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VÖGEL/556: Umstrittener Fischfresser - Kormoran zum Vogel des Jahres 2010 gewählt (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 153 - Dezember 2009 / Januar 2010
Die Berliner Umweltzeitung

Kormoran - Vogel des Jahres 2010
NABU und Landesverbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) wählen umstrittenen Fischfresser

Von Christoph Vinz


In alten Zeiten, in denen der Wolf als fürchterlicher Räuber verfolgt wurde, erschien auch der knapp gänsegroße Kormoran den Menschen als höchst unliebsamer Nahrungskonkurrent, der gnadenlos verfolgt werden musste.

Schließlich verschlingt dieser Vogel täglich ein halbes Kilo Fisch, wobei er kleine bis mittelgroße Arten bevorzugt, die in größeren Mengen vorkommen. Paradiesische Zustände erwarten daher den Kormoran, wenn er höchst erfreut auf Fischzucht-Teiche stößt und sich hier mühelos den Bauch vollschlagen kann.

Lange galt der Kormoran (Phalocrocorax carbo) als ganz gefährlicher Fischräuber, den es auszurotten galt. Und fast wäre dies auch gelungen. Wurde doch bereits um 1883 im Land Brandenburg die letzte Brutkolonie eines im Grunde wunderschönen Vogels zerstört, der beim Trocknen seiner schwarzen Schwingen eine beeindruckende Spannweite

von bis zu eineinhalb Metern erreichen kann.

Erst in den 1950er-Jahren konnte eine eher zögerliche Wiederbesiedlung im deutschen Raum beobachtet werden. Und nach einer entsprechenden Vogelschutzrichtlinie der EG von 1979 erholten sich deutlich die Bestände. Heute leben in Westeuropa wieder etwa 450.000 Brutvögel. In Deutschland werden derzeit rund 24.000 Brutpaare gezählt.

Mit dem für Naturschützer und Vogelfreunde eher erfreulichen Anwachsen der "schwarzen Population" mehrten sich aber auch die kritischen, besorgten und ängstlichen Stimmen aus den Reihen der Angler, Fischer und Züchter. Sie alle befürchten einen negativen Einfl uss auf die heimischen Fischbestände, insbesondere die von ihnen angelegten Zuchten. Daher konnte die Lobby der Fischer und Angler in fast allen Bundesländern ein "Kormoran-Management" durchsetzen, das nun die jährliche Tötung von immerhin 15.000 Kormoranen zur Folge hat.

NABU und der Landesverbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) lehnen den massenhaften Abschuss und die Vertreibung dieser Vögel grundsätzlich ab. Sie plädieren dagegen für eine sinnvolle Lenkung der Kormorane auf fi schreiche natürliche Gewässer im Binnenland oder an die Küste. Bei Fischzuchtanlagen habe sich der Einsatz von Drahtnetzen in Verbindung mit optischer und akustischer Vergrämung bewährt.

Mit der Ausrufung zum "Vogel des Jahres 2010" haben NABU und LBV gleichzeitig ein Positionspapier vorgelegt. Darin wird eine Regulierung der Kormoran-Populationen durch Abschuss abgelehnt. Tierschützer und betroffene Fischer sollten besser gemeinsam nach für beide Seiten verträglichen Lösungen suchen.

Schließlich geht es darum, den schon wieder bedrohten Vogel als natürlichen Teil unseres Gewässerökosystems zu begreifen - auch wenn das Tier einen gesegneten Appetit hat.


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Quelle:
DER RABE RALF - 20. Jahrgang, Nr. 153, Dezember 2009/Januar 2010, S. 10
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Januar 2010