Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → ARTENSCHUTZ

VÖGEL/493: BirdLife-Kampagne zum Zugvogelschutz - Born to Travel (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 4/2009

BirdLife-Kampagne zum Zugvogelschutz: Born to Travel

Von Werner Müller


Gerade rechtzeitig zum Frühlingsanfang starteten die BirdLife-Partner Europas, des Mittleren Ostens und Afrikas am 21. März 2009 die Zugvogel-Kampagne "Born to Travel". Werner Müller, Geschäftsführer des Schweizer Vogelschutzes SVS/BirdLife Schweiz und derzeitig Europavorsitzender von BirdLife International, stellt in seinem Beitrag die Ziele und Arbeitsweisen der über die nächsten vier Jahre laufenden Kampagne vor.


Weltweit arbeiten Organisationen in unterschiedlichen Bereichen für den Erhalt von Natur und Umwelt. In vielen Ländern agieren nationale Naturschutzverbände in Partnerschaft mit dem internationalen Dachverband BirdLife International. Mit "Born to Travel" haben die BirdLife-Partner Europas, des Mittleren Ostens und Afrikas beispielsweise eine neue Kampagne zum Schutz der Zugvögel ins Leben gerufen um

- das faszinierende Naturwunder Vogelzug und Möglichkeiten zum Erhalt noch häufiger sowie auch gefährdeter Vogelarten der Bevölkerung und Entscheidungsträgern nahezubringen.

- durch koordinierte und gemeinsame Projekte dringende Maßnahmen im Zugvogelschutz auch länderübergreifend umzusetzen.

- zu zeigen, dass die BirdLife-Partner dank ihres engagierten Netzwerkes über Ländergrenzen hinweg den Zugvogelschutz entscheidend voranbringen können.

Die Kampagne "Born to Travel" erfindet dabei den Zugvogelschutz nicht neu. Sie will aber die vielfältigen Aktivitäten der BirdLife-Partner bündeln und grenzüberschreitende Zusammenarbeit besser sichtbar machen.


Der Flyway-Ansatz

Allein in Europa gibt es 43 engagierte nationale Natur- und Vogelschutzorganisationen, die zum BirdLife-Netzwerk gehören und bereits heute eng zusammenarbeiten. "Born to Travel" ist nicht einfach eine zentrale Aktion, die vom BirdLife-Sekretariat in Cambridge gesteuert wird, sondern sie entstammt der Initiative einzelner BirdLife-Partner, allen voran Vogelbescherming Nederland (VBN, BirdLife in den Niederlanden) und Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz und wird von den BirdLife-Partnern in Belgien (BirdLife Belgium), Deutschland (NABU), Frankreich (LPO), Israel (SPNI) und Polen (OTOP) sowie dem BirdLife-Europasekretariat in Brüssel organisiert. Von Vogelbescherming in Zeist aus berät, koordiniert und motiviert Ania Sharwood Smith die beteiligten Verbände.

Zugvögel kennen nicht nur keine Landes-, sondern auch keine Kontinentgrenzen. In den einzelnen Weltregionen ist der Austausch der einzelnen BirdLife-Partner bisher eher gering; Deshalb wurde für die Kampagne "Born to Travel" der Flyway-Ansatz gewählt. "Flyways" sind die Jahreslebensräume der Zugvögel vom Brutgebiet bis zum Winterquartier. Einen geeigneten deutschen Ausdruck gibt es dafür nicht, sodass im deutschsprachigen Raum "The BirdLife Flyways Campaign" einfach mit "Die BirdLife-Zugvogel-Kampagne" übersetzt wird. In den anderen beiden globalen Flyways, Nordamerika - Südamerika und Asien - Australien werden ebenfalls diverse gemeinsame Projekte gestartet.

Eines der vorrangigsten Ziele der Kampagne ist es, die Bevölkerung für den Schutz der Zugvögel zu gewinnen. Daher werden die einzelnen BirdLife Partner im Rahmen der nationalen Gegebenheiten verstärkt Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Vogelzug und Gefährdung von Zugvögeln betreiben. Basierend auf fundierten wissenschaftlichen Grundlagen wurden die Fakten zu den Gefährdungen der Zugvögel von Fachleuten in einem Seminar in Cambridge detailliert analysiert und von der RSPB (BirdLife in Großbritannien) in einem Grundlagenbericht vertieft. Eventuellen Forschungsbedarf decken im Rahmen der Kampagne nationale Institute wie z. B. die Vogelwarten Hiddensee und Radolfzell (Deutschland) sowie Sempach (Schweiz) bestens ab.

Vor allem politische Entscheide in einzelnen Ländern und der EU sowie internationale Abkommen beeinflussen den Schutz der Zugvögel stark. Die BirdLife-Partner der 27 EU-Mitgliedsstaaten und das BirdLife-Sekretariat in Brüssel versuchen daher intensiv Einfluss auf die EU-weite Agrarpolitik zu nehmen. Eines der wirksamsten Instrumente für den Vogelschutz, vor allem auch der Zugvögel, ist die EU-Vogelschutzrichtlinie, die bereits am 2. April 1979 verabschiedet wurde. Nach wie vor gilt es, diese Gesetzgebung in der Politik ebenso wie in der Bevölkerung als wirksames, unabdingbares Mittel zum Erhalt der Biodiversität zu verankern und langfristig zu sichern. Die Zugvogel-Kampagne soll die Task Force der BirdLife-Partner der EU-Mitgliedstaaten bei diesem Vorhaben unterstützen. Zugvogelschutz aber geht über politische Grenzen hinaus. Die afrikanischen BirdLife-Partner betonten immer wieder zurecht, dass viele europäische Brutvögel, die in Afrika Wintergäste sind, eigentlich anders gesehen werden müssen: Es sind afrikanische Vögel, die kurz - die meisten nur wenige Monate - als Brutgäste nach Europa fliegen!


Zugvogelschutz in der Praxis

Für die Vierjahres-Periode von "Born to Travel" sind drei große Programme mit Projekten zum Schutz der Brutgebiete, Rastplätze und Winterquartiere von Zugvögeln entwickelt worden: Das Schutzprogramm "ziehende Wasservögel und Feuchtgebiete" reicht von

den IBAs im baltischen Raum, über das DOF-NABU-VBN-Projekt im Wattenmeer bis zum Aufbau eines Zentrums für Feuchtgebietsschutz in Marokko und weiter nach Burkina Faso, wo der BirdLife-Partner NATURAMA mit der Bevölkerung gegen die Ausdehnung der Wüste kämpft.

Im Schutzprogramm "Segelnde Zugvögel und ihre Landschaften" sind Projekte zum Schutz der Zugvögel vor Windturbinen oder gegen illegale Vogeljagd im Mittelmeerraum und im Nahen Osten zusammengefasst. Zahlreiche BirdLife-Partner sind in Projekten zum Schutz von Weiß- und Schwarzstorch in deren Brutgebieten ebenso wie in den Winterquartieren aktiv.

Beim dritten Schutzprogramm geht es um die "ziehenden Singvögel und ihre Lebensräume". Neben konkreten Maßnahmen zum Schutz der Vögel in ihren Brutgebieten, an den Rastplätzen entlang der Zugwege und in den Winterquartieren fällt in diesem Programm der Einflussnahme auf die Landwirtschaftspolitik (v. a. die CAP in der EU), aber auch der Umsetzung der Vogelschutz-Richtlinie eine wichtige Rolle zu.

Wenn in vier Jahren die Bevölkerung in Europa, im Mittleren Osten und in Afrika noch mehr vom Naturwunder Vogelzug fasziniert ist und hinter dem Schutz der Zugvögel steht, wenn die Agrarpolitik in vielen Ländern stärker auf die Sicherung der Biodiversität ausgerichtet ist, wenn die Vogelschutzrichtlinie in der EU ungemindert ihre positive Wirkung erzielen kann und wenn unzählige große und kleine Schutzprojekte für die Zugvögel umgesetzt werden, dann hat die Zugvogel-Kampagne ihr Ziel erreicht.

Die aktuelle Wirtschaftskrise droht den Schutz der Biodiversität in den Hintergrund zu rücken. Die faszinierenden Zugvögel können mithelfen, Bevölkerung und Politik davon zu überzeugen, dass wir in unseren gemeinsamen Anstrengungen zur Rettung unseres grünen Planeten nicht nachlassen dürfen, sondern deutlich mehr tun müssen.


Werner Müller ist Geschäftsführer des Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz und derzeit Europavorsitzender von BirdLife International.

Informationen zum Thema:
www.birdlife.org
www.wingsoverwetlands.org


*


Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 4/2009
56. Jahrgang, April 2009, S. 136-138
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,80 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2009