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RECHT/273: Fahrverbote, sonst droht Gefängnis? (DNR EU)


Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen e.V.
EU-Koordination

EU-News - 29.08.2018 / Politik & Recht

Fahrverbote, sonst droht Gefängnis?


Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wird sich wegen fehlender Fahrverbote in München voraussichtlich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) wenden. Dieser soll klären, ob Politiker*innen persönlich dafür haftbar gemacht werden können, dass notwendige Maßnahmen für eine saubere Luft nicht umgesetzt werden.

Im Februar 2017 hat die bayerische Justiz im Verfahren der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen die bayerische Landesregierung festgestellt, dass Fahrverbote notwendig sind, um Stickstoff-Grenzwerte einzuhalten. Trotzdem weigert die Landesregierung sich nach wie vor, solche Verbote anzuordnen und nimmt stattdessen die Zahlung von Zwangsgeldern in Kauf. Deshalb sieht das oberste bayerische Gericht laut einem Schreiben vom 17. August keine andere Möglichkeit mehr, die Grenzwerte einzuhalten, als den politisch Verantwortlichen Zwangshaft anzuordnen. Auch wenn das deutsche Recht eine solche Zwangshaft nicht vorsehe, könnte sie möglicherweise europarechtlich begründet werden. Deshalb soll das EuGH eine Vorabentscheidung in dieser Frage fällen.

Die Landesregierung kann bis Ende September eine Stellungnahme in dieser Sache abgeben. Falls sie ihre ablehnende Haltung gegenüber Fahrverboten bis dahin nicht ändert, wird der Bayerische Verwaltungsgerichtshof voraussichtlich im Oktober den EuGH anrufen. Jürgen Resch, Geschäftsführer der DUH, hält die Entscheidung für einen 'Paukenschlag für die Verteidigung von Recht und Gesetz - und für die 'Saubere Luft' in Bayern aber auch in allen übrigen Bundesländern.' Er ist sich sicher: 'Die Haft wird kommen, es sei denn die Staatsregierung lenkt unverzüglich ein.'

Auch Ugo Taddei von der Umweltrechtsorganisation ClientEarth ist zuversichtlich, dass das europäische Gericht eine Zwangshaft zulässt: "Nach europäischem Recht müssen die nationalen Gerichte alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass das Recht auf saubere Luft respektiert wird. [...] Wenn es nach deutschem Recht eine Haftmöglichkeit gibt, sollten die nationalen Gerichte nicht davor zurückschrecken, sie anzuordnen."

Falls der EuGH die Zulässigkeit einer Zwangshaft bestätigt, könnte der bayerische Gerichtshof Haft gegen Ministerpräsident Söder, den bayerischen Umweltminister Huber oder weitere zuständige Regierende anordnen. Eine solche Entscheidung wäre zudem ein Grundsatzurteil in der Frage, auf welche Weise Regierungen dafür verantwortlich gemacht werden können, dass sie gesetzliche Vorgaben nicht umsetzen. [km]


Pressemitteilung der DUH
https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/bayerischer-verwaltungsgerichtshof-europaeischer-gerichtshof-soll-zwangshaft-gegen-ministerpraesident/

Schreiben des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
https://www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/Urteile/2017-10-27_BayVGH_Zwangsgeld_M%C3%BCnchen/Scan24.08.Ank%C3%BCndigungEuGHVorlageHaftMinisterpr%C3%A4sident.pdf

Ugo Taddei im Interview mit Ends Europe (kostenpflichtig)
https://www.endseurope.com/article/53573/ecj-to-rule-on-imprisoning-leaders-over-air-quality

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Quelle:
EU-News, 29.08.2018
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
Marienstraße 19-20, 10117 Berlin
E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. August 2018

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