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INITIATIVE/446: Klima-Allianz startet zwei Energiekampagnen (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2010
Wohlstand durch Wachstum? Wohlstand ohne Wachstum? Wohlstand statt Wachstum?

Schluss mit den Tricks!

Klima-Allianz startet zwei Energiekampagnen

Von Christina Hering und Mona Bricke


Für Klimaschutz sind alle, doch bei der Ausgestaltung der Energiepolitik scheiden sich die Geister. Aus diesem Grund startet die Klima-Allianz zwei Kampagnen, die auf Kommunal- und Bundesebene politischen Druck für eine zukunftsfähige Energiepolitik aufbauen.



Kampagne zum Energiekonzept der Bundesregierung

Das Energiekonzept der Bundesregierung soll eine Richtungsentscheidung für die Energiepolitik der nächsten Jahrzehnte sein. Doch schon bei der Auftragsvergabe an wissenschaftliche Institute zur Erstellung von Szenarien für das Energiekonzept, stellte sich Ernüchterung ein, denn alle Szenarien basieren auf Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke. Ein Szenario, das auf dem geltenden Atomausstieg beruht und vollständig auf regenerative Energieträger setzt, wurde nicht in Auftrag gegeben, und das, obwohl es mittlerweile eine ganze Reihe von Studien gibt, die belegen, dass eine 100% erneuerbare Stromversorgung bis 2050 klimaverträglich, sicher und bezahlbar ist.

Im weiteren Prozess wurden die von der Bundesregierung angekündigten Termine zur Veröffentlichung von Eckpunkten und der in Auftrag gegebenen Szenarien nicht eingehalten. Anfang Juni sollten plötzlich doch bereits schon Laufzeitverlängerungen entscheiden werden, was aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken jedoch fallen gelassen wurde. Nach derzeitigem Stand (Mitte Juni) soll das Energiekonzept nun Ende August vorliegen.

Die Klima-Allianz fordert mit der gesamten gesellschaftlichen Breite ein zukunftsfähiges Energiekonzept, das die Reduzierung der deutschen Treibhausgase um mindestens 40% bis 2020 und mindestens 95% bis 2050 zum Ziel hat, am Atomausstieg festhält, den Neubau von Kohlekraftwerken stoppt, Energieeffizienz wirksam fördert, die Energieinfrastruktur um- und ausbaut und die vollständige Umstellung auf Erneuerbare Energien konsequent durchführt.

Um auf verschiedenen Ebenen Druck auf die Regierungskoalition auszuüben, hat die Klima-Allianz eine Kampagne gestartet. Neben der öffentlichkeitswirksamen Schaltung von Großflächenplakaten ("Schluss mit den Tricks!"), werden auch Aktivitäten in Wahlkreisen ausgewählter Bundestagsabgeordneten stattfinden, eine Pressekampagne durchgeführt, alternative Energiekonzepte bei einem "NGO-Gipfel" vorgestellt und "Mythen" über Erneuerbare Energien in Infomaterialien widerlegt. Infos unter www.klima-allianz.de


Stadtwerke-Kampagne

Dass die schwarz-gelbe Bundesregierung der Öffentlichkeit suggeriert, ohne Atom und Kohle ginge es nicht, wird Viele nicht weiter verwundern; dass allerdings auch eine nicht unerhebliche Anzahl von Stadtwerken in Deutschland darauf pocht, auf den Bau neuer Kohlekraftwerke nicht verzichten zu können, passt nur allzu oft nicht zu deren ökologisch ambitioniertem Image.

Momentan planen zwei Konsortien aus Stadtwerken neue Steinkohlekraftwerke. Trianel, mit Sitz in Aachen, baut ein Kraftwerk in Lünen und plant eines in Krefeld-Uerdingen. Südweststrom, in Tübingen ansässig, plant das deutschlandweit teuerste Steinkohlekraftwerk in Brunsbüttel. Von den beteiligten großen und kleinen Stadtwerken, die über ganz Deutschland verteilt sind, ist immer wieder zu hören, erste Priorität sei es, sich gegen die Übermacht der "großen Vier", Vattenfall, E.ON, EnBW und RWE zur Wehr zu setzen und die eigene, unabhängige, Energieversorgung zu sichern. Grundsätzlich ein durchaus unterstützenswertes Ziel. Allerdings wird gleichzeitig behauptet, um einen "ausgewogenen Energiemix" zu gewährleisten seien Investitionen in neue Kohlekraftwerke unumgänglich. Inzwischen rumort es jedoch gewaltig innerhalb der Stadtwerkecommunity. Vielen wird immer klarer, dass die Investition in die Dinosauriertechnologie sich nicht nur als energiepolitisches Desaster, sondern auch als wirtschaftlicher Bumerang erweisen könnte, denn die Wirtschaftlichkeit von Kohlekraftwerken wird unter den heutigen Bedingungen zunehmend angezweifelt. [1] Außerdem wird immer klarer, dass es auch ohne Kohle und Atom geht, ja gehen muss, wenn die Klimaziele erreicht und der Umbau von fossilen Energien zu Erneuerbaren möglich gemacht werden soll. [2]

Die Stadtwerkekampagne der Klima-Allianz hat zwei Hauptziele: Einerseits wird sie über eine Kampagnenwebseite interessierte Initiativen und Einzelpersonen zur Beteiligung ihrer jeweiligen Stadtwerke an Kohlekraftwerken informieren, über Mythen aufklären, die gerne als Sachzwänge präsentiert werden, Alternativen beleuchten und eine Anlaufstelle für diejenigen bieten, die selbst Aktionen wie z. B. das Anstrengen eines Bürgerbegehrens, eine Postkartenaktion oder eine Veranstaltungsreihe durchführen wollen [3]. Andererseits soll die Seite aber auch Stadtwerke oder deren Aufsichtsräte über Ausstiegsmöglichkeiten informieren und Ausstiegswilligen Rat und Unterstützung anbieten. Zum Auftakt der Kampagne wird es ab September 2010 eine Informations- und Aktionstour durch die acht am Trianelkraftwerk in Krefeld beteiligten Städten geben.


Christina Hering ist Koordinatorin der Klima-Allianz, Mona Bricke arbeitet für die Anti-Kohlekampagne der Klima-Allianz.


Anmerkungen

[1] So kommt z. B. eine von der West-LB in Auftrag gegebene Studie "Deutsche Stromversorger - In der CO2-Falle" zu dem Ergebnis, dass zumindest der Bau von neuen Steinkohlekraftwerken, und um solche handelt es sich bei den Stadtwerken, geradewegs in die "CO2-Falle" führt. Die Studie ist unter
http://research.westlb.com/expert/Archive/LN279521.pdf abzurufen.

[2] Der Sachverständigenrat der Bundesregierung zu Umweltfragen hat dies in seiner neuen Studie anschaulich dargelegt.
http://www.umweltrat.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/AktuellePressemitteilungen/2010/2010_02_PM_100_Prozent_erneuerbare_Stromversorgung_bis_2050.html

[3] In Dachau hat eine Bürgerinitiative bereits einen Bürgerentscheid gegen die Beteiligung ihrer Stadtwerke an den Kraftwerken in Krefeld und Lünen durchgeführt.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2010, S. 25
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2010