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RAUBBAU/048: Fracking nicht mit uns - Angriff von hinten ... (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Dezember 2014

Umwelt: Fracking expandiert weltweit - Umweltorganisation wirft USA intensive Lobbyarbeit vor

von Carey L. Biron


Bild: © Sarah Craig/Faces of Fracking

Grube im US-Bundesstaat Kalifornien, in die Fracking-Rückstände geleitet werden
Bild: © Sarah Craig/Faces of Fracking

Washington, 3. Dezember (IPS) - Multinationale Öl- und Gasunternehmen arbeiten laut einer neuen Studie der Umweltorganisation 'Friends of the Earth Europe' darauf hin, die weltweite Förderung von Schieferöl und -gas signifikant zu erhöhen.

Bisher wird die Technologie des hydraulischen Fracking, die den globalen Gasmarkt grundlegend verändert hat, vor allem in Nordamerika und in geringerem Umfang auch in Europa angewendet. Seit die Gasproduktion in den USA in den letzten Jahren exponentiell ausgeweitet wurde, prüfen auch andere Staaten, ob sie aus diesem neuen Verfahren Kapital schlagen können.

Nach einer Schätzung, die im vergangenen Jahr von der US-Behörde für Energieinformation verbreitet wurde, befinden sich etwa 90 Prozent der weltweiten Schiefergasvorkommen außerhalb der Vereinigten Staaten. "Wahrscheinlich wird es eine Revolution geben", meint Maria van der Hoeven, Geschäftsführerin der Internationalen Energieagentur (IEA) mit Sitz in Paris.


Nur Brasilien trifft Vorsichtsmaßnahmen

Nach der am 1. Dezember veröffentlichten Umweltstudie hat nur Brasilien die Regulierungsbedingungen vor der Expansion der Schiefergasförderung verschärft. Die meisten der etwa ein Dutzend Staaten, mit denen sich Friends of the Earth Europe auseinandergesetzt hat, verhalten sich genau umgekehrt. "Unter dem Druck der Fossilbrennstoffindustrie, die eine dicke Brieftasche hat und Arbeitsplätze sowie Investitionen verspricht, haben mehrere Länder bereits damit begonnen, ihre Umweltgesetze aufzuweichen, ihre Steuerregelungen zu ändern und Förderlizenzen zu erteilen, die die Industrie begünstigen, um ausländische Investoren anzuziehen", heißt es in dem Report. "Oft geht dies zu Lasten des öffentlichen Interesses."

Was das Produktionsvolumen betrifft, befindet sich das Fracking noch in den Anfängen. Offenbar haben weder Regierungen noch Firmen bisher Anstrengungen unternommen, um die möglichen sozialen, ökologischen und sogar politischen Folgen abzumildern. "Die Industrie versucht die Gesetzeslage an den Orten zu verändern, an denen sie arbeiten will", sagt Antoine Simon von Friends of the Earth Europe. Die Unternehmen wollten erreichen, dass wie schon in den USA auch in möglichst vielen anderen Ländern eine Politik verfolgt werde, die das Fracking begünstige. "Sie wollen vor allem erreichen, dass die rechtlichen Rahmenwerke ihrem Industriezweig so weit wie möglich entgegenkommen. Das ist die erste Phase dieser globalen Strategie, die wir in jedem der untersuchten Länder beobachtet haben", erklärt Simon.


Argentinien paktiert mit US-Multi Chevron

Außer in Nordamerika und Europa hat Argentinien die Entwicklung der Schiefergasförderung am raschesten vorangetrieben. Die Gesetzeslage hat sich dort in eine der Industrie genehme Richtung entwickelt. So wurde ein neues Gesetz eingeführt, das einen Mindestpreis für durch Fracking gewonnenes Öl garantiert. Dieser Mindestpreis ist um etwa 250 Prozent höher als bisher üblich. In den USA befinden sich die Gaspreise hingegen derzeit auf einem Tiefpunkt.

Wie Simon erklärt, wird das neue argentinische Gesetz im Volksmund bereits 'Chevron-Dekret' genannt. Einen Tag nachdem es in Kraft getreten sei, habe Argentiniens größter vom Staat unterstützter Öl- und Gasproduzent ein langfristiges Abkommen mit dem US-Konzern Chevron geschlossen. Andere Länder hätten Steuerregelungen eingeführt, die Investoren aus der Öl- und Gasbranche entgegenkämen.

In Marokko beispielsweise brauchen Produzenten in den ersten zehn Jahren keine Körperschaftssteuer zu zahlen. Russland hat für die nächsten 15 Jahre ähnliche Regelungen zugunsten der Ölindustrie geschaffen.


Wasserquellen durch Fracking unter Druck

Das Versäumnis, ökologische oder soziale Ausgleichsmaßnahmen einzuführen, birgt nach Ansicht von Friends of the Earth und anderer Umweltgruppen unterschiedliche Risiken. Fracking erfordert enorme Mengen an Wasser, bis zu 26 Millionen Liter pro Bohrung. Wie aus dem Bericht hervorgeht, befinden sich viele Schiefergasvorkommen auf der Welt in Gebieten, in denen Wasser jetzt schon sehr knapp ist und es deswegen teils zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommt. Nicht wenige Reserven liegen unter Wasseradern, die grenzüberschreitend verlaufen.

Noch bevor diese Probleme von den Regierungen angegangen werden, könnten die Öl- und Gasindustrien Einfluss auf den strittigen Umgang mit Trinkwasser ausüben. Zu den Sorgen über die Auswirkungen der Schiefergasförderung am Ort kommt noch die Unklarheit, inwieweit Entwicklungsländer überhaupt finanziell vom Fracking profitieren können. Laut Simon hat die Untersuchung der Umweltorganisation ergeben, dass lediglich Brasilien Gesetze verabschiedet hat, die dem Land signifikante Einkünfte aus dem Geschäft sichern.

Mit Ausnahme von Lateinamerika und Südafrika leiste die Zivilgesellschaft bisher keinen nennenswerten Widerstand gegen Fracking, sagt der Aktivist. Dennoch sei zu beobachten, dass sich weltweit immer mehr Menschen der Risiken dieser Fördermethode bewusst würden. "Je mehr Studien die Gefahren von Luftverschmutzung, Wasserkontaminierung, erhöhten Erdbebenrisiken und Folgen für das Klima bestätigen, desto mehr Menschen stellen sich gegen diesen destruktiven Prozess", sagt Wenonah Hauter, Exekutivdirektorin der US-Organisation 'Food & Water Watch'.


Protestaktionen in 34 Ländern

Im Oktober hatte Food & Water Watch einen internationalen Aktionstag gegen Fracking organisiert. Von Australien bis Argentinien hätten sich Menschen in 34 Ländern beteiligt, sogar in der Antarktis, und ein Verbot gefordert, erklärt Hauter.

In fast allen Staaten, die in der Untersuchung von Friends of the Earth Europe vorkommen, beobachten die Experten, dass die Entwicklung der Schiefergasförderung in enger Abstimmung mit der US-Behörde, 'U.S. Unconventional Gas Technical Engagemet Program' (UGTEP) erfolgt, die im Außenministerium in Washington angesiedelt ist. Seit 2010 hat UGTEP auf breiter Front technische Unterstützung bei der unkonventionellen Gasförderung geleistet. Wie die Umweltgruppe kritisiert, betreibt die Behörde unter dem Deckmantel der US-Diplomatie im Ausland intensiv Werbung für hydraulisches Fracking und verwendet dazu staatliche Kommunikationskanäle und das Geld der Steuerzahler. (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/12/first-phase-of-global-fracking-expansion-ensuring-friendly-legislation/

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IPS-Tagesdienst vom 3. Dezember 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2014