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STIFTUNG/081: Den Panda in den Tank gesteckt (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 346 - Juli/August 2011,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Den Panda in den Tank gesteckt
Wie die Soja- und Palmölkonzerne den WWF benutzen, um Gentechnik und Vertreibung von Kleinbauern als nachhaltig zu definieren.

Ein Interview mit dem Filmemacher Wilfried Huismann über seinen Film "Der Pakt mit dem Panda"

von Marcus Nürnberger


UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Herr Huismann, vor kurzem lief bei der ARD Ihr Film "Der Pakt mit dem Panda", der die Rolle der Umweltschutzorganisation WWF bei der Produktion von Soja und Palmöl beleuchtet. Sie waren während der Recherche unter anderem in Argentinien. Welche Eindrücke hat der Sojaanbau bei Ihnen hinterlassen?

WILFRIED HUISMANN: Soja ist ja die Hauptquelle für Biodiesel. Über 70 Prozent der argentinischen Produktion gehen nach Europa und liefern nicht nur Öl, sondern uns auch ein gutes Gewissen, dass wir regenerative Energien benutzen. Die Sojaproduktion ist keine landwirtschaftliche Produktion im engeren Sinne, das ist Agro- Industrie. Dazu braucht man auch keine Bauern mehr. Riesen Flächen, die mit industriellen Methoden betrieben werden. Plantagenwirtschaft, wo auch die größten Konzerne des Agrobusiness, wie Cargill, der weltgrößte Getreidehändler, Plantagen und Raffinerien betreibt, um daraus Diesel für Fahrzeuge herzustellen.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Welche Bedeutung haben diese Entwicklungen für andere Länder?

WILFRIED HUISMANN: Das ist sozusagen das weltgrößte Labor des Agrobusiness, insbesondere für den Gentechnikkonzern Monsanto, denn in Argentinien sind über 90 Prozent des Sojas gentechnisch verändert. Dass ist sozusagen ein Modell für die Welt und wird von Monsanto genutzt, um zu zeigen, wie produktiv man sein kann. Es dient damit auch als Modell für die Lösung der Ernährungsprobleme der Zukunft unter dem Motto: We feed the World.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Sie zeigen sehr eindrucksvoll, welche Konsequenzen diese Form der Landbewirtschaftung für die einheimische Bevölkerung hat. Die Menschen werden immer mehr zurückgedrängt, die Pestizidflugzeuge fliegen bis unmittelbar an ihre Grundstücke, wenn nicht gar darüber. Auf der anderen Seite erklärt der Chef von WWF Argentinien, Dr. Hector Laurence, es wäre gar nicht sichergestellt, dass diese Menschen überhaupt die Eigentümer des Landes seien. Sie seien einfache Menschen ohne Bildung, das müsse und könne man ändern. Ist es das Ziel des WWF, den Menschen Bildung und einen besseren Lebensstandard zu bringen?

WILFRIED HUISMANN: Nein. Das ist nur ein rhetorisches Argument. Im Grunde geht es dem Agrobusiness nur darum, wie man diese Waldbauern loswerden kann. Man kann ihnen entweder, wenn sie Besitztitel haben, ihr Land abkaufen. Meistens ist es in diesem Trockenwald Argentiniens aber so, dass die Bauern kein Besitztitel haben, sondern ein Gewohnheitsrecht, denn der Wald gehört dem Staat. So ist es auch im Fall der Familie Rochas, die man im Film sieht. Sie wohnten und arbeiteten in einem Gebiet, dass eigentlich ein Naturreservat war. Nach dem Gesetz der Provinz dürfen da Menschen leben und arbeiten. Um Geld zu machen, hat die Provinzregierung den Status Naturreservat abgeschafft und das Land an die Sojaindustrie verschachert.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Was passierte mit den ansässigen Familien?

WILFRIED HUISMANN: Mit dem Gewohnheitsrecht ist es eine schwierige Sache. Die Menschen leben in dem Gebiet seit 60 bis 70 Jahren, in der dritten Generation und sind natürlich total schockiert. Dann wird gedealt, man bietet Ersatzland an, das dann aber in der Regel schlechter ist und weiter weg oder mitten in diesen Sojafeldern liegt. Es gibt eine Massenflucht vom Land weg aus Angst vor den Folgen der Pestizideinsätze. Im Grunde ist das ein Abbild der Zukunft einer von Monsanto geprägten Landwirtschaft. Das ist eine Horrorvision!

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: In Ihrem Film werden die enorm unterschiedlichen Lebenswelten der Beteiligten offensichtlich. Auf der einen Seite der argentinische Chef des WWF, eloquent im Anzug, ganz weltmännischer Geschäftsmann, um keine Antwort verlegen, der sich rühmt, Industrie und Naturschutz zusammengebracht zu haben. Auf der anderen Seite die Bewohner des Trockenwaldes. Einfache Leute, die nur für das Auskommen ihrer Familie arbeiten und für die die Machenschaften und Interessen großer Konzerne gänzlich unbekannt sind. Muss das Aufeinandertreffen dieser ganz unterschiedlichen Interessen, Lebensweisen und Kulturen nicht zwangsläufig zu Problemen führen?

WILFRIED HUISMANN: Die Menschen dort haben mir oft gesagt, dass Biodiesel vielleicht eine Lösung der Energieprobleme in Europa und den USA ist. Für sie aber ist das Ökoimperialismus der schlimmsten Art, weil es wie eine zweite Kolonialisierung ist. Ihnen wird das Land von einer industriell geprägten Monokultur weggenommen. Und es wird ihnen auch die Ernährungssouveränität weggenommen. In Argentinien gibt es zum ersten mal Fleischknappheit. Selbst Rindfleisch wird zum Teil importiert, weil die Flächen für traditionelle landwirtschaftliche Produkte verschwinden und aufgekauft werden. Das ist sicherlich auch ein Aufeinanderprallen von Kulturen, die Bauernkultur Argentiniens, die Pampakultur, wird vernichtet, ist zu Teilen schon weg und auch viele Dörfer sind nur noch Ruinen.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Ihr Film hat den Titel "Der Pakt mit dem Panda". Sie beleuchten insbesondere die Rolle des WWF als Naturschutzorganisation bei den Entwicklungen hin zu einer industriellen Soja und Palmölproduktion.

WILFRIED HUISMANN: Wenn man das Beispiel Argentinien nimmt, wird deutlich, dass es eine richtige politisch entwickelte Strategie gibt. Als die Industrie mit der Sojaisierung des Landes begann, haben sie sich natürlich auch Gedanken darüber gemacht, wie man so etwas gesellschaftspolitisch durchsetzen kann, weil zu erwarten war, dass auch große Teile der argentinischen Gesellschaft es nicht toll finden, wenn ihr Land in eine Sojawüste verwandelt wird. Und daher war die Entscheidung sehr gezielt und sehr bewusst: Wir müssen eine große gesellschaftliche Gruppe gewinnen, die moralische Autorität hat. Und sie haben es zuerst mit der katholischen Kirche und dem Vatikan versucht. Der Vatikan hat sich dazu nicht bereit erklärt und lehnt es nach wie vor ab. Die einzige zivile Organisation von Bedeutung und mit moralischer Autorität, die sie gefunden haben, war der WWF, der in Argentinien etwas anders heißt: FVS, Fundation Vida Sivestre, aber eine Mitgliedsorganisation des WWF weltweit ist. Das war in Argentinien eine sehr gezielte Strategie, die von der Industrie ausging und in Person von Dr. Laurence umgesetzt wurde, der schon immer Unternehmer war und dann auf einmal WWF Präsident wurde.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Wie ging es dann weiter?

WILFRIED HUISMANN: In Argentinien hat man den WWF dazu gebracht, die Monokultur Soja als positiv zu definieren. Dieses Modell der Kooperation von Naturschutz und Industrie wurde dann auf Weltebene durch die Gründung des Round Table for responsible Soy (RTRS), also des Runden Tisches für verantwortungsvolle Soja verbreitert. Dieser Runde Tisch, bei dem der WWF die Führungsrolle hatte, ist eine Weltorganisation, die auch Standards verabschiedet hat, was eigentlich nachhaltiges Soja ist. Darin sind alle großen Unternehmen der Branche und auch Energieunternehmen vertreten und die verleihen sich jetzt praktisch selber das Gütesiegel "Aus nachhaltiger Produktion". Ein Etikettenschwindel von Anfang an.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Haben Sie zu Beginn Ihrer Recherchen mit einem derartigen Ergebnis gerechnet?

WILFRIED HUISMANN: Für mich persönlich war es schon ein Schock zu erfahren, dass der WWF das mitmacht. Und das Zertifikat gilt ja dann für alle Länder, in denen Soja und Palmöl produziert wird. Der WWF hat 2010 auch akzeptiert, dass Monsanto diesem Zertifizierungssystem für Nachhaltigkeit beitritt und dass damit auch gentechnisch verändertes Soja als nachhaltig bezeichnet werden darf.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Der WWF Deutschland sagt aber doch immer: Wir haben mit Gentechnik nichts zu tun.

WILFRIED HUISMANN: In der Praxis ist es aber so, dass der WWF in Europa mit einem eigenen Lobbybüro in Brüssel vertreten ist und, seit es den RTRS gibt, versucht er, die Europäische Union davon zu überzeugen, dass man das als Standard anerkennt und es dann als regenerative Energie importiert werden darf, denn es ist ja gesetzlich geregelt, dass diese Energieträger nur noch aus nachhaltiger Produktion stammen dürfen. Insofern ist es eine Doppelmoral, weil man der Gentechnik hilft, eine Anerkennung als nachhaltig zu bekommen.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Welches Interesse verfolgt der WWF mit diesem Verhalten?

WILFRIED HUISMANN: Wenn man diese Strategie verstehen will, so sagte mir ein hoher WWF-Funktionär aus den USA, der namentlich nicht genannt werden will, dann müsse man der Spur des Geldes folgen. Der WWF hat natürlich materielle Vorteile. Genau verstehe ich es aber nicht. Vielleicht ist es eine Mischung aus Geldbedürfnissen und einer psychologischen Seite. Ich glaube, dass sich viele Funktionäre des WWF bei dem Gedanken wohlfühlen, dass sie zum Jet Set dazugehören und dass sie auf Augenhöhe mit der Industrie verhandeln können, um kleine Verbesserungen zu erringen, was sie ja durchaus versuchen. Es ist aber, wenn es denn so wäre, als wenn der Schwanz denkt, er wedelt mit dem Hund.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Vielen Dank für das Gespräch


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 346 - Juli/August 2011, S. 3
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2011