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ÖKOSYSTEME/026: Vom Schutz der Ökosysteme profitiert die ganze Gesellschaft (idw)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ - 17.09.2012

Vom Schutz der Ökosysteme profitiert die ganze Gesellschaft

von Tilo Arnhold



Brüssel/Leipzig. Die Erfassung und Kartierung von Ökosystemdienstleistungen ist von zentraler Bedeutung, um die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen zu bremsen. Ohne dieses konzeptionelle und methodische Handwerkszeug ist es kaum möglich, Ökosystemdienstleistungen angemessen in Politikprozesse einzubinden. Das ist die Kernaussage einer neuen europäischen Studie, die klar macht: Der Erhalt unserer ökologischen Lebensgrundlage gelingt nur dann, wenn die betroffenen Menschen und ihr Wissen vor Ort bei Entscheidungen über Ökosystemdienstleistungen beteiligt werden.

Zu den sieben Umweltforschungszentren, die sich im Verbund PEER (Partnership for European Environmental Research) zusammengeschlossen und diese Studie gemeinsam erstellt haben, gehört auch das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Die Ergebnisse der Studie "PEER Research on EcoSystem Services (PRESS)" wurden am 13. September auf einem internationalen Expertenforum in Brüssel präsentiert, das die Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission bei der Umsetzung der EU-Biodiversitätsstrategie unterstützen soll. Seit Montag ist der Report für alle Interessierten frei zugänglich.

Die PRESS-Studie startete 2010 und zeigt, dass Europas Forscher - einschließlich der Sozialwissenschaftler, Ökonomen und Ökologen - ihr Wissen kombinieren können, um natürliche, soziale und ökonomische Werte von Ökosystemdienstleistungen zu erfassen. Die Studie widmete sich vor allem den Dienstleistungen Bestäubung, Erholung und Wasserreinigung, die die Natur tagtäglich kostenlos erbringt. Dabei zeigte sich auch, dass die Bewertung der Auswirkungen von Politikmaßnahmen abhängig von Raum und Ebene der Betrachtung und Analyse ist. "Hier bietet sich ein multi-skaliger Ansatz an, wie er in diesem Bericht erarbeitet worden ist. Wir konnten zeigen, dass mit dem Konzept der Ökosystemdienstleistungen eine umfassende und systematische Analyse der Auswirkungen von Politik auf Ökosysteme und ihre Dienstleistungen möglich ist", erklärt Dr. Jennifer Hauck vom UFZ.

Ziel des jetzt veröffentlichten Reports ist es, zu einem besseren Verständnis beizutragen, wie Ökosysteme wesentliche Leistungen für unsere Gesellschaft erbringen. Dabei konzentrieren sich die Forscher auf vier Kernbotschaften an die Politik:

1. Feuchtgebiete, Flüsse, Bäche und Seen sind essentiell für die Trinkwasserversorgung, um Schadstoffe zu entfernen oder zu binden und damit die Kosten zu senken, die eine ausschließlich auf Technik basierende Abwasserbehandlung verursachen würde. Eine umweltverträglichere Agrarpolitik und der Erhalt von Feuchtgebieten beinhalten erhebliche positive Effekte auf die Wasserreinigung, damit für die Wasserqualität und folglich für die Gesellschaft.

2. Erholung in der Natur ist für viele Menschen einer der am stärksten wahrgenommen Nutzen von Ökosystemen. Die PRESS-Studie bestätigt die hohen Besuchsraten in Naturgebieten, besonders in Wäldern. Auf nationaler Ebene bewegt sich der Wert von Wäldern zur Erholung in Bereich von mehreren Milliarden Euro. Werden die positiven Effekte für die menschliche Gesundheit dazu gerechnet, dann steigt dieser Wert weiter. Städtische Grünflächen wie Parks haben ebenfalls ein hohes Erholungspotenzial. Die Studie schlägt daher Methoden vor, wie Kommunen am effizientesten in diese Grünflächen investieren könnten.

3. Insekten wie Bienen und Hummeln sind hauptverantwortlich für die Bestäubung und damit für die Produktion von Obst und Gemüse in Europa. Zwar liegen schon einige Daten vor, um die Bestäubungsleistung durch Tiere erfassen und kartieren zu können, allerdings muss weitere Forschung zeigen, wie empfindlich die Bestäuber auf Umwelteinflüsse reagieren. Diese Informationen sind notwendig, um die gute fachliche Praxis zur Erhaltung der Lebensräume und der Nahrungsgrundlage der Bestäuber zu sichern.

4. Die Kartierung, Erfassung und Bewertung von Ökosystemdienstleistungen sind notwendig, aber nicht ausreichend. Die Studie stellt fest, dass politische Entscheidungen vielfältige gewollte, aber auch ungeplante Auswirkungen auf Ökosysteme und die Dienstleistungen, die sie zur Verfügung stellen, haben.

Die Wissenschaftler der PRESS-Studie empfehlen, dass neue Politikmaßnahmen flexibel im Design sein sollten und kontinuierlich auf ihre Auswirkung hin überprüft werden müssen. Nur so kann negativen Auswirkungen rasch begegnet und auf neue Sachverhalte reagiert werden. "Um ein aktuelles Beispiel zu nehmen: Die Diskussion um die Reformen der Agrarpolitik für 2013 zeigt deutlich, dass die EU nach Wegen suchen sollte, um die Auswirkungen ihrer Politik zu überprüfen, mit dem Ziel, sie künftig schneller und effektiver korrigieren zu können als es momentan der Fall ist", sagt Dr. Jennifer Hauck vom UFZ. Dies gilt vor allem für die Ziele der Politik, die messbar gestaltet sein müssen, um den Fortschritt überprüfen zu können. "Die Umsetzung der Biodiversitätsstrategie erweist sich letztlich auch deshalb als so schwierig, weil die Zwischenziele nur schwer messbar sind", ergänzt Prof. Kurt Jax vom UFZ. "Die Erhaltung unserer ökologischen Lebensgrundlage gelingt nur dann, wenn die betroffenen Menschen vor Ort bei Entscheidungen über Ökosystemdienstleistungen beteiligt werden."

Deshalb hat die EU-Kommission in diesem Jahr zwei große Forschungsprojekte bewilligt, die sich mit der Umsetzbarkeit des Konzepts der Ökosystemdienstleistungen in verschiedenen Politikfeldern beschäftigen. Die Projekte mit den Akronymen OpenNESS und OPERAs werden ab Dezember 2012, unter maßgeblicher Beteilung von Wissenschaftlern des UFZ, interdisziplinäre und politikrelevante Forschung leisten, unter Einbeziehung der potenziell von Entscheidungen zu Ökosystemdienstleistungen betroffenen Personengruppen.

Mehr als 100 Forscherinnen und Forscher unterschiedlicher natur- und sozialwissenschaftlicher Disziplinen arbeiten im UFZ an Fragen rund um die Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen. Dazu klären sie grundlegende Zusammenhänge auf - beispielsweise, wie sich Flächenverbrauch, Landschaftszerschneidung, biologisch invasive Arten oder der Klimawandel auf Tier und Pflanzenpopulationen und die Funktionen von Ökosystemen auswirken. Sie wollen herausfinden, ob eine höhere genetische Vielfalt und eine größere Artenvielfalt tatsächlich dafür sorgen, dass Ökosysteme stabiler sind und Veränderungen besser abpuffern können. Sie betrachten die biologische Vielfalt aus ökonomischer Sicht, stellen Vor- und Nachteile von Entscheidungen - also Nutzen und Kosten - gegenüber und liefern damit systematische Grundlagen, wie mit dem knappen Gut Biodiversität ökonomisch umgegangen werden kann. So koordinierte das UFZ die globale UN-Studie zur Ökonomie von Ökosystemen und Biodiversität (TEEB) und ist Partner im neu gegründeten Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv).

Weitere fachliche Informationen:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Dr. Jennifer Hauck, Department Umweltpolitik
Telefon: 0341-235-1932
http://www.ufz.de/index.php?de=19117
und
Prof. Kurt Jax, Department Naturschutzforschung
Telefon: 0341-235-1648
http://www.ufz.de/index.php?de=1919
sowie via
Partnership for European Environmental Research (PEER):
info@peer.eu
oder über
Tilo Arnhold (UFZ-Pressestelle)
Telefon: 0341-235-1635
www.ufz.de/index.php?de=640

Publikation: Joachim Maes, Jennifer Hauck, Maria Luisa Paracchini, Outi Ratamäki, Mette Termansen, Marta Perez-Soba, Leena Kopperoinen, Katri Rankinen, Jan Philipp Schägner, Peter Henrys, Iwona Cisowska, Marianne Zandersen, Kurt Jax, Alessandra La Notte, Niko Leikola, Eija Pouta, Simon Smart, Berit Hasler, Tuija Lankia, Hans Estrup Andersen, Carlo Lavalle, Tommer Vermaas, Mohammed Hussen Alemu, Paul Scholefield, Filipe Batista, Richard Pywell, Mike Hutchins, Morten Blemmer, Anders Fonnesbech-Wulff, Adam J. Vanbergen, Bernd Münier, Claudia Baranzelli, David Roy, Vincent Thieu, Grazia Zulian, Mikko Kuussaari, Hans Thodsen, Eeva-Liisa Alanen, Benis Egoh, Peter Borgen Sørensen, Leon Braat, Giovanni Bidoglio (2012): A spatial assessment of ecosystem services in Europe: methods, case studies and policy analysis - phase 2. Synthesis report. PEER Report No 4.
Ispra: Partnership for European Environmental Research
http://www.peer.eu/index.php?id=234

Weiterführende Links:
PRESS - PEER Research on EcoSystem Services
http://www.peer.eu/projects/press-project/
UFZ-Kernthema "Landnutzung - Biodiversität - Bioenergie"
http://www.ufz.de/index.php?de=30502
TEEB - Die globale Studie zur Ökonomie von Ökosystemen und Biodiversität
http:// www.ufz.de/teeb/
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv)
http://www.idiv-biodiversity.de

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 1000 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.
http://www.ufz.de/

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit über 33.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 18 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 3,4 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).
http://www.helmholtz.de

Partnership for European Environmental Research (PEER):
Sieben große öffentliche Umweltforschungszentren in Europa verfolgen eine gemeinsame wissenschaftliche Strategie, um nationale und EU- Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bei der Erreichung ökologischer Nachhaltigkeit zu unterstützen. Die Mitglieder von PEER sind Alterra (Niederlande), CEH (Großbritannien), DCE (Dänemark), Irstea (Frankreich), JRC-IES (Italien), SYKE (Finnland) und UFZ (Deutschland).
http://www.peer.eu

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.ufz.de/index.php?de=30836
http://www.peer.eu/index.php?id=234

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news496605
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution173

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ, Tilo Arnhold, 17.09.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2012