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STADT/283: Stuttgart 21 - Chance vertan, eigentlicher Konflikt nicht gelöst (NFD)


NaturFreunde Deutschlands - 1. Dezember 2010

Stuttgart 21: Chance vertan, eigentlicher Konflikt nicht gelöst


Berlin, 1. Dezember 2010 - "Es ist interessant, wie der 'alte Fuchs' Heiner Geißler beim Stuttgarter Schlichtungsversuch noch versucht hat, die Kurve zu kriegen", kommentiert der Bundesvorsitzende der NaturFreunde Deutschlands Michael Müller den Abschluss der Schlichtung um Stuttgart 21. "Aber Geißler hat seine Chance nicht genutzt. Der eigentliche Konflikt ist mit dem Vorschlag "S 21 plus" in der Sache noch längst nicht gelöst."

Schon vor Beginn der Gespräche war klar, dass eine Schlichtung der falsche Begriff sein würde. In Stuttgart funktionierte nicht, wie Geißler anfangs unter Verweis auf seine Schlichtertätigkeit bei Tarifkonflikten sagte, dass die eine Partei acht Prozent fordere und die andere nur vier zugestehe, sodass ein Vorschlag von sechs Prozent eine Lösung bringe.

In der Debatte um Stuttgart 21 (S21) geht es vielmehr um den Konflikt zwischen zwei unterschiedlichen Denkweisen. Das Bahn-Konzept stammt noch aus dem Denken der achtziger Jahre, als die Bahn vor allem die großen Beschleunigungskonzepte zwischen den Metropolen verfolgt hat. Warum unter diesem ideologischen Dach nicht auch die Tieferlegung des Frankfurter Hauptbahnhofs gefordert wurde, ist wohl nur mit den hohen Kosten zu erklären.

Nun also hat Geißler ein Festhalten an S21 empfohlen und den Vorschlag aufgrund verschiedener und durchaus sinnvoller Auflagen "S 21 plus" genannt. Nur ist der Konflikt in der Sache damit nicht gelöst. Fast drängt sich der Eindruck auf, Geißler wollte seinem Parteifreund Stefan Mappus helfen - zumal der baden-württembergische Ministerpräsident im Vorfeld schon davon sprach, nochmals bis zu 500 Millionen Euro draufzulegen, wenn S21 kommen sollte. Nun muss wiederum auch sein Parteifreund Peter Ramsauer mitmachen, denn die Mehrkosten gehen zu einem erheblichen Teil zulasten des Bundes und damit zulasten anderer verkehrspolitischer Projekte.

Heiner Geißler hat seine Chance nicht genutzt. Er hat das Thema verlagert auf die Demokratiefrage, weil unsere Zeit mit komplexen Entscheidungen und neuen Kommunikationsmöglichkeiten auch neue Formen der Willensbildung braucht. Das ist richtig - aber eben nur eine Seite. Geißler gibt keine Antwort auf die Ursachen des zunehmenden gesellschaftlichen Unbehagens über Megaprojekte und die herrschende Wachstumsideologie. Er antwortet mit neuen Formen, aber nicht mit neuen Inhalten. Das ist schade.

Wahrscheinlich waren die Schlichtungsgespräche zeitlich doch zu nah zur bevorstehenden Landtagswahl in Baden-Württemberg, sodass die Offenheit, die dieses Thema braucht, leider nicht gegeben war.


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Quelle:
Presseinformation vom 01.12.2010
Herausgeber: NaturFreunde Deutschlands
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2010