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NUTZTIERE/026: Gefährdete Nutztierrassen des Jahres 2019 - Das Wollschwein (GEH)


Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH) / The Society for the Conservation of Old and Endangered Livestock Breeds (GEH) - Pressemitteilung, 15. Dezember 2018

Gefährdete Nutztierrassen des Jahres 2019 - Das Wollschwein


Das Wollschwein

Mit dem Wollschwein steht im Jahr 2019 eine Nutztierrasse im Mittelpunkt, die auf der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH) in der Kategorie "Rassen aus anderen Ländern" aufgeführt ist. Das Wollschwein ist eine der ältesten, rein erhaltenen Schweinerassen Europas. Seinen Ursprung hat es auf dem Balkan, vor allem in Ungarn. Bis in die 1950er Jahre war es als Speckschwein weit verbreitet. Eben dieser üppige Speck war es, der die Rasse dann, aufgrund veränderter Essgewohnheiten (hin zu mehr magerem Fleisch), an den Rand der Ausrottung drängte. Im Jahr 1993 gab es im Ursprungsland Ungarn weniger als 200 Tiere.


Zwei Schweine mit rotgelocktem Fell - Foto: © Feldmann / GEH

Rote Wollschweine
Foto: © Feldmann / GEH

Das einst in Ungarn millionenfach gehaltene Wollschwein wurde ab den 1960er Jahren kaum noch nachgefragt und entsprechend auch nicht mehr gezüchtet. Gerettet werden konnte es durch die in den 1970er Jahren gegründeten staatlichen Genbanken in Ungarn. Die genetische Nähe des Wollschweins zum schwarzen Iberico-Schwein löste eine hohe Nachfrage nach Wollschweinschinken für die Produktion hochwertiger spanischer Schinkenprodukte der Spitzenklasse aus und war der Durchbruch zur Rettung der Wollschweine.

Geschichte des Wollschweines

Die ersten schriftlichen Dokumente über die Schweinezucht in Ungarn stammen aus dem Jahre 1261. Ende des 12. Jahrhunderts erwähnte der römische Schriftsteller Columella in seinen Aufzeichnungen die sogenannten Szalonta und Bakony Schweine. Diese beiden Rassen waren bis ins 19. Jahrhundert in Ungarn am weitesten verbreitet. Vorher gab es eine halbwilde Zucht. Die Tiere wurden auf öffentlichen Flächen gehütet und im Herbst zur Eichelmast in die Wälder getrieben. Die Leistungszucht und Verbreitung des Wollschweins sind als Antwort auf die Nachfrage nach Fettschweinen zu sehen. Der Palatin Josef erhielt 1833 vom serbischen Fürsten Milos 10 Sauen und 2 Eber des Sumadija-Schweins geschenkt. Diese ließ der Palatin mit dem Szalonta- und dem Bakony-Bestand kreuzen. Diese Kreuzung war so erfolgreich, dass in den 1840er Jahren die ungarische Rasse "Mangalica" bereits intensiv gezüchtet wurde. Drei Farben waren zu unterscheiden, das Blonde, das Schwarze und das Schwalbenbäuchige Mangalitza.

Das Blonde Wollschwein ist die älteste Wollschweinrasse und wurde aus drei früheren Rassen gezüchtet: Das Szalonta-Schwein war schon vor der Zeit des Römischen Reiches im Karpatenbecken anzutreffen. Das Bakony-Schwein war eine Züchtung aus dem neapolitanisch-römischen Schwein und das Sumadija-Schwein, dem das Wollschwein seine endgültige Form zu verdanken hat, ist ebenfalls mediterranen Ursprungs. Das gilt auch für die Vorfahren des Schwarzen und des Schwalbenbäuchigen Wollschweins. Daher ähnelt das heutige Wollschwein, den ausgestorbenen mediterranen Vorfahren. Bis heute werden in Ungarn überwiegend die Blonden Wollschweine mit hellgrauen bis blonde Borsten gezüchtet.

Das Schwalbenbäuchige Wollschwein entstand aus einer Kreuzung des Blonden und Schwarzen Wollschweins. Das Schwarze Wollschein gilt als ausgestorben. Der Rücken des Schwalbenbäuchigen ist schwarz, die Mundwinkel, der untere Halsbereich und die untere Rumpfseite sind weiß, gelblich-weiß oder leicht rötlich. Es gilt als besonders widerstandsfähig.

Beim Roten Wollschwein handelt es sich um den "modernsten" Typ. Es entstand im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts aus der Kreuzung von Szalonta-Schweinen mit Blonden Wollschweinen. In der älteren Fachliteratur wird diese Kreuzung als "verbesserte Szalonta Rasse" beschrieben. Erst um 1960 wurde sie als Rotes Wollschwein benannt.

Neueste Untersuchungen haben ergeben, dass es sich nicht um drei Farbschläge, sondern um drei eigenständige Rassen handelt.

Das Wollschwein ist auch unter dem Namen Mangalitza-Schwein bekannt. Für die Bezeichnung Mangalitza gibt es verschiedene Erklärungsansätze, die alle sehr treffend scheinen, so bedeutet Mangalitza "walzenförmig". Das rumänische Wort "mancare" bedeutet "essen". Das aus dem Serbokroatischen stammende "mangulica" oder "mangulac" beschreibt "leicht fest werdend", das Wort "Mangala" ist slawischen Ursprungs und beschreibt einen guten Ernährungszustand, ein "Mangala svinja" wäre demnach ein Schwein, dass gut zunimmt.

All diese Deutungsansätze geben schon eine gute Beschreibung zu dem kompakten, walzenförmigen Schwein mit feinen, aber harten Knochen und kräftiger Muskulatur.

Eigenschaften und Nutzung

Tatsächlich trägt das Wollschwein feste, gekräuselte Borsten mit feiner Unterwolle im Winter, und feine, glatte und kurze Bosten im Sommer. Die Ferkel sind zunächst gestreift, wie Frischlinge beim Wildschwein, was auf eine nahe Verwandtschaft mit den Wildschweinen hindeutet.

Das Wollschwein ist robust und eignet sich ideal für die Freilandhaltung, das dichte Borstenkleid und eine Speckschicht schützen vor extremer Witterung. Aufgrund seines Bewegungsdrangs wird es auch als Laufschwein bezeichnet. Das Fleisch ist stark marmoriert, hat dadurch einen exzellenten Geschmack und ist reich an wertvollen ungesättigten Omega-3-Fettsäuren, sowie vielen weiteren wertvollen Inhaltstoffen. Bei artgerechter Haltung und Fütterung der Wollschweine kann eine hervorragende Fleischqualität mit besonders gutem Nährwertgehalt erreicht werden. Das Fleisch wird qualitätsbewussten Kunden und auch in der gehobenen Gastronomie immer beliebter. Gute Abnehmer für die Produkte sind für den Schweinezüchter notwendig, damit er weiter züchten kann und diese besondere Schweinerasse erhalten bleibt.

Im Jahr 1999 war das Wollschwein bereits einmal die gefährdete Nutztierrasse des Jahres. Mittlerweile ist viel passiert: die Züchter untereinander sind gut vernetzt und es konnten mit Hilfe der Wissenschaft einige neue Erkenntnisse über die wolligen Schweine gewonnen werden. Mittlerweile ist zum Beispiel bekannt, dass es sich bei den drei Farbvarianten jeweils um eigenständige Rassen handelt. Im Jahr 2017 wurde dann das "Wollschwein-Register" gegründet, mit dem Ziel, die Zucht und die Abstammungen der Tiere zu dokumentieren, und die Zucht auf eine solide Basis zu stellen. Sieben Jahre Vorarbeiten auf ehrenamtlicher Basis und gefördert durch ein Modell- und Demonstrationsvorhabens "Infrastrukturaufbau für die bundesweite Zucht bestandsgefährdeter Nutztierrassen" das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) waren hierfür notwendig. Regelmäßige Treffen der hiesigen Züchter, gemeinsame Tierbeurteilungen und auch gute Kontakte zu den ungarischen Züchtern sind als positive Entwicklung zu werten. Die Erfassung der Zuchttiere bedeutet einen weiteren Meilenstein für die Wollschweinzucht in Deutschland. In Deutschland sind derzeit 74 Blonde, 90 Rote und 123 Schwalbenbäuchige Wollschweine bei 91 Züchtern erfasst. Es gibt Kontakte zu den Ursprungsregionen Ungarn, Serbien, Bulgarien sowie Österreich und der Schweiz.

All den Bemühungen entgegen steht die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Europa, die neben vielen osteuropäischen Ländern und Belgien auch Ungarn schon erreicht hat. Das Risiko einer Einschleppung nach Deutschland wird vom Friedrich-Loeffler-Institut als hoch eingeschätzt. Schlimm wäre es, wenn Bestände mit Wollschweinen erkranken würden, diese Bestände müssten getötet werden, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Zudem werden die robusten Wollschweine häufig in tierfreundlicher Freilandhaltung gehaltenen. Viele Halter befürchten stark steigende Auflagen für die Freilandhaltung oder sogar deren Verbot, sollte die ASP Deutschland erreichen. Solche Szenarien würden die grade aufstrebende Situation der Wollschweine erheblich gefährden. Um den Verlust möglichst gering zu halten wäre es wichtig, eine gute Verteilung der Zuchttiere über das ganze Bundesgebiet, geeignete tiergerechte Aufstallungsmöglichkeiten und eine wohlüberlegte Genreserve anzulegen.

Die GEH ernennt seit 1984 alljährlich die "Gefährdete Rasse" und macht damit deutlich, dass neben den Wildtieren und Wildpflanzen auch in der Landwirtschaft der Verlust der Vielfalt eingezogen ist.

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Quelle:
Pressemitteilung, 15.12.2018
Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V.
GEH-Geschäftstelle: Walburger Str. 2, 37213 Witzenhausen
Tel.: 05542/1864, Fax: 05542/72560
E-Mail: info@g-e-h.de
Internet: www.g-e-h.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2018

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