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RECHT/136: Rechtswidrig! Umweltaktivistin wurde willkürlich verhaftet (Cécile Lecomte)


Cécile Lecomte - Presseinformation - Sonntag, 23. August 2009

Rechtswidrig! Umweltaktivistin wurde willkürlich verhaftet.


Am 15. Juli 2009 wurde die Umweltaktivistin Cécile Lecomte in Gießen verhaftet und für 12 Stunden in Gewahrsam genommen. Die Freiheitsenziehung war rechtswidrig, so die Auffassung vom Landgericht. Die junge Französin ist bundesweit für ihr umweltpolitisches Engagement bekannt. Dem Eichhörnchen - wie ihr Spitzname lautet - gelingt es immer wieder, die Öffentlichkeit auf sein politisches Anliegen durch kreative und spektakuläre Kletteraktionen aufmerksam zu machen. Aus diesem Grund wird die Kletteraktivistin aber von den OrdnungshüterInnen öfter verhaftet, weil die Polizei mit ihren kreativen und ungewöhnlichen Protestaktionen schlicht nicht umgehen kann und weiß. Nicht selten, werden diese Maßnahmen nachträglich für rechtswidrig erklärt, wie nun in Gießen.

Am 15. Juli demonstrierte Cécile Lecomte mit weiteren UmweltschützerInnen vorm Gießener Landgericht. Sie protestierten anlässlich einer Gerichtsverhandlung gegen zwei Genfeldbefreier. Damit wollten sie ihre Solidarität zeigen und in Erinnerung bringen, dass nicht GentechnikgegnerInnen auf der Anklagebank gehören, sondern die Gentechmafia. Schließlich wolle ja ca. 80% der Bevölkerung keine Gentechnik im Acker oder im Teller haben.

Im Laufe der Protestveranstaltung kletterte Cécile Lecomte ein paar Meter an der Fassade vom Landgericht hinauf und brachte ihren Protest symbolisch - drei Worte mit mit Kreide - zum Ausdruck. Die anwesenden Polizisten reagierten - wie oft - äußerst brutal und unverhältnismäßig, sie nahmen die Aktivistin fest. Erst am Tag darauf, wurde sie aus dem Gewahrsam entlassen.

Bereits bei ihrer Festnahme wies die Aktivistin die Beamten, auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens hin. Sie gingen aber darauf nicht ein. Im Gegenteil. Sie behaupteten zunächst, der Direktor vom Landgericht habe die Maßnahme bestätigt. Auf dem Hinweis hin, dass sie nicht rechtens sein kann, weil er nicht der zuständige Richter sei, setzten sich die Beamten nach langem Zögern mit der zuständigen Bereitschaftsrichterin am Amtsgericht telefonisch in Verbindung und beantragten die Fortsetzung der Freiheitsentziehung. Die Amtsrichterin kam ihrer Aufgabe, der polizeilichen Maßnahme einer effektiven richterlichen Kontrolle zu unterziehen, nicht nach. Im Gegenteil, sie machte die Fortsetzung der Freiheitsberaubung möglich und ordnete die Fortdauer der Ingewahrsamnahme an - dabei verletzte sie das Grundrecht der Aktivistin auf rechtliches Gehör.

Auf die Sofortige Beschwerde der Aktivistin vor dem Landgericht hin, wurde diese mündliche richterliche Anordnung nun für rechtswidrig erklärt. Dabei kritisierte das Gericht die Amtsrichterin, die sich bei ihrer Entscheidung weder an das Gesetzt noch an die Form für einen solchen Beschluss hielt. Das Landgericht erklärte zeitgleich, es sei für eine Entscheidung über den Beginn der polizeilichen Maßnahme - also die 2,5 Stunden bis zur Entscheidung der Amtsrichterin - nicht zuständig.

"Der Polizei ging es in der Tat um eine illegale Bestrafung für vom Staatsschutz als kritisch angesehenes Verhalten, das obendrein von den Grundrechten der Versammlungs- und Meinungsfreiheit gedeckt war." Kommentiert Cécile Lecomte.

Das Landgericht stellte nämlich fest, dass es für eine Ingewahrsamnahme keine Anhaltspunkte gegeben hat: Die Polizei darf Menschen zum Zweck der Verhinderung von nicht strafbaren politischen Aktionen (wie Klettern und Kreidemalen) nicht verhaften!

Um so skandalöser kommt nun eine Forderung des PTLV vor: Die Behörde verlangt von dem Opfer der rechtswidrigen polizeilichen Maßnahme 138,84 Euro, für die Gewahrsamkosten! Lecomte hat Widerspruch eingelegt.

Im Bezug auf die von der Betroffenen anprangerte menschenunwürdige Behandlung im Gewahrsam (Schlafentzug, nackt Ausziehen in Hör- und Sichtweite von männlichen Beamten, etc.) wurde das Verfahren an das Verwaltungsgericht verwiesen, eine Entscheidung steht noch aus.

Vergangene Woche hatte die Aktivistin bereits Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung und Rechtsbeugung gegen die verantwortlichen Polizeibeamten sowie gegen die zuständige Amtsrichterin gestellt.

Unbeugsames Eichhörnchen, 24. August 2009


Für weitere Informationen:
http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/de.html

Aktenzeichen des Beschlusses vom Landgericht: Az. 7 T 255/09 Beschluss im Volltext:
http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/repression/willkuer.html#Schutzhaft_in_Giessen


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Quelle:
Pressemitteilung, 23.08.2009
Cécile Lecomte
Internet: www.eichhoernchen.ouvaton.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2009