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KOHLEALARM/429: Klimakampf und Kohlefront - Mindestforderung Mitsprache ... (Buirer für Buir)


Initiative Buirer für Buir - 4. Mai 2018

Tagebaubetroffene fordern Mitsprache in Kohle-Kommission


Köln /Lützen/Cottbus. Ein Bündnis aus Anwohnern aller drei deutschen Tagebaugebiete fordert Mitsprache in der Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung", deren Einsetzung durch die Bundesregierung kurz bevorsteht. In einem offenen Brief fordern die Tagebaubetroffenen Wirtschaftsminister Peter Altmaier auf sicherzustellen, dass sie mindestens zwei Sitze in der Kommission erhalten. Bürgerinitiativen, Bürgermeister und Ortsvorsteher, Seelsorger und Ärzte beklagen in dem Brief, dass Bundes- und Landesregierungen die Interessen von Tagebaubetroffenen bislang nicht berücksichtigt haben. Der Brief ging parallel auch an Umweltministerin Svenja Schulze, Arbeitsminister Hubertus Heil und Innenminister Horst Seehofer, die die Arbeit der Kommission gemeinsam mit Altmaier steuern sollen.

"Wenn die Bundesregierung den Kohleausstieg sozialverträglich gestalten will, dann muss sie sicherstellen, dass gleichberechtigt neben den Interessen der im Kohlesektor Beschäftigten auch die Interessen von uns Tagebaubetroffenen vertreten sind. Wir werden gezwungen für den Abbau der Braunkohle unsere Heimat, unseren Lebensmittelpunkt, unser Eigentum und unsere Lebensqualität aufzugeben. Für uns war die Kohleförderung und - verstromung noch nie sozialverträglich", argumentiert Antje Grothus von der Initiative Buirer für Buir am Tagebau Hambach.

Die Unterzeichnenden kritisieren den unwiderruflichen Verlust von Heimat, Identität und Traditionen, von Kultur- und Naturgütern und die Unvereinbarkeit der Braunkohleverbrennung mit den Klimazielen. Sie fordern die Anpassung von Tagebaugrenzen an die Realität des Kohleausstiegs. Die Beteiligung des Bundesministeriums des Innern, bei dem auch das Heimatministerium angesiedelt ist, ist aus Sicht der Unterzeichnenden ein Hinweis darauf, dass auch das Thema Heimat und damit der "Verlust von Heimat" durch die Braunkohletagebaue Eingang in die Kommission finden soll.


Hintergrundinformationen:

Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung heißt es: "Wir werden eine Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" unter Einbeziehung der unterschiedlichen Akteure aus Politik, Wirtschaft, Umweltverbänden, Gewerkschaften sowie betroffenen Ländern und Regionen einsetzen, die auf Basis des Aktionsprogramms Klimaschutz 2020 und des Klimaschutzplans bis Ende 2018 ein Aktionsprogramm [...] erarbeiten soll."
Quelle: "Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschland. Ein neuer Zusammenhalt für unser Land. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. 19. Legislaturperiode", S. 142, Z. 6726-6730

Zur Struktur der Kommission hat die Bundesregierung folgendes beschlossen: "Es wird einen Steuerungskreis für die Kommission geben, der aus BMWi, BMAS, BMU, und BMI gebildet werden wird. Die Geschäftsstelle der Kommission wird beim BMWi angesiedelt sein. Es ist zu begrüßen, dass die für Strukturwandel, Wirtschaftspolitik, Klimapolitik, Arbeitsmarktpolitik und Verwaltung zuständigen Ministerien für diese wichtige Kommission ziel- und problemlösungsorientiert zusammenarbeiten wollen."

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OFFENER BRIEF

Bundesministerium
für Wirtschaft und Energie
Herrn Bundesminister
Peter Altmaier
11019 Berlin

2. Mai 2018

Geben Sie den vom Braunkohletagebau betroffenen Menschen endlich eine Stimme!

Offener Brief zur Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung"

Sehr geehrter Herr Bundesminister,

als BewohnerInnen der Braunkohlereviere im Rheinland, der Lausitz und in Mitteldeutschland sind wir von den negativen Folgen des Braunkohlebergbaus unmittelbar betroffen und kämpfen seit Jahrzehnten gegen Umsiedlung und Zerstörung unserer Heimat durch die Tagebaue. Deshalb begrüßen wir, dass die Bundesregierung einen Kohleausstieg beschließen will.

Dabei ist uns wichtig, dass der Kohleausstieg sozialverträglich ausgestaltet wird und die Regionen unterstützt und gestärkt werden. Uns empört jedoch, dass bei den sozialen Fragen des Kohleausstiegs die Stimme der Tagebaubetroffenen bislang kein Gehör findet. Für die Menschen, die für den Abbau der Braunkohle ihren Lebensmittelpunkt, ihr Eigentum und ihre Heimat aufgeben müssen und mussten, war die Braunkohleförderung und - verstromung noch nie sozialverträglich. Über 120.000 Menschen mussten in Deutschland bereits dem Braunkohletagebau weichen. Noch immer sollen rund 30 Dörfer und Ortsteile für eine schmutzige Uralttechnologie zerstört werden.

Sozialverträglichkeit bedeutet für uns deshalb auch, Menschen in den Revieren vor einer Zwangsumsiedlung zu bewahren und den Verfall unserer Dörfer zu stoppen. Aus diesem Grund bitten wir Sie ausdrücklich: Stellen Sie sicher, dass in der Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" mindestens zwei VertreterInnen der Tagebaubetroffenen vertreten sind. Zu lange wurden unsere Interessen von der Bundes- und den Landesregierungen nicht beachtet.

Fortschreitende Tagebaue haben viel zu lange den Einstieg in eine zukunftsfähige Strukturentwicklung verhindert. Im geplanten Abbaugebiet verschwinden funktionierende Infrastruktur, fruchtbare Ackerflächen und wirtschaftliche Wertschöpfung auf Kosten der Kohle. Ortschaften befinden sich plötzlich in einer Insellage oder unmittelbar am Tagebaurand. Tagebauplanungen bedrohen so auch die Existenzen von Unternehmen, Selbstständigen und Landwirten im Umland. Der Verlust von Heimat, Traditionen, Natur- und Kulturgütern ist unwiderruflich. Zudem zerrütten die Drohkulisse einer Enteignung und die Unsicherheit über die Zukunft unsere Dorfgemeinschaften. Oft erkranken Betroffene an den Folgen des psychischen Drucks. Auch weit über die Tagebaukante hinaus werden die AnwohnerInnen durch Bergschäden in Folge von Grundwasserabsenkung, gesundheitsschädigenden Luftschadstoffen sowie Lärm und Staub ihrer Lebensqualität beraubt.

Um die zermürbende Unsicherheit und den Verfall unseres Lebensraums zu beenden, ist es wichtig, dass Planungen für die Erweiterung bestehender Tagebaue und für neue Tagebaue wie Welzow-Süd II, Vereinigtes Schleenhain, Nochten II oder Lützen und die Umsiedlungsvorbereitungen gestoppt werden. Genehmigte Tagebaue wie Hambach, Garzweiler und Jänschwalde müssen den Realitäten des Kohleausstiegs angepasst und verkleinert werden. Es darf nur noch so viel Braunkohle abgebaut werden, wie mit den deutschen Klimaschutzzielen vereinbar ist.

Die Menschen in unseren Regionen sind nicht nur Beschäftigte, sondern auch Bürgerinnen und Bürger. Mit jedem Jahr, in dem die Kohlekraftwerke laufen, stehen das Glück, die Existenz und die Gesundheit tausender Menschen in den Revieren auf dem Spiel.

Lassen Sie die vom Tagebau betroffenen Menschen nicht im Stich. Suchen Sie das Gespräch mit uns und geben Sie uns die Möglichkeit, in der Kohlekommission die Zukunft und Perspektiven unserer Regionen mitzugestalten.

Mit freundlichen Grüßen

RHEINLAND
Josef Schumacher, Aktionsbündnis Stommelner Bürger "Leben ohne Braunkohle"
Andreas Cichy, Das Gelbe Band - Verbund der Grubenranddörfer
Reinhold Giesen, Dorfinteressengemeinschaft Wanlo e.V.
Norbert Bömer, Bürgerinitiative Saubere Luft e.V.
Josef Gillrath, Bürgerinitiative Stop Rheinbraun
Karl Heinz Ochs, Initiative Bergbaugeschädigter 50189
Andreas Büttgen, Initiative Buirer für Buir
Klaus Kubernus-Perscheid, Klimabündnis Niederrhein
Andreas Schuflitz, KlimaTisch Erkelenz e. V.
Peter Immekus, Netzwerk Bergbaugeschädigter e.V., Vorsitzender
Brigitte Kaulen und Antje Pistel, Perspektive für Holzweiler
Irene Mörsch, Katholikenrat der Region Düren, Vorsitzende
Pfarrer i. R. Lutz Dittmar, Erkelenz-Lövenich
Pfarrer i. R. Günter Salentin, Erkelenz
Pfarrer i. R. Georg Neuhöfer, Kerpen-Buir
Pfarrer Hans Doncks, Nideggen
Pfarrerin Irene Weyer, Evangelische Gemeinde zu Düren
Dr. Thomas Landmann, Hausarzt und Internist, Pulheim
Karl-Rainer Graß, Arzt für Allgemeinmedizin, Golzheim
Dr. med. Ulrich Rosenkranz, Hausarzt und Internist , Golzheim
Christian Döring, Kinderarzt, Köln

LAUSITZ
Hannelore Wodtke und Günter Jurischka, Allianz für Welzow
Friederike Böttcher, Bündnis "Strukturwandel jetzt - kein Nochten II"
Thomas Burchardt, Klinger Runde
Petra Franz, Netzwerk Bergbaugeschädigter im Lausitzer Revier
René Schuster, Umweltgruppe Cottbus e.V.
Egbert S. Piosik, Bürgermeister der Gemeinde Wiesengrund
Jürgen Handreck, Ortsvorsteher Taubendorf
Gert Richter, Ortsvorsteher Guben-Deulowitz
Pfarrer Ingolf Kschenka, Seelsorger der Wenden/Sorben in der Niederlausitz, Jänschwalde
Pfarrer i. R. Mathias Berndt, Guben

MITTELDEUTSCHLAND
Andre Kremkow, Bürgerinitiative Pro Pödelwitz
Karl-Heinz Friedrichs, Bürgerinitiative saubere Luft und Umwelt
Dorothee Berthold, Bürgerinitiative Zukunft statt Braunkohle - Region Lützen
Uwe Weiss, Bürgermeister der Stadt Lützen
Frank Rösel, Bürgermeister der Stadt Pegau
Marlies Riedel, Ortsbürgermeisterin Röcken
Tilo Sievert, Ortschaftsrat von Berndorf
Wolfgang Gottheff, Ortschaftsrat Borau und Stadtrat Weißenfels
Jens Hausner, Ortschaftsrat von Großstolpen
Jürgen Schwarz, Ortschaftsrat von Kieritzsch
Thilo Kraneis, Kirchenvorstand und Kurator der Kirche in Pödelwitz
Pfarrer Armin Pra, Vorsitzender der Kirchspiele Lützener Land und Rippachtal
Pfarrerin Friederike Kaltofen, Kirchspiel Groitzsch
Maik Böhme, Aufsichtsrat der Agross e.G. Großstolpen


Dieser Brief geht in Kopie an die Bundeskanzlerin, den Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, die Bundesministerin für Umwelt, Natur und nukleare Sicherheit und den Bundesminister für Arbeit und Soziales.


Der offene Brief als PDF-Datei ist zu finden unter:
http://www.buirerfuerbuir.de/images/pdf/brief_altmaier.pdf

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Quelle:
Initiative Buirer für Buir, Kerpen-Buir
Andreas Büttgen
Zum Hoover Feld 19, 50170 Kerpen
E-Mail: info@buirerfuerbuir.de
Internet: www.buirerfuerbuir.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2018

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