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MELDUNG/319: Globaler Aktionstag - BUND kritisiert Position der Landesregierung zu TTIP (BUND BW)


BUND Landesverband Baden-Württemberg - 17. April 2015

Globaler Aktionstag gegen Freihandelsabkommen

BUND kritisiert Position der Landesregierung zu TTIP


Stuttgart. Anlässlich des globalen Aktionstags am 18. April 2015 gegen die Freihandelsabkommen untermauert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Landesverband Baden-Württemberg (BUND) seine ablehnende Position gegenüber TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) und kritisiert die positive Haltung der baden-württembergischen Landesregierung. Am Wochenende gehen weltweit Bürgerinnen und Bürger auf die Straße. Alleine in Baden-Württemberg finden über zwanzig Protest-Aktionen statt. Der BUND ruft auf, gegen TTIP zu demonstrieren.

Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat in ihrem Eckpunktepapier ein idealisiertes Bild von der transatlantischen Handelspartnerschaft gezeichnet, das wenig mit den tatsächlichen TTIP-Verhandlungen zu tun hat. Entgegen den Annahmen der Landesregierung gibt es keinen belegbaren Beweis, dass durch TTIP Arbeitsplätze entstehen oder das Pro-Kopf-Einkommen merklich steigen werden.

"Die Landesregierung sollte sich fragen, ob sie zugunsten unsicherer Wirtschaftswachstumsprognosen Demokratie, Vorsorgeprinzip und Umweltschutz gefährden möchte. Wir erwarten von einer grün-roten Landesregierung, dass sie sich gegen neoliberale Interessen stellt. TTIP ist mit der Entwicklung einer nachhaltigen Wirtschaft unvereinbar", erklärt Dr. Brigitte Dahlbender, Landesvorsitzende des BUND in Baden-Württemberg.

Die von der Landesregierung vorgeschlagene Einrichtung eines multilateral legitimierten internationalen Handelsgerichts ist kein geeigneter Weg TTIP zu verbessern. "Die Landesregierung blendet aus, dass es ein langwieriger und komplizierter Weg ist, bis es einen solchen Gerichtshof geben wird. Bis dahin darf es keine speziellen Investitionsschutzvorschriften und Schiedsgerichte (ISDS) in Handelsverträgen der EU geben", führt Brigitte Dahlbender aus.

Die Landesregierung formuliert in ihrem Eckpunktepapier Kritikpunkte und Forderungen wie: EU-Standards im Verbraucher- und Gesundheitsschutz müssten bestehen, Vorsorgeprinzip und Daseinsvorsorge müssten unangetastet bleiben und es solle keinen Einsatz von Agro-Gentechnik geben. Leider macht sie nicht deutlich, wie sie auf nationaler und internationaler Ebene diese Forderungen durchsetzen möchte. Zumindest hätte die Landesregierung klar und deutlich erklären müssen, dass sie im Bundesrat gegen TTIP stimmen wird, wenn auch nur einer ihrer Kritikpunkte umgesetzt würde. Stattdessen vermittelt die Landesregierung den Eindruck, dass man aus TTIP ein gutes Handelsabkommen entwickeln könne, wenn nur alle ihre Punkte erfüllt würden.

"Wenn die Welt ein Ponyhof wäre, wäre auch TTIP ein echt nettes Ding. Doch die Welt ist kein Ponyhof und TTIP ist ein knallhartes neoliberales Abkommen. Wenn die Landesregierung ihre Eckpunkte ernst nimmt, dann muss sie TTIP ablehnen", erklärt Dahlbender.

Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen, engagiert sich der BUND im Protest gegen TTIP und ruft Bürgerinnen und Bürger auf, am globalen Aktionstag gegen TTIP auf die Straße zu gehen. Unter dem Motto "People and the Planet before Profits!" finden am 18. April weltweit Aktionen gegen eine Freihandelspolitik statt, die vor allem großen Konzernen dient und zulasten von Mensch und Umwelt geht. "In Baden-Württemberg sind über 20 Aktionen geplant - vom Infostand in Konstanz, der Protest-Radtour in Karlsruhe bis hin zur Demo mit Treckersternfahrt in Ulm. Die Menschen gehen auf die Straße, da sie TTIP und Co als ernsthafte Bedrohung empfinden. Diese Proteste dürfen nicht ignoriert, sondern müssen als Auftrag verstanden werden, TTIP zu stoppen", erklärt der BUND-Umweltreferent Franz Pöter.

Die Aktionen zum globalen Aktionstag gegen TTIP am 18. April 2015 finden Sie hier:

TTIP-Aktionen in Baden-Württemberg: http://www.bund-bawue.de/themen-projekte/ttip/aktionen/

Raute


Kritik an Eckpunkten der Landesregierung zu TTIP

Am 17. März 2015 hat das Kabinett Eckpunkte der Landesregierung zur Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) beschlossen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg kritisiert, dass sich die grün-rote Landesregierung für TTIP ausspricht, obwohl sie selbst zahlreiche Einschränkungen vorträgt.

Chancen des Abkommens

Die Landesregierung erwartet durch TTIP und die damit geschaffene Freihandelszone Impulse für eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft in Baden-Württemberg, gute Rahmenbedingungen für Innovationen, insbesondere im Bereich der nachhaltigen Zukunftstechnologien und nicht zuletzt eine Stärkung der Rolle der EU in der Welt. Damit übernimmt die Landesregierung kritiklos die Formulierungen der TTIP-Befürworter ohne jedoch Belege vorzulegen, auf welcher Basis diese Annahmen beruhen.

Es fehlen zudem konkrete Aussagen und Belege dafür in welchem Umfang und in welchen Bereichen positive Effekte durch TTIP erwartet werden. Es wird von substantiellen Vorteilen für die exportorientierte Wirtschaft ausgegangen, ohne zu sagen worin diese liegen sollen. Diese Behauptungen werden aber ohne jegliche Berechnungen wie z. B. Zahlen zur Beschäftigung oder der Beitrag zur Wirtschaftsleistung, o. ä. begründet. Es bleiben somit leere Behauptungen, die von den Befürwortern übernommen wurden. Selbst die EU-Kommission und der Bund der Deutschen Industrie (BDI) haben unlängst ihre positiven Wachstums- und Wohlstandsprognosen, die von TTIP ausgehen sollen zurücknehmen müssen. Sie hatten behauptet, TTIP werde europaweit zu einem jährlichen Wirtschaftswachstum von rund 100 Mrd. Euro bzw. einem über 10 Jahre verteilten Wirtschaftswachstum von insgesamt 0,5 % führen. Das diese in der zugrundeliegenden Studie nur als einmalige Effekte bei vollständiger Liberalisierung und nicht als jährliche Effekte beschrieben ist wurde lange Zeit übersehen.

Ausgeblendet wird zudem, welche Konsequenzen das Freihandelsabkommen haben könnte, wenn dies zu Konflikten mit anderen Handelspartnern etwa China, Indien, Brasilien oder anderen großen Schwellenländern führen würde. Um die Chancen bewerten zu können müssen auch mögliche Schäden und Risiken betrachtet werden.

Als Chance wird zudem gesehen globale Maßstäbe - auch im Hinblick auf Schutzvorschriften sowie faire und nachhaltige Handelsregeln zu schaffen. Bei den Verhandlungen geht es um die Abschaffung von Handelshemmnissen und somit um knallharte Wirtschaftsinteressen, insbesondere der großen, international agierenden Unternehmen und Konzerne. Schutzvorschriften werden als nichttarifäre Handelshemmnisse gesehen und sollen so angepasst werden, dass sie die Wirtschaftsinteressen nicht behindern. Die Logik des Verhandlungsprozesses kann nicht einfach umgedreht werden. Nicht umsonst werden Gesetze, Verordnungen und ähnliche Regelungen in demokratische legitimierten Parlamenten und Gremien beschlossen und sind nicht Ergebnis von Verhandlungsprozessen.

Sicherung des bestehenden Schutzniveaus

Neben den Chancen formuliert die Landesregierung einige Anforderungen, welche TTIP erfüllen muss, damit die Landesregierung dem Abkommen im Bundesrat zustimmen kann. Forderungen sind: Keine Abstriche bei geltenden Standards, Verbesserungen müssen möglich sein und es gibt die Hoffnung auf gemeinsame bessere Lösungen durch TTIP.

Im Gegensatz zur Landesregierung sieht der BUND jedoch nicht die Möglichkeit im Rahmen der laufenden Verhandlungen bzw. des geltenden Mandats die Handelspolitik so zu gestalten, dass diese vorrangig im Interesse der Menschen und der Umwelt liegen wird. Ein Beispiel für diese "hehren Ziele", bei denen sich bei genauer Betrachtung jedoch erhebliche Probleme ergeben. Ist das in Punkt 5 formulierte Ziel: "Die Sicherung des Vorsorgeprinzips insbesondere im Umwelt- und Verbraucherschutz ist zwingend geboten." Nun treffen bei TTIP jedoch zwei völlig unterschiedliche Systemen aufeinander. Ein Vorsorgeprinzip wie wir es kennen gibt es in den USA nicht. Im Gegenteil: Dort muss erst nachgewiesen werden, dass von einer Substanz oder einem Produkt tatsächlich eine Gefährdung ausgeht. Antworten, wie die Sicherung des Vorsorgeprinzips erfolgen soll bleiben offen.

Auch die Forderung (Punkt 7), dass die europäischen Regelungen für Zulassung und Einfuhr gentechnisch veränderter Organismen, Ihre Kennzeichnung u. ä. beibehalten und auch weiter entwickelt werden können ist im Prinzip richtig. Die Zielsetzung von TTIP ist jedoch die gegenseitige Anerkennung von Standards mit dem Ziel Produkte einfacher in den europäischen oder US-amerikanischen Markt vermarkten zu können. Mit TTIP droht der Schutz vor Gentechnisch veränderten Organismen abgeschwächt zu werden.

Investitionsschutz

Die von der Landesregierung vorgeschlagene Einrichtung eines multilateral legitimierten internationalen Handelsgerichts ist ein guter Vorschlag. Problem: Bis dieser jedoch eingerichtet und arbeitsfähig sein würde steht ein langwieriger und komplizierter Weg bevor. Bis es einen solchen Gerichtshof gibt, darf es keine speziellen Investitionsschutzvorschriften und Schiedsgerichte (ISDS) in Handelsverträgen der EU geben. Eine bloße Reform der in den bisherigen Investitionsschutzabkommen enthaltenen Schiedsgerichtsverfahren greift hier viel zu kurz, diese müssen gestrichen werden. Ein Skandal ist auch, dass bisher nur einseitig die Investoren Klagen können und nicht umgekehrt die Möglichkeit besteht, dass z. B. Staaten, Umweltverbände oder Gewerkschaften bei nicht eingehaltenen Umwelt- und Sozialstandards die Unternehmen verklagen können.

Öffentliche Daseinsvorsorge

Die Forderung, dass die Leistungen und die Organisation der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht beeinträchtigt werden dürfen laufen ins Leere. Denn: Darüber wird gar nicht verhandelt, weil es diesen Begriff weder in der englischen noch in französischen Sprache gibt, und mitnichten international Einigkeit über den Inhalt besteht. Es muss deshalb gerade in diesem Bereich genau hingeschaut werden, was tatsächlich in den Verhandlungen gefordert wird. Ein besonderes Problem dabei ist das Prinzip der Negativlisten angewendet wird. D. h. Alles was nicht explizit ausgenommen wird ist Teil der Vereinbarung. Anstelle dessen wäre eine Definition des Geltungsbereichs eines Handelsabkommens nach dem Prinzip der Positivlisten sehr viel transparenter.

Umwelt, Klima und Energie

Wie oben ausgeführt, ist es ein Irrglaube dass sich TTIP für "eine ambitionierte Weiterentwicklung des Umweltrechts" eignet. Vielmehr droht der Gestaltungsspielraum für ambitionierte Klimapolitik eingegrenzt zu werden. Ein zentrales Element der Klimapolitik ist die Förderung der Energieeffizienz. Das geschieht in der Regel durch das Setzen von Mindeststandards, die Autos, Maschinen, Gebäude oder Geräte einhalten müssen, um für den Markt zugelassen zu werden. Wenn jede Verschärfung solcher Standards in Zukunft zunächst mit dem Handelspartner abgestimmt werden muss, könnte der Klimaschutz ausgebremst werden.

Transparenz

Die Fehleinschätzung, TTIP könnte zu einem guten Handelsabkommen werden wird beim Aspekt der Transparenz sehr deutlich. Zurecht stellt die Landesregierung die Bedingung, dass "während des gesamten Verhandlungsprozesses ein Höchstmaß an Transparenz herzustellen [sei]" und "Die Öffentlichkeit ist in den Diskussionsprozess umfassend einzubeziehen". Diese und weitere Aspekte sind in den aktuellen Verhandlungen in keine Weise vorhanden. Anstatt daraus konsequent den Abbruch der Verhandlungen zu fordern, möchte die Landesregierung lediglich weitere Verbesserungen in Punkto Öffentlichkeitsarbeit und führt damit die eigenen Anforderungen ad absurdum.

Resümee:
  • Es braucht kein umfassendes Handelsabkommen um unsinnige Handelshemmnisse aus dem Weg zu schaffen. Dafür würden Vereinbarungen, die die konkreten Bedarfe z. B. bei technischen Standards in der Elektro- oder Automobilindustrie regeln, genügen. Es braucht also kein TTIP um die Größe der Autorückspiegel oder die Farbe der Blinklichter zu regeln.
  • Nimmt die Landesregierung die selbstgesteckten Eckpunkte ernst, müsste dies in der Konsequenz zur Ablehnung von TTIP führen. Stattdessen übernimmt Sie die Argumente der TTIP-Befürworter und tituliert diese als Chancen, ohne dass Konkretisierungen und nachvollziehbare Belege dafür vorgelegt werden, welche Vorteile gesehen und in welchem Umfang diese erwartet werden.
  • Es fehlt eine kritische Auseinandersetzung darüber, welche Nachteile und Risiken sich aus TTIP ergeben könnten und wie diese zu bewerten sind.
  • Die Landesregierung vermeidet Aussagen dazu, wo die Soll-Bruchstellen liegen, wenn die in den Eckpunkten formulierten Anforderungen und Einschränkungen nicht oder nur teilweise Berücksichtigung finden.

Der BUND fordert die grün-rote Landesregierung auf die eigenen Eckpunkte ernst zu nehmen, TTIP abzulehnen und sich für einen Stopp der Verhandlungen einzusetzen.

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Quelle:
Presseinformation, 17.04.2015
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
Landesverband Baden-Württemberg e.V.
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Tel.: 0711 620306-17, Fax: 0711 620306-77
E-Mail: presse.bawue@bund.net
Internet: www.bund.net/bawue


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. April 2015

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