Grundsatzzusage erteilt, die endgültige Bürgschaft kann erst erteilt werden, wenn die Finanzverträge zwischen dem Exporteur Areva/Siemens und den finanzierenden Banken abgeschlossen sind.


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Quelle:
Pressemitteilung, 20.04.2010
Herausgeber: Urgewald e.V.
Von-Galen-Straße 4, 48336 Sassenberg
Tel.: 02583/1031, Fax: 02583/4220
Internet: www.urgewald.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. April 2010