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GEFAHR/023: Gefahren für Tiere im Winter - Womit machen wir Menschen ihnen das Leben schwer? (BUND MAGAZIN)


BUND MAGAZIN - 4/2024
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

Tiere im Winter

Voller Gefahren

von Severin Zillich

In den Wintermonaten sind wild lebende Tiere verletzlicher als sonst im Jahr. Womit machen wir Menschen ihnen das Leben schwer?


Einst drohten Wildtieren ausschließlich natürliche Gefahren. Neben den schon immer lauernden Fressfeinden forderten früh einsetzende oder lang anhaltende Frostwinter genauso ihre Opfer wie wechselhaftes Wetter mit unerwarteten Tauphasen oder Überschwemmungen. Seit dem Erscheinen des Menschen sind Tiere mit neuen Gefahren konfrontiert. Doch profitieren sie nicht auch von uns, etwa weil die Winter menschengemacht immer milder werden?

Keine Frage, ein Winter ohne vereiste Gewässer und wochenlang gefrorene Böden bietet aktiven Tieren mehr Nahrung und schont ihre Energiereserven. Gleichzeitig werden damit mehr Tiere zur Beute, die unter einer Eisschicht oder Schneedecke gut geschützt waren. Auch sonst fordern Warmphasen mitten im Winter einigen Arten viel ab.

TRÜGERISCH WARM

Speziell für Winterschläfer bergen außerordentlich milde Tage ein Risiko. Häufiger unterbrechen sie dann ihren Schlaf. Das kostet viel Energie, weshalb sie sterben können, bevor sich der Winter wirklich verabschiedet hat.

Problematisch wird es auch, wenn die Erderhitzung über Wochen so durchschlägt wie im vergangenen Februar. Der war im Schnitt mehr als sechs Grad wärmer als im Vergleichszeitraum 1961-1990, ein bisher beispielloses Phänomen. Verlassen Molche und Frösche, Eidechsen und Schlangen oder Insekten dann vorzeitig ihre Verstecke, kann ein abermaliger Wintereinbruch ihren Tod bedeuten.

Unter den Vögeln überleben in milden Wintern zwar viele Dagebliebene. Doch gibt es auch hier Leidtragende. Während mehr Meisen oder Stare als sonst früh die besten Brutreviere und Nisthöhlen belegen, haben gefährdete Arten wie der Trauer- und Halsbandschnäpper das Nachsehen. Denn die überwintern südlich der Sahara, bleiben in ihrem Rhythmus und geraten bei ihrer Rückkehr im April zunehmend in Wohnungsnot.

WAS ALLES STÖRT

Doch zurück in den Winter. Die Tiere leben dann auf Sparflamme. Jede Störung schmälert ihre Aussichten, die kalte Zeit zu überstehen. Und das unabhängig davon, ob sie in einem Versteck ruhen und schlafen oder - gebremst - aktiv bleiben. Wovon gehen diese Störungen aus?

Oft ohne Absicht von uns Menschen, die wir gern draußen unterwegs sind. Vor allem, wenn wir abseits der Wege laufen. Wenn wir Hunde von der Leine lassen. Wenn wir uns laut und rasch durch die Landschaft bewegen. Oder wenn wir in bisher ruhige Bereiche vordringen.

Daran haben Trendsportarten großen Anteil. Der neopren-geschützten Stand-up-Paddlerin auf einem Voralpensee oder dem Kitesurfer an der Küste ist wohl kaum bewusst, wenn ihretwegen Hunderte rastender Enten auffliegen. Für Stress sorgt auch, wer in den Bergen querfeldein auf Skiern oder Schneeschuhen läuft oder dank einem neuen E-Mountainbike seinen Radius mehr und mehr erweitert. Zumal Tiere der Hochlagen wie die bedrohten Auer-, Birk- und Haselhühner besonders mit ihren Kräften haushalten müssen.

ZU LAUT

Eine krasse Störung bedeutet auch der illegale Motocross-Verkehr, der ganzjährig auf einstigen Truppenübungsplätzen und sonstigen Wildnisarealen tobt. Im Winter geht der wilde Ritt über Stock und Stein vielen Tieren an die Substanz.

Apropos Lärm, und auf die Gefahr, als Spaßbremse zu gelten: Kaum irgendwo wird derart brachial und ungehemmt ins neue Jahr gewechselt wie in Deutschland. Nicht nur für Haustiere ist die Silvesternacht die schlimmste des Jahres. Auch Millionen wilde Vögel und Säugetiere erleben die ausgedehnte, in Ballungsräumen schier unausweichliche Böllerei als echten Alptraum. Und das mitten im Winter.

SATT UND SICHER?

Damit Tiere im Winter über ausreichend Reserven verfügen und etwaige Störungen überleben, müssen sie genug gefressen haben. Weite Teile unseres naturfernen Landes bieten allerdings nicht mehr viel Nahrung, Stichwort Insektensterben.

Das gilt für die ausgeräumte Feldflur wie monotone Nadelforste. Auch öffentliche Grünanlagen und Gärten sind umso nahrungsärmer, je penibler sie gepflegt werden. Wer seinem Ordnungssinn hier freien Lauf lässt, nimmt Tieren nicht nur lebenswichtige Nahrungsquellen. Auch Nischen fehlen dann, um sich im Winter zurückzuziehen.

Zum Mangel an Nahrung tritt also der Mangel an Rückzugsorten und Verstecken. Sei es, weil im Wald nur noch wenige Bäume alt werden und verrotten dürfen. Weil es im Offenland an Brachen, Hecken und anderen Strukturen fehlt. Oder weil mit jeder Gebäudesanierung Schlupfwinkel im Dachstuhl und Mauerwerk verschwinden.

TOD DURCH GIFT

Eine letzte Gefahr soll in dieser Übersicht nicht fehlen: Umweltgifte. Für manche Tiere entfalten sie erst im Winter besondere Wirkung. So hat die Forschung im Rahmen unserer »Spurensuche Gartenschläfer« (s. Seite 20)[*] gezeigt: Während des langen Winterschlafs zehren die Kleinsäuger - wie viele andere Tiere -von ihrem Fettdepot. Sind darin zu viele Pestizide eingelagert, vergiften sie sich schleichend. Und wachen im Frühling einfach nicht mehr auf.

Auch heimische Seeadler, die in den Wintermonaten vielfach von Aas leben, riskieren den Tod durch Gift. Fast jeder dritte stirbt qualvoll, weil er Kadaver mit Bleischrot oder bleihaltigen Geschosssplittern gefressen hat. Nur Bleischrot ist seit 2023 in Feuchtgebieten untersagt. Der BUND fordert schon lange, die hochgiftige Jagdmunition ganz zu verbieten.

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

  • Untersuchungen ergaben: Wenig beunruhigt Wasservögel schon auf große Distanz mehr als das Stand-up-Paddeln
  • So nicht: Auf Schneeschuhen querfeldein, hier am Jochberg bei Kochel.
  • Drei von zehn deutschen Seeadlern sterben, weil sie Aas fressen, das Bleimunition enthält.


[*] Anmerkung der SB-Redaktion
siehe
https://www.bund.net/service/publikationen/detail/publication/bundmagazin-1-25/
https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/bund/bundmagazin/BUNDmagazin1-25pdf.pdf

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Quelle:
BUND MAGAZIN 4/2024, Seite 12-13
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Kaiserin-Augusta-Allee 5, 10553 Berlin
Tel. 030/27586-457, Fax. 030/27586-440
E-Mail: redaktion@bund.net
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Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
des BUND und erscheint viermal im Jahr

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 14. Februar 2025

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