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BILDUNG/349: Das Große Tropenhaus im Botanischen Garten Dahlem (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 147 - Dezember 08/Januar 09
Die Berliner Umweltzeitung

Aller guten Dinge sind drei!
Eröffnung des Großen Tropenhauses im Botanischen Garten Dahlem

Von Christoph Vinz


Bereits im Jahr 1898 erfolgten erste Spatenstiche für den neuen Botanischen Garten in Dahlem auf einem früheren Kartoffelacker, nachdem der bisherige Standort in Schöneberg zu klein geworden war. Heute ist diese weit über die Grenzen Berlins hinaus bekannte Anlage nach den englischen Royal Botanic Gardens bei London und dem Missouri Botanical Garden in St. Louis (USA) die drittgrößte ihrer Art in der Welt.

Die Besucher finden hier auf einer Fläche von 43 Hektar in verschiedenen Bereichen mehr als 22.000 Pflanzenarten. Größte Areale sind die Pflanzengeografische Abteilung mit 13 Hektar und das Arboretum mit 14 Hektar Fläche. Daneben gibt es Bereiche wie den Duft- und Tastgarten oder auch den Italienischen Garten. Neben den im Frühjahr üppig blühenden Freiflächen existiert das erst 1991 wieder eröffnete Botanische Museum am Eingang Königin-Luise-Straße mit seinen umfangreichen Sammlungen. Es ist das einzige seiner Art in Mitteleuropa mit zahlreichen Modellen der Pflanzenwelt, Dioramen und einer umfangreichen Bibliothek. Dieses Museum, das neben ständigen Expositionen auch Sonderausstellungen veranstaltet und Pilzberatungen durchführt, gilt unter Fachleuten als eine der drei führenden botanischen Institutionen der Welt.

Einen hohen Bekanntheitsgrad genießt jedoch ein Wahrzeichen des Gartens, das am Südwesthang des Fichtenberges errichtete Große Tropenhaus. Es dominiert einen rechteckig angelegten Komplex von vierzehn unterschiedlichen Gewächshäusern. Die gläserne Architektur mit ihren Dimensionen erinnert aus der Ferne an die außerirdische Station in einem Science-Fiction Film.


Hundertjähriges Wunder aus Stahl und Glas

Was macht das Große Tropenhaus nicht nur optisch so einzigartig? Ein Blick zurück: Bereits in den Jahren 1905-1907 entstand nach Plänen des Königlichen Baurats Alfred Körner eins der imposantesten und größten freitragenden Gewächshäuser der Welt. Eine überaus raffinierte Konstruktion, die im Inneren ganz ohne Stützen und Pfeiler auskommt, ermöglicht seitdem staunenden Besuchern einen ungehinderten Blick "durch die Weiten des Tropenwaldes".

Auch heute noch ist dies Pflanzenhaus eine der größten Stahl-Glas-Konstruktionen seiner Art. Das kuppelartige ingenieurtechnische Meisterwerk hat immerhin eine Länge von 60 Metern, ist fast 30 Meter breit und erreicht eine Höhe von 25 Metern. Über einer Grundfläche von etwa 1.750 qm wölbt sich ein Rauminhalt von beinahe unvorstellbaren 40.000 Kubikmetern.

Im Kriegsherbst 1943 hatten die Druckwellen explodierender Bomben die gesamte Verglasung zerstört. In der Folge erfroren fast alle tropischen Pflanzen in den Gewächshäusern. Ab 1949 begann der Wiederaufbau des zerstörten Komplexes. Doch erst 1968 konnte das Große Tropenhaus für die Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden.

2004 musste das Haus wegen starker baulicher Mängel, gerissener Acrylglasscheiben, maroder Deckenlampen und immenser Wärmeverluste geschlossen werden. Damals betrugen in einem durchschnittlichen Winter allein die Heizkosten etwa 600.000 Euro.

2006 begann endlich eine umfassende Sanierung mit einem Budget von 16 Millionen Euro und einer symbolischen Grundsteinlegung. Der Präsident der Freien Universität Berlin, Prof. Dr. Dieter Lenzen, erklärte aus diesem Anlass: "Die Erforschung der Pflanzenwelt ist nicht nur eine Voraussetzung für ihre Erhaltung. Sie ist auch die Voraussetzung für das Überleben der Menschheit. Hierzu trägt auch das Große Tropenhaus - eine "Arche Noah" für seltene und gefährdete Pflanzenarten - bei." Und am 26. Juni 2008 konnte über dem botanischen Glaspalast die Richtkrone aufgezogen werden.


Pflanzen-Arche mit modernstem Innenleben

Wenn nun 2009 zum dritten Mal das gläserne Symbol des Botanischen Gartens zur Freude der Berliner und ihrer Gäste eröffnet wird, verfügt es über ein energiesparendes Heizsystem, das drei Bereiche sinnvoll miteinander kombiniert: Fassaden-, Fußboden- und Luftheizung. Im Inneren des Hauses (auch dies ein Novum) saugen zwei sog. "Umlufttürme" von je 16 Meter Höhe die aufsteigende Wärme ab, speichern diese und geben die abgekühlte Luft am unteren Ende wieder ab. Erst gegen Abend wird die Wärme des Tages wieder "freigelassen" und hilft, den Zeitpunkt des Heizungsbeginns hinauszuschieben. Das neue, computergestützte System soll den Energieverbrauch halbieren und die Kosten um rund 100.000 Euro pro Jahr reduzieren. Die Bewässerung der Pflanzen durch den Einsatz von Regenwasser wird auch helfen, künftig diesen Kostenfaktor zu senken.

Für die Zeit der Sanierung mussten fast 4.000 Pflanzen ausgegraben, eingetopft und in anderen Häusern sicher untergestellt werden. Zur Freude der Mitarbeiter haben fast alle Gewächse dies unbeschadet überstanden. Als älteste "Bewohner" des Hauses gelten die fast 18 Meter hohen Palmfarne, die mit ihrem Alter von bis zu 160 Jahren als einzige den letzten Krieg wie durch ein Wunder überstanden haben und nun ihren angestammten Platz wieder einnehmen können.

Mit der (Wieder-)Eröffnung des Großen Tropenhauses im Botanischen Garten Dahlem bekommt Berlin 2009 ein architektonisches Kleinod mit einem einzigartigen tropischen Innenleben zurück.

Erstaunlich, was aus einem preußischen Kartoffelacker werden kann!


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Quelle:
DER RABE RALF - 19. Jahrgang, Nr. 147, Dezember 08/Januar 09, S. 13
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2009