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VÖGEL/550: Die Großtrappe in Deutschland - gerettet? (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 12/2009

Hoffnung im Osten: Die Großtrappe in Deutschland - gerettet?

Von Torsten Langgemach


Manche Vogelarten lassen sich über den Schutz einer einzigen Ressource "managen". Ganze Nistkastenpopulationen von Steinkauz oder Wiedehopf belegen diese Erfolge. Auch beim Fischadler lässt sich über künstliche Nisthilfen der Bestand anheben und die Reproduktion steigern, man kann die Lage der Brutplätze steuern und in gewissem Maße Paare sogar gezielt umsiedeln. Die Großtrappe rangiert genau am anderen Ende der Skala. Schon vor achtzig Jahren wusste Oskar Heinroth, dass Großtrappen "Sargnägel" sind, und auch wenn er sich dabei ausschließlich auf die Aufzucht bezogen hat, so ist ihm doch im weiteren Sinne beizupflichten: Die Großtrappe gehört zu den derzeit am schwierigsten zu schützenden Vögeln in Deutschland.


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Im 18. und 19. Jahrhundert gehörten Großtrappen zu den typischen, weit verbreiteten Arten der Agrarlandschaft in Europa. Selbst in Südschweden und in großen Teilen Englands kamen sie vor. Vor allem die Dreifelderwirtschaft mit ihrer großen inneren Struktur und ihren ungestörten Bereichen bot den Trappen in dieser Zeit den passenden Lebensraum. Die beginnende Trockenlegung der großen Niedermoore schuf zusätzliche geeignete Flächen. Aufgrund ihrer großen Zahl richteten die Großtrappen Schäden auf den Feldern an, sodass man in Preußen 1753 mit Genehmigung Friedrichs II. daran ging die Vögel zu bekämpfen. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts mussten Schulkinder Trappeneier auf den Feldern einsammeln. Man kann daher guten Gewissens davon ausgehen, dass die ersten Zählungen in den 1930er Jahren schon lange nicht mehr die ganze einstige Pracht reflektierten. Gleichwohl ermittelten die Jäger damals allein für Brandenburg noch einen Bestand von etwa 3400 Vögeln - weitere kamen in den benachbarten Regionen vor.

Erst in den 1960er Jahren organisierten aufmerksame Ornithologen, denen Bestandsveränderungen bei den Großtrappen nicht entgangen waren, die nächsten überregionalen Zählungen. Im Jahr 1970 wurden nur noch ganze 1030 Großtrappen in Deutschland erfasst, davon 815 in den damaligen brandenburgischen Bezirken; große Teile der benachbarten Gebiete waren mittlerweile verwaist. Der Bestand war regelrecht zusammengebrochen. Was war geschehen? Offensichtlich hatten sich die Bedingungen für die Vögel dramatisch verschlechtert, doch die genauen Zusammenhänge waren damals noch nicht bekannt.



Schwieriger Schutz zu DDR-Zeiten

Die systematische Erforschung der Ursachen für die Bestandsabnahme begann erst im Jahr 1979, als die Naturschutzstation Buckow im westlichen Havelland ihre Arbeit aufnahm. Zuvor wurden die überregionalen Erfassungen durch die Biologische Station Steckby im heutigen Sachsen-Anhalt koordiniert. Gleichzeitig war dort damit begonnen worden, die künstliche Brut und Aufzucht von Großtrappen zu etablieren. Die Auswilderung von Hand aufgezogener Trappen zur Stützung der abnehmenden Population startete im Jahr 1973. Ab 1979 übernahm die Station in Buckow diese Aufgabe. Über viele Jahre wurden Gelege, die bei landwirtschaftlichen Arbeiten gefunden wurden, nach Buckow gebracht, anfangs meist durch die LPG-Bauern selbst - teils mit dem Moped, die Eier unter der Lederjacke - später zunehmend professionell durch die Stationsmitarbeiter und mit transportablen Brütern. Nach Brut und Aufzucht in Gefangenschaft entließ man die Jungvögel schließlich wieder in denselben ungeeigneten Lebensraum, aus dem die Eier stammten. Aus heutiger Sicht mag man fragen, ob solcherart Vorgehen überhaupt durch die Grundsätze der Bestandsstützung und Wiederansiedlung gerechtfertigt war. Zum einen gab es aber seinerzeit noch keine IUCN-Richtlinien, vor allem jedoch war es unter den Bedingungen der sozialistischen Landwirtschaft mit ihrer Höchstertragskonzeption und der unbedingten politischen Vorgabe der Unabhängigkeit von Agrarimporten die einzige Möglichkeit des Schutzes. Und sie war erfolgreich, denn ohne die Bestandsstützung wären die Trappen in Deutschland ausgestorben, bevor die erst später möglichen Maßnahmen greifen konnten.

Es ist Dr. Heinz Litzbarski, dem damaligen Leiter der Naturschutzstation Buckow, und seinen Kollegen hoch anzurechnen, dass sie unter diesen Rahmenbedingungen dennoch für den Naturschutz in der Agrarlandschaft kämpften, ehrenamtliche Verbündete um sich scharten, sich mit politischen Entscheidungsträgern auseinandersetzten, Forschungsergebnisse erbrachten, internationale Großtrappentagungen organisierten und regelmäßig Landwirte in Naturschutzfragen schulten. Noch heute hört man von ehemaligen LPG-Vorsitzenden, dass diese Weiterbildungen damals eine gute Sache waren. Mehr als dreißig Gebiete wurden schon "zu DDR-Zeiten" als "Trappenschongebiet" ausgewiesen. Nur in wenigen dieser Gebiete waren aber effektive Schutzmaßnahmen möglich. Fast unglaublich war, dass es schließlich sogar gelang, mehrere Tausend Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche aus der intensiven Produktion herauszulösen und unter extensiven Bedingungen bewirtschaften zu lassen - im Havelländischen Luch und in den Belziger Landschaftswiesen. Erstmals war ab 1988 der Schutz des Lebensraumes möglich - weit hinausgehend über die bisherigen Möglichkeiten. Ein Wendepunkt im Großtrappenschutz.



Neue Chancen

Die kurz darauf folgende politische Wende brachte neue Möglichkeiten für den Großtrappenschutz. Die Privatisierung und Neuorientierung der Landwirtschaft ließ sich nutzen, gemeinsam mit den Landwirten die Situation für die Großtrappe in den genannten Gebieten sowie im Fiener Bruch weiter zu verbessern. LIFE-Projekte schufen die Voraussetzungen für die dauerhafte Sicherung dieser Flächen und die Umsetzung späterer Agrar-Umweltmaßnahmen. Ein Förderverein für den Großtrappenschutz wurde gegründet. Auch die internationale Zusammenarbeit bei Forschung und Schutz erhielt Rückenwind. Von Spanien bis in die Mongolei gibt es kaum ein Land mit Großtrappen-Vorkommen, mit dem es keine gemeinsamen Aktivitäten in Sachen Erforschung und Schutz der großen Vögel gegeben hat. Die Ergebnisse dieser vergleichenden Arbeit sind bis heute Grundlage für die Schutzmaßnahmen in Deutschland.



Habitatansprüche

Was ist es denn nun, das die Großtrappen zu so anspruchsvollen Vögeln und ihren Schutz so schwierig macht? Zunächst benötigen die Vögel, die ja ursprünglich in den Steppen zu Hause waren, weite und übersichtliche Lebensräume. Je enger das Netz menschlicher Infrastruktur und je kleiner die Maschen dazwischen, desto geringer die Eignung für die Vögel. Neben der Meidung können auch direkte Verluste daraus resultieren, vor allem durch Energie-Freileitungen. An mehreren neu errichteten Leitungen verschwanden in den 1970er Jahren die Großtrappen in kürzester Zeit, z. B. in den Gebieten Gransee und Dreetz. Auch in den letzten Jahren wurden immer wieder Kollisionen registriert, obwohl inzwischen viele Leitungen unter die Erde gelegt worden sind. Das Problem zieht sich durch das gesamte Verbreitungsgebiet der Großtrappe. Kollisionen mit Windenergieanlagen sind bisher nicht dokumentiert, doch wer kontrolliert schon regelmäßig mehrere Hundert Anlagen im Großraum der Trappengebiete? Nur an sehr wenigen davon erfolgt ein systematisches Verlustmonitoring. Die Wahrscheinlichkeit, einen Anflug irgendwo zwischen Havelland und dem Belziger Raum zu registrieren, ist minimal. Belegt ist zumindest die weiträumige Meidung der Windparks.

Auch zunehmender Baumbewuchs schmälert die Habitatqualität, vor allem dort, wo Windschutzstreifen - meist aus Hybridpappeln - wie hohe und dichte Wände die Landschaft zergliedern. Diese sind beispielsweise in ehemaligen Verbreitungsgebieten im Rhin- und Havelluch sehr auffällig. Es ist der Öffentlichkeit nicht leicht zu vermitteln, dass es hier plötzlich Naturschützer sind, die das Fällen von Bäumen fordern. Die Wiederherstellung des offenen Landschaftscharakters hat jedoch schon messbare Erfolge erbracht, im Belziger Raum etwa einen alten Balzplatz aktiviert und in einem vordem gemiedenen Gebiet zu nicht weniger als 21 Brutversuchen schon im ersten Jahr geführt. Dass von diesen Maßnahmen noch weitere Arten des Offenlandes profitieren, hat sich auch in anderen Gebieten gezeigt, etwa am Dümmer.

Die kritische Periode im Leben der Großtrappen ist zweifellos die Fortpflanzungszeit. Abnehmende Reproduktion bis zum vollständigen Erliegen in den 1980er Jahren war das markanteste Symptom des Bestandsrückganges. Dass die großen Vögel unter diesen Umständen nicht schneller abnahmen, ist allein ihrer hohen Lebenserwartung zu verdanken. Wo noch in den 1950er Jahren magere Streuwiesen ein einziges Mal im Jahr gemäht worden waren, fanden nach der Grünlandintensivierung teils mehr als vier Grasschnitte im Jahr statt - keine Chance für eine Vogelart, bei der von der Eiablage bis zum Flüggewerden der Jungen fast ein Vierteljahr vergeht. Noch vor dem Grünland haben reine Ackerlandschaften ihre Eignung für Großtrappen verloren; eins der letzten besiedelten Gebiete war das Zerbster Ackerland in Sachsen-Anhalt. Dort, wo überhaupt noch Küken auf Äckern oder im Grünland zum Schlupf kamen, verhungerten diese in der monotonen, insektenarmen Vegetation, wobei im Grünland das kühle und feuchte Mikroklima im hohen, dichten Gras zusätzlich zur Mortalität beitrug. Untersuchungen in den 1980er Jahren zeigten, dass ein Großtrappenküken in den ersten beiden Lebenswochen mehr als zehntausend Insekten benötigt. Die entsprechende Biomasse - fast ein Kilogramm - ist nicht über einige zarte Hautflügler oder Spinnen zu erzielen, sondern sie erfordert auch handliche Brocken in großer Zahl - Großinsekten, die bei intensiver Nutzung besonders rar sind. So ist denn eins der Hauptziele im Großtrappenschutz ein breites Spektrum an Insektenarten mit einer hohen Gesamtbiomasse.



Lebensraumschutz!

Unter Biologen gilt die Faustregel: "Jede Pflanzenart bringt zehn bis zwölf Insektenarten mit sich". Dass Trappenschutz und Pestizideinsatz sich ausschließen, ist daher schnell klar. Einen mindestens ebenso großen Einfluss hat auch die Einschränkung der Düngung bis hin zur sogenannten Null-Düngung. Bei jahrelanger Nutzung ohne Nährstoffzuführung werden die Überschüsse an Stickstoff, Kalium und Phosphor, die über viele Jahre in den Boden gebracht wurden, aufgebraucht und es kommt zur "Aushagerung". Statt weniger stickstoffliebender Grasarten, die von landwirtschaftlicher Seite im Saatgrasland angestrebt werden, haben zunehmend auch andere Pflanzenarten eine Chance - Kräuter und Blumen, die an ärmere Bodenverhältnisse angepasst sind. Die Geschwindigkeit dieser Prozesse hängt vom Standort ab; sie verlaufen schneller auf mineralischen Böden, während auf Niedermoor die Nachlieferung von Nährstoffen vom Wasserstand abhängt. Höhere Wasserstände drosseln die Mineralisierung, dienen auch dem Moorerhalt und nicht zuletzt dem Klimaschutz. Durch das bestehende Relief gäbe es auch bei höheren Wasserständen als derzeit möglich sind genügend Flächen für die Großtrappen. Im Havelländischen Luch lässt sich belegen, wie die Reduzierung der Düngung zu immer weiter steigenden Artenzahlen bei Pflanzen und Tieren führt. Die Stickstoffzahlen der Vegetation - Gradmesser für die Nährstoffvorräte im Boden - nehmen mehr und mehr ab, ohne jedoch bisher die Werte zu erreichen, die in den 1950er Jahren in den westbrandenburgischen Luchlandschaften ermittelt wurden. Obwohl viele Charakterpflanzen der Niedermoore allmählich zurückkehren, haben Jahrzehnte intensiver Nutzung den Boden so verändert, dass die einst typischen Pflanzengesellschaften nicht wieder entstehen.



Schutzerfolge und Rückschläge

Für die Großtrappen hat sich dennoch die Situation merklich verbessert: die stattfindenden Vegetationsveränderungen bedeuten nicht nur mehr Nahrung, sondern der Strukturreichtum mit lichten, sonnigen Bereichen ist auch unentbehrlich für das Überleben der wärmeliebenden Küken. Dazu tragen auch die Mahdtermine bei, die auf einem Teil der Flächen spät liegen, auf anderen für einen großen Abstand zwischen erster und zweiter Nutzung sorgen. Es ist nicht einfach, unter den sich ständig ändernden agrarpolitischen Rahmenbedingungen die hohen Anforderungen des Großtrappenschutzes mit den Belangen der Landwirtschaft, die schließlich die für die Vögel erforderlichen Strukturen schafft, immer wieder unter einen Hut zu bringen. Um so mehr ist die gute Zusammenarbeit mit den Landwirten in allen drei Schutzgebieten hervorzuheben. Einige haben sogar ihre Betriebskonzepte komplett umgestellt - von der Milchproduktion auf die Mutterkuhhaltung oder sogar zum ökologischen Landbau. Der Ökolandbau ist vor allem auf Ackerflächen ein Gewinn, da hier bisher sogenannte "Trappenstreifen" fast der einzige Schutzansatz waren: Streifen, die aus der Ackernutzung genommen wurden und sich zu extensiv genutztem Dauergrünland entwickeln. Es entstanden kleinere Schläge, interessante Nahrungsflächen und viele struktur- und artenreiche Grenzlinien.

Trotz all dieser Bemühungen gibt es Nachwuchssorgen bei den Großtrappen. Ende der 1980er Jahre war es fast eine Sensation, dass überhaupt wieder Jungvögel flügge wurden. In den Folgejahren jedoch ging es erneut bergab. Während Gelegeverluste durch die Landwirtschaft immer weiter reduziert werden konnten, mehrten sich die Indizien, dass viele Bruten Beutegreifern zum Opfer fielen. Mehr und mehr gab es solche Befunde auch in anderen Gebieten und bei anderen bodenbrütenden Vogelarten. Inzwischen beschäftigen sich Vogelschützer in ganz Mitteleuropa und darüber hinaus mit diesem Phänomen. Zwei gesamtdeutsche Tagungen gab es, deren Resultate veröffentlicht wurden. Zu den wichtigsten Ergebnissen gehört, dass überregional nachtaktive Raubsäuger die Hauptrolle bei den Verlusten spielen, während Krähenvögel nur einen kleinen Prozentsatz ausmachen und bestenfalls lokal stärker an den Brutverlusten beteiligt sind. So landet zwar ein Teil der Trappengelege auch in den Mägen von Kolkraben, das Hauptproblem stellt jedoch der Fuchs dar. Offensichtlich gehören er und andere Beutegreiferarten zu den Gewinnern der heutigen Kulturlandschaft. Durch die Tollwut-Immunisierung ist zudem eine wesentliche Todesursache bei Füchsen weggefallen, die früher in regelmäßigen Zyklen immer wieder den Bestand drastisch reduzierte. Vom Wegfall der Tollwut profitieren auch einige Neozoen unter den Raubsäugern, vor allem Waschbär, Marderhund und Mink. So ist die Bestandsdichte all dieser Arten in weiten Teilen Deutschlands sehr hoch. Einiges spricht dafür, dass gut gemanagte Schutzgebiete mit ihrer hohen Biodiversität besondere Gunstgebiete für solche Arten sind, da hier der Tisch reich gedeckt ist.



Refugien für die Reproduktion

Die Möglichkeiten des Gegensteuerns reichen je nach Art vom Schutz einzelner Nester durch Einzäunung oder Nesthauben über Vergrämungsmethoden bis zum Einsatz jagdlicher Mittel. Jagd scheint bisher in Deutschland nur auf Inseln erfolgreich zu sein, in einem ungarischen Trappengebiet jedoch auch durch Einsatz von Berufsjägern. Im Havelländischen Luch kam der Zufall zu Hilfe: In einer kleinen, fuchssicheren Einfriedung von 8 ha, errichtet u. a. aus Resten der Berliner Grenzanlagen, brütete schon im ersten Jahr eine freilebende Großtrappenhenne erfolgreich. Ob es die Anwesenheit der Gefangenschaftsgruppe war, welcher der Zaun eigentlich diente, oder ob der Vogel die Fläche als sicher erkannt hat? Zumindest entwickelte sich dieser Ansatz zur Erfolgsmethode und wurde durch weitere und größere gezäunte Flächen in allen drei Trappengebieten ausgebaut. Trotz der Verluste "aus der Luft" werden in den mittlerweile 18 ha gezäunter Fläche im Havelluch inzwischen regelmäßig etwa zehn Jungvögel pro Jahr flügge. Auch in den Belziger Landschaftswiesen und im Fiener Bruch gibt es erste Erfolge, während in allen Gebieten außerhalb der Zäune Nachwuchs leider eher die Ausnahme als die Regel ist. Gleichwohl nutzen die Hennen und ihre Nachkommen auch die umliegenden Flächen, sobald die Jungen flügge sind. Inzwischen spricht vieles dafür, dass Vögel sehr wohl in der Lage sind, die vor Raubsäugern sicheren Flächen zu erkennen - sowohl die hohe Konzentration brütender Trappen als auch die Abundanzen anderer Arten. Dazu gehören Stockenten, Rebhühner und Fasane, aber auch die Wiesenweihe, die im Buckower Zaun mit bis zu vier Paaren präsent ist. Mit 2,8 Jungen je begonnene Brut ist ihr Bruterfolg überdurchschnittlich hoch. Allerdings sind auch die Grenzen dieser Methode erkennbar, z. B. durch Dichtestress, der in mehreren Fällen schon zu Brutverlusten bei den Trappen geführt hat. Daher ist auch weiterhin nach Lösungen außerhalb gezäunter Flächen zu suchen - von der Art der Landbewirtschaftung über effektivere Jagdausübung bis hin zur "Pille für den Fuchs".

Im Zusammenhang mit dem Thema Prädation wird immer wieder die Frage nach der Rolle des Seeadlers gestellt. Die Art hat in den vergangenen Jahrzehnten erfreulich zugenommen und sucht durchaus auch in der Agrarlandschaft Nahrung. Die Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens mit Großtrappen hat sich deutlich erhöht, und es gibt auch Verluste bei Jungvögeln und Hennen. Optimis-tisch gesehen könnte man sich über die intakten Nahrungsketten freuen. Ob Seeadler künftig die Populationsentwicklung der Trappen beeinflussen werden, bleibt abzuwarten. Gegenwärtig sind sie in erster Linie ein Problem für die Auswilderung von Jungtrappen, die als Teil des Schutzprogramms immer noch stattfindet. Obwohl schon kleine Jungvögel die Adler über erstaunliche Entfernungen wahrnehmen und nach der Auswilderung meist schon auf 1,5 km flüchten, reicht ihre Kraft und Ausdauer in den ersten Wochen oft noch nicht aus zu entkommen. Seeadler stellen daher derzeit die Hauptursache für Verluste nach der Auswilderung dar. Die Überlebensrate der Jungvögel bis zum nächsten Frühjahr lag im Mittel der Jahre bis 2007 dennoch bei 32 Prozent und war lediglich 2008 deutlich schlechter. So trug die Auswilderung dazu bei, die Bestandsabnahme in den Belziger Landschaftswiesen zu stoppen und ließ den Restbestand im Fiener Bruch ansteigen. Das mittelfristige Ziel, die Bestandsstützung ganz entbehrlich zu machen, ist im Havelländischen Luch schon erreicht - hier gelang der nahezu vierfache Bestandsanstieg seit 1996 fast ohne Auswilderung. Die Entnahme eines Teils der Erstgelege für die künstliche Brut und Aufzucht hat dieser Entwicklung nicht geschadet. Ohnehin liegt der Schlupferfolg der frühen Gelege außerhalb der Zäune bei nahezu Null, und bei Brutverlust erfolgen regelmäßig mehrere Nachgelege. Insofern erschien es sinnvoll und vertretbar, diese Gelege zu bergen und die daraus gewonnenen Jungvögel in den anderen Gebieten auszuwildern.



Die Großtrappe - gerettet?

Ist die Großtrappe nun in Deutschland gerettet? Zumindest ist klar, dass die Art nur noch in besonders gemanagten Schutzgebieten überleben kann. Hoffnungen auf Trittsteine in der "Normallandschaft" haben sich spätestens mit der Abschaffung der konjukturellen Stilllegungen im Jahr 2007 zerschlagen. In den drei verbliebenen Schutzgebieten jedoch sieht die Bestandssituation günstig aus. Nach vielen Jahrzehnten der Abnahme steigt der Großtrappenbestand seit 1998 erstmals an und hat mittlerweile etwa 114 Individuen erreicht. Buchstäblich in letzter Minute konnte das Aussterben der Art in Deutschland verhindert werden.

Im Gegensatz zu den anfangs genannten Arten, die allein durch Nisthilfen gut zu managen sind, bedarf es jedoch bei der Großtrappe Jahr für Jahr aufs Neue intensiver Bemühungen: Kooperation mit der Landwirtschaft und ihren Behörden im Rahmen von Agrarumweltmaßnahmen, Organisation von Vertragsnaturschutz und Landschaftspflege, Suche nach Brutplätzen, um die Bewirtschaftungsmaßnahmen lenken zu können, Gebietskontrollen zur Wahrung des bewährten Gefüges von Gebietssperrung und Besucherlenkung, Monitoring und Erfolgskontrolle aller Schutzmaßnahmen, Öffentlichkeitsarbeit usw. Die Rahmenbedingungen in den brandenburgischen SPA und NSG "Havelländisches Luch" und "Belziger Landschaftswiesen" sind derzeit günstig. Der größte Handlungsbedarf besteht im grenzübergreifenden Fiener Bruch. Die erfreulichen Großtrappenzahlen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass im sachsen-anhaltinischen SPA die Landnutzung nach dem Abschluss eines LIFE-Projektes 1996 wieder deutlich intensiviert wurde. Der weitgehende Rückzug der Unteren Naturschutzbehörde Jerichower Land aus dem Trappenschutz, der letztlich den Landesbeauftragten für den Großtrappenschutz das Handtuch werfen ließ, lässt die Zukunft hier recht ungewiss aussehen. Auf Brandenburger Seite ist ein SPA-Managementplan in Vorbereitung, aber für die Trappen wird es nicht reichen, das halbe Gebiet zu optimieren.

Vielleicht gibt es sogar Rückenwind durch den Klimawandel, so fatal er auch insgesamt ist. Seit Mitte der 1980er Jahre gab es keine der früher oft so verlustreichen Winterfluchten mehr. Eine Modellierung von Großtrappen- und Klimadaten zeigte, dass Trappen in Ostdeutschland vom Klimawandel profitieren könnten, und zwar sogar mehr als in allen anderen Gebieten Mitteleuropas. Entscheidend wird jedoch die Art der Landnutzung unter den geänderten klimatischen Bedingungen sein.

Fürs Erste scheint der "Märkische Strauß" also gerettet, aber weitere und langfristige Schutzbemühungen in den letzten Refugien sind unabdingbar!


Dr. Torsten Langgemach ist Tierarzt und seit 1999 Leiter der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesumweltamt Brandenburg. Neben vielen anderen Aufgaben ist er verantwortlich für das Großtrappenprojekt und "National Contact Point" für das Memorandum of Understanding.


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Literatur zum Thema:

Anonym (1996): Internationaler Workshop "Conservation and Management of the Great Bustard in Europe". Naturschutz & Landschaftspflege in Brandenburg 5: 4-120.

Block, B., P. Block, W. Jaschke, B. Litzbarski, H. Litzbarski & S. Petrick (1993): Komplexer Artenschutz durch extensive Landwirtschaft im Rahmen des Schutzprojektes "Großtrappe". Natur & Landschaft 68: 565-576.

Eisenberg, A., T. Ryslavy, M. Putze & T. Langgemach (2002): Ergebnisse der Telemetrie bei ausgewilderten Großtrappen (Otis tarda) in Brandenburg 1999-2002. Otis 10: 133-150.

Gewalt, W. (1959): Die Großtrappe. Neue Brehm-Bücherei. A. Ziemsen Verlag. Wittenberg.

Litzbarski, B. & H. Litzbarski (1996): Zur Situation der Großtrappen Otis tarda in Deutschland. Vogelwelt 117: 213-224.

Litzbarski, H. & N. Eschholz (1999): Zur Bestandsentwicklung der Großtrappe (Otis tarda) in Brandenburg. Otis 7: 116-122.

Litzbarski, B. & H. Litzbarski (2001): Großtrappe - Otis tarda. In: Arbeitsgemeinschaft Berlin-Brandenburgischer Ornithologen (Hrsg.): Die Vogelwelt von Brandenburg und Berlin, S. 236-241.

Litzbarski, H. & H. Watzke (Hrsg., 2007): Great Bustard in Russia and Ukraine. Bustard Studies 6, 138 S.

Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz (2009): Die Großtrappe - der märkische Strauß. Broschüre, 48 S.


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Träger des Großtrappenschutzes sind das Landesumweltamt Brandenburg mit der Staatlichen Vogelschutzwarte als Koordinierungsstelle und der Förderverein Großtrappenschutz e. V., der auch in Sachsen-Anhalt aktiv ist. Dort liegt die staatliche Verantwortung bei der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Jerichower Land. Während der Balzzeit bietet der Verein einen Besucherservice in der Ausstellung der Vogelschutzwarte sowie geführte Exkursionen an. Einzelheiten sind der Internetseite des Fördervereins www.grosstrappe.de sowie der lokalen Presse zu entnehmen. Auch die Naturwacht des Naturparks Westhavelland bietet alljährlich eine begrenzte Zahl von Großtrappenexkursionen an. Wer selbst für die Großtrappen aktiv werden möchte, kann sich gern bei den Mitarbeitern der Betreuungsstellen melden.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 12/2009
56. Jahrgang, Dezember 2009, S. 456 - 463
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Dezember 2009