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VÖGEL/826: Fast flugfähige Jungvögel nicht mit nach Hause nehmen (NABU NRW)


NABU Landesverband Nordrhein-Westfalen - 31. Mai 2012 - NABU-Ratgeber

Klein und scheinbar einsam, aber nicht verlassen

NABU: Fast flugfähige Jungvögel nicht mit nach Hause nehmen



Düsseldorf - Jedes Jahr zur Brutzeit häufen sich Fundmeldungen über scheinbar hilflose Jungvögel, die aus dem Nest gefallen sind, oder andere verlassene Tierkinder, die von gut meinenden Spaziergängern mitgenommen werden, um ihnen zu helfen. "Wer auf einen einsam und hilflos wirkenden Jungvogel trifft sollte das Tier auf keinen Fall gleich aufnehmen, sondern es an Ort und Stelle belassen", rät dagegen Bernd Jellinghaus, Sprecher des Landesfachausschusses Ornithologie und Vogelschutz im NABU NRW. Dies gelte ebenso für alle anderen Jungtiere.

Denn häufig trüge der Schein: Die Jungen vieler Vogelarten verlassen ihr Nest bereits, bevor ihr Gefieder vollständig ausgebildet ist. Meist handele es sich bei einem "aus dem Nest gefallenen" Jungvogel eben nicht um einen Waisen, sondern um einen fast flugfähigen Jungvogel mit relativ vollständigem Gefieder, der durch Bettelrufe noch mit seinen Eltern in Verbindung stehe. "Sobald der Mensch sich entfernt, können sich die Eltern wieder um ihre Kinder kümmern", so Jellinghaus weiter.

Dass es sich bei den Jungvögeln um wirklich verwaiste und nicht um "Scheinwaisen" handele, könne man durch längeres, vorsichtiges Beobachten aus einem Versteck heraus, erkunden. Lediglich wenn Gefahr drohe, wenn Jungtiere beispielsweise auf der Straße säßen, sollte man eingreifen, die Jungtiere wegtragen und an einem geschützten Ort, aber nicht zu weit vom Fundort entfernt, wieder absetzen. Noch nackte Jungvögel sollten möglichst vorsichtig ins Nest zurückgesetzt werden. "Vögel stören sich im Gegensatz zu manchen Säugetieren nicht am menschlichen Geruch. Jungvögel werden daher auch nach dem Umsetzen wieder von den Alttieren angenommen und versorgt", so der NABU-Vogelexperte.

Gemäß Bundesnaturschutzgesetz dürften Jungvögel übrigens nur vorübergehend und nur dann aufgenommen werden, wenn sie verletzt oder krank, und somit tatsächlich hilflos seien. Jungvögel, die mit nach Hause genommen würden, hätten selbst bei fachgerechter Pflege deutlich schlechtere Überlebenschancen als in der Natur. Die elterliche Fürsorge könne niemals ersetzt werden, so dass die Handaufzucht immer nur die zweitbeste Lösung sei. Jellinghaus: "Nur bei deutlich geschwächt wirkenden, verletzten oder wirklich verwaisten Vögeln ist die Handaufzucht zu empfehlen, wie auch in Fällen, in denen durch Unwetter, Baumaßnahmen oder dergleichen der Nistplatz zerstört ist."

Zur Gewährleistung der tiergerechten Aufzucht und auch zur Vermeidung der Gefahr der Fehlprägung auf den Menschen, welche eine spätere Wiederauswilderung nahezu unmöglich mache, sollten solche Jungvögel nach Möglichkeit in eine anerkannte Auffangstation oder Vogelpflegestation gebracht werden. Diese können bei den Gruppen des NABU, den Naturschutzbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte, Zoologischen Gärten oder auch bei Tierärzten oder Tierschutzvereinen erfragt werden.

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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 25/12, 31.05.2012
NABU Nordrhein-Westfalen
Merowingerstr. 88, 40225 Düsseldorf
Tel.: 0211/15 92 51-14, Fax: 0211/15 92 51-15
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2012