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VÖGEL/501: Historische Erkenntnisse und Mißverständnisse rund um den Eisvogel (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 1/09
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

"Der schönste in unseren Himmelsgegenden"
Historische Erkenntnisse und Missverständnisse rund um den Eisvogel

von Karl Wilhelm Beichert


"Dieser Vogel ist der schönste in unseren Himmelsgegenden, und es giebt keinen in Europa, den man an Reinheit, Reichtum und Glanz der Farben mit dem Eisvogel vergleichen könnte: die Farben haben die Schattirungen des Regenbogens, den Glanz des Schmelzes, die Pracht der Seide: Der ganze mittlere Rücken mit dem obern Schwanz hat ein helles und glänzendes Blau, das gegen die Sonnenstrahlen wie ein Saphir spielt und den Glanz des Türkis hat; das Grüne vermischt sich auf den Flügeln mit dem Blau, und die meisten Federn haben eine meergrüne Spitze und Puncte; der Kopf und der Hals sind ebenso puncitert, mit hellern Flecken auf einem himmelblauen Grunde." So beschrieb der französische Naturforscher Georges Louis Leclerc de Buffon vor rund 250 Jahren den Eisvogel.


Wundersame Geldvermehrung

In früheren Zeiten gab es recht merkwürdige Ansichten über den Eisvogel. So glaubte man, dass sich der aufgehängte Balg wie beim lebendigen Vogel weiter mausere. Tuchhändler sollen die Haut des Eisvogels zwischen ihre Tücher gelegt haben, weil dadurch Schaben und Motten vertrieben wurden. Auch soll der tote Vogel, zu den Wertsachen gelegt, bewirken, dass diese sich vermehrten.

Noch im Jahr 1640 berichtet der Pater Athanasius Kircher von einem Eisvogelbalg, den er an der Decke seines Museums aufgehängt habe: "Obgleich alle Türen und Fenster verschlossen waren, so drehte doch der Vogel den Schnabel stets nach dem Winde. Dies habe ich selbst mit Bewunderung und Vergnügen drei Jahre lang beobachtet."

Der wissenschaftliche Name des Eisvogels, Alcedo atthis, stammt vom schwedischen Systematiker Carl von Linné (1707-1778). Der erste Namensteil ist ein lateinisches Lehnwort aus dem Griechischen Alcyon, was dort den besagten Vogel bezeichnet. Atthis war der griechischen Sage nach eine Tochter des Königs von Attika, wobei aber der Zusammenhang mit der Benennung des Eisvogels nicht erkenntlich ist.

Beim deutschen Namen "Eisvogel" läge angesichts des blauen beziehungsweise orangen Gefieders eine Ableitung von Eis oder auch Eisen nahe. Der Naturkundler Conrad Gesner ließ sich daher um 1600 zu folgender Bemerkung verführen: "Der Eyßvogel ist gern allein, und hält sich zur Winterszeit bey den Bächen auff, welche mit Eyß überzogen sind, daher er auch seinen Namen empfangen." Gerade das Gegenteil ist der Fall: Zugefrorene Bäche verhindern erfolgreiches Fischen, weswegen der Eisvogel zu solchen Zeiten oft an offene Wasserstellen abwandert. Tatsächlich geht der Name auf das germanische "isan" oder "eisan" (= glänzen) zurück. Der Eisvogel heißt also eigentlich "Glanzvogel".


Liebe über den Tod hinaus

Eine ganz traurige Geschichte ist es, mit der die Alten sich das Entstehen des Eisvogels erklärten. Der römische Dichter Ovid erzählt sie in seinen "Metamorphosen":

König Ceyx tritt eine Schiffsreise in die Stadt Claros an, um das dortige Orakel Apollons über den Willen der Götter zu befragen. Schon beim Abschied wird seine Frau Alcyone von bösen Ahnungen geplagt. Und in der Tat geht das Schiff während eines Sturms unter; Ceyx ertrinkt, seine Leiche wird am Strand angespült. Wegen ihres unendlichen Kummers wird Alcyone in einen Eisvogel verwandelt. Als dieser sich auf der Leiche des Ceyx niederlässt und sie zu liebkosen beginnt, wird auch Ceyx zum Eisvogel, und beide sind ab sofort ein Beispiel für über den Tod hinaus dauernde eheliche Liebe - besonders von Seiten der Frau.


Wie der Eisvogel zu seiner Farbe kam

Eine schöne Sage aus Frankreich erklärt die Farben des Eisvogels: Das Federkleid des Eisvogels war ursprünglich grau. So befand er sich auch in der Arche Noah. Nach der Taube schickte Noah auch den Eisvogel aus, um nach Land Ausschau halten zu lassen. Als wassererfahrener Vogel schien er sogar besser dafür geeignet als die Taube. Weil sich bei seinem Aufbruch ein Sturm erhob, musste er seinen Flug zum Himmel nehmen, um nicht von den sich aufbäumenden Wellen verschlungen zu werden. Dabei versenkte er sich in das Himmelblau, das bald auf seine Federn abfärbte.

Ganz hoch gestiegen, sah er die Sonne unter sich aufgehen, was ihn so faszinierte, dass er immer weiter auf sie zuflog. Von der immer größer werdenden Hitze fingen seine Bauchfedern Feuer, weshalb er schnell seinen Flug zur Sonne aufgab und sich in den Wasserfluten der Erde abkühlte. Weil Noah inzwischen Land gefunden hatte, fand der Eisvogel die Arche nicht mehr auf dem Wasser. Und deswegen sieht man ihn noch heute an den Flüssen entlang nach der Arche suchen und mit durchdringendem Ruf nach Noah rufen.


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Weitläufige Verwandtschaft

Eisvögel sind Teil einer bunten Verwandtschaft. Zur Ordnung der Rackenvögel zählen in Europa neben dem Eisvogel die blau schimmernde Blauracke und der farbenfrohe Bienenfresser. Allen ist ein farbenprächtiges Gefieder, die gedrungene Gestalt, ein kräftiger Schnabel und das Brüten in Höhlen gemeinsam. Eisvögel kommen weltweit in knapp 100 Arten, meistens in tropischen Regionen vor. Für uns Mitteleuropäer ist der Eisvogel der einzige Vertreter - abgesehen von dem aus Australien stammenden Jägerliest, der wegen seiner an Gelächter erinnernden Stimme auch Lachender Hans genannt und häufig in unseren Tierparks gezeigt wird.

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Senegalliest
Jägerliest (Lachender Hans)
Graufischer
Amazonasfischer

Weitere Eisvogel-Fundstellen von Ovid über Albertus Magnus bis Eugen Roth gibt es in unserer Online-Ausgabe.


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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 1/09, S. 12-13
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2009