BUND MAGAZIN - 4/2024
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany
Bei Eis und Schnee
Wie überleben?
von Severin Zillich
Unsere Wildtiere haben unterschiedlichste Strategien entwickelt, um die kalte Jahreszeit bei oft karger Kost zu überstehen.
Die meisten Tiere drosseln ihren Bedarf an Energie, indem sie Winterschlaf und Winterruhe halten oder indem ihr Stoffwechsel auf ein kältestarres Minimum sinkt. Andere vermögen dem Winter in mildere Regionen auszuweichen, neben Vögeln auch manche Fledermäuse und Insekten. Wieder andere versuchen den Härten des Winters aktiv zu trotzen.
So wie der Eisvogel. Leuchtend blau glänzt sein Rücken, tief rotbraun ist die Brust gefärbt. In Deutschland ist der Eisvogel weit verbreitet - und doch in manchen Jahren ausgesprochen rar. Während langer Frostwinter verhungern oft über 90 Prozent dieser Fischfresser, da ihr Gefieder vereist und die Gewässer zufrieren. Nur weil die Überlebenden in den Folgejahren bis zu drei Bruten mit fünf und mehr Jungen hochbringen, sind solche Einbrüche im Bestand bald wieder wettgemacht.
Viele Vögel suchen jedoch das Weite, lange bevor der Winter beginnt. Sie ziehen im Spätsommer und Herbst nach West- und Südeuropa. Oder noch deutlich weiter, wie der Kuckuck ins südliche Afrika, der Zwergschnäpper nach Indien oder die Küstenseeschwalbe bis an den Rand der Antarktis. Dem deutschen Winter sind sie damit entkommen. Doch zahlen sie hierfür einen hohen Preis. Der Vogelzug ist strapaziös und voller Gefahren. Manche Zugvögel werden mit der Klimaerwärmung zu Teilziehern. Arten wie Rotmilan, Kiebitz, Star oder Mönchsgrasmücke versuchen vermehrt bei uns zu überwintern.
Neben den Vögeln wandern auch einige Fledermäuse im Herbst nach Süden und Westen. So fliegen der Große und Kleine Abendsegler oder die Rauhautfledermaus mitunter über tausend Kilometer bis in ihr Winterquartier. Die insektenarme Jahreshälfte verschlafen sie aber wie andere Fledermausarten in frostfreien Höhlen und Gewölben.
Wer im Frühling schon mal einen arg zerfledderten Distelfalter bemerkt hat, weiß: Auch manche Insekten kommen weit herum. In welchem Ausmaß dieser Wanderfalter im Herbst dem Winter entflieht, zeigte vor einigen Jahren eine Stichprobe am Ärmelkanal: 26 Millionen Distelfalter überquerten den Meeresarm im Herbst 2009 gen Süden.
Unzählige Insekten tun es ihm Jahr für Jahr gleich. Beobachten lässt sich das eher selten , etwa am nur 30 Meter breiten Pyrenäenpass Puerto de Bujaruelo. Ihn überfliegen jeden Herbst ca. 17 Millionen Insekten - zu 90 Prozent Schweb-, Gras- und andere Fliegen. Zur selben Zeit dürften auch Deutschland Unmengen geflügelter Insekten verlassen. Zurück bleiben ihre winterfesten Eier und Larven. Und solche Arten, die ausgewachsen überdauern.
Wie aber behelfen sich die Dagebliebenen? Ein Gebot gilt für fast alle Überwinterer, egal, ob und wie gut sie während dieser kurzen kalten Tage an Nahrung kommen: Energie sparen! Und vorher möglichst noch viel fressen.
Um nicht unnötig Energie zu vergeuden, hat die Natur einige radikale Strategien erdacht. So fallen viele Tiere, die ihre Körpertemperatur nicht selbst regeln können, in eine Kältestarre. Zu diesen »wechselwarmen« Tiergruppen zählen Insekten wie Ameisen und Wildbienen, aber auch Schnecken, Reptilien und Amphibien. Ihr Stoffwechsel fährt im Winter auf ein absolutes Minimum hinunter. Atmung und Herzschlag sind dann stark verlangsamt oder ganz gestoppt. Eine Art Frostschutzmittel bewahrt ihre Körperflüssigkeit davor, einzufrieren.
Auch viele Fische erstarren im Winter. In Seen und Teichen harren sie bei Frost und Eis nahe am Grund aus. Dort ist das Wasser wärmer als an der Oberfläche. Fische im Fluss verringern ihre Aktivität ebenfalls und ziehen sich in Bereiche mit wenig Strömung zurück.
Doch wer starr und unbeweglich wird, ist seinen Fressfeinden hilflos ausgeliefert. Ganz wichtig ist also ein gutes Versteck: in Erdhöhlen unter Wurzeln und Steinen, im Holz, im Laub oder in Pflanzenstängeln, in Kellern, Dachstühlen oder Mauerritzen. Besonders geschützt sind Molche und Seefrösche im schlammigen Gewässergrund, wo sie den nötigen Sauerstoff über ihre Haut aufnehmen.
Ein sicheres Versteck ist das A und O auch für jene Säugetiere, die Winterschlaf halten. Igel, Gartenschläfer, Feldhamster, Murmeltiere oder Fledermäuse senken ihre Lebensfunktionen auf das Nötigste. Sie fressen nichts, atmen kaum und fahren ihren Herzschlag herunter, der Igel etwa von 200 auf fünf Mal pro Minute. In dieser Zeit - sie dauert beim Siebenschläfer bis zu acht Monate - zehren sie von ihrer Fettschicht. Nur selten sind sie kurz wach, um sich umzulegen oder zu erleichtern.
Häufigere Wachphasen durchleben Säugetiere in der Winterruhe. Eichhörnchen, Dachse oder Waschbären werden munter, wenn der Hunger nagt. Sie gehen an ihre Vorräte oder suchen Nahrung, danach schlafen sie weiter. Ihr Stoffwechsel läuft nicht ganz so auf Sparflamme. Eine isolierende Speckschicht und ein dichtes Fell helfen auch ihnen zu überleben.
Säugetiere, die ganzjährig aktiv und draußen unterwegs sind, legen sich meist ein dickes Winterfell zu. Doch bei Kälte sind auch sie im Sparmodus, ob Reh und Hirsch, Fuchs und Wolf, Luchs und Wildkatze oder Biber und Fischotter. Sie verhalten sich ruhiger als sonst und bewegen sich nur, wenn es wirklich nötig ist - etwa zur Paarungszeit, die bei vielen Säugern schon im (Spät-)Winter beginnt.
Mäuse bleiben im Winter ebenfalls aktiv. Damit sichern sie nicht nur Fuchs, Wiesel oder Wildkatze das Überleben, sondern auch Greifvögeln, Eulen und Reihern. Nur bei wochenlang geschlossener oder gar überfrorener Schneedecke steigt die Sterblichkeit dieser Mäusejäger.
Überhaupt sind die meisten Wintervögel besser gegen Frost gewappnet als der aus den Tropen stammende Eisvogel. Ein aufgeplustertes Gefieder schützt wirksam vor Kälte. Sehr kleine Vögel, die mehr Wärme verlieren als große, übernachten gern geschützt in Höhlen und Nistkästen. Zaunkönig und Baumläufer wärmen sich sogar in Schlafgemeinschaften.
Um Energie zu sparen, wandern einige Vögel zudem in die Siedlungen.
Hier ist es milder und oft nahrungsreicher. Allerdings lauern in der
Nähe des Menschen neue Gefahren. Wirklich sicher sind Tiere im Winter
eben kaum irgendwo. Mehr dazu auf der nächsten Seite [*].
Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Anmerkung der SB-Redaktion
im Schattenblick siehe unter:
www.schattenblick.de/infopool/umwelt/fakten/ufagf023.html
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Quelle:
BUND MAGAZIN 4/2024, Seite 10-11
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 14. Februar 2025
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