Vogelschutz - 3/2010
Magazin für Arten- und Biotopschutz
Insekten-Vielfalt auf den LBV-Flächen
Von Dr. Gisela Merkel-Wallner
Im Gegenlicht: der Sumpfwiesen-Perlmuttfalter (Boloria selene) ist auf den
LBV-Flächen in Haunstein, Arnbruck und an der Ritzmaisersäge zu finden
Foto: © Dr. E. Pfeuffer
Wir haben das Jahr der Biodiversität, und da bietet es sich an, einmal einen genaueren Blick auf die Insekten auf unseren LBV-Eigentumsflächen zu werfen.
Untersuchungen, die in den letzten Jahren in Niederbayern durchgeführt wurden, zeigen eindrucksvoll: jede LBV-Fläche ist ein Schatzkästchen der Artenvielfalt.
Unsere Landschaften unterliegen immer stärker den verschiedensten Nutzungen. Landverbrauch für Siedlungen, Gewerbegebiete und Straßenbau ist die eine Seite dieses Problems, auf der anderen Seite verstärkt die moderne Landwirtschaft mit intensivem Düngereinsatz und zunehmendem Ackerbau die Situation. Extensiv genutzte, magere Offenlandflächen werden immer seltener. Aber gerade auf den mageren, kaum oder gar nicht genutzten Flächen findet sich die größte Vielfalt an Pflanzen und Tieren. Seit vielen Jahren kauft der LBV ökologisch wertvolle Flächen, um wenigstens punktuell diese Vielfalt zu sichern.
Bei Insekten denkt man meistens zuerst an Tagfalter, Heuschrecken, Libellen, evtl. noch an Wildbienen und Käfer. Dies sind die auffälligsten Artengruppen, unter denen sich auch die attraktivsten Arten finden. Daneben gibt es aber auch eine Anzahl kleiner, unauffälliger und wenig bekannter Arten und Artengruppen, die aber für eine intakte Lebensgemeinschaft ebenso wichtig sind. Hierzu gehören z.B. Wanzen und Zikaden, aber auch die große Gruppe der Fliegen und Mücken. Intensiver untersucht wurden aus dieser letzten Gruppe die Schwebfliegen, die eine überaus attraktive und vielfältige Fliegenfamilie darstellen. Um einen kleinen Einblick in die Artenfülle zu bekommen, hier einige Zahlen. In den letzten 10 Jahren wurden auf LBV-Flächen 878 Schmetter lingsarten (Tagfalter, Nachtfalter, Kleinschmetterlinge), 289 Fliegen-, 125 Käfer-, 42 Libellen- und 38 Heuschreckenarten festgestellt. Das sind nur die Arten, die bisher gefunden und bestimmt werden konnten. Es leben dort aber mit Sicherheit noch weit mehr Insektenarten.
Bei den Käfern sind unsere Kenntnisse über die LBV-Flächen noch lückenhaft. Dennoch sind einige äußerst seltene Arten z.B. aus dem Rainer Wald bekannt. Hier kommen die stark gefährdeten Arten Hirschkäfer, Großer Goldkäfer und Schulterfleckiger Widderbock vor. Ein attraktiver, wenn auch nicht ganz so seltener Vertreter der Bockkäfer ist der Moschusbock, dessen Larven in Weidenholz leben. Interessant ist das gehäufte Auftreten des Trauerrosenkäfers in der Gundelau bei Deggendorf (Niederalteich) und im Zellertal bei Arnbruck. Diese Art, die bisher als sehr selten und wärmeliebend galt, macht in den letzten Jahren eine massive Ausbreitung durch. Auch in den kühleren Lagen des Bayerischen Waldes, wie z.B. im Zellertal, ist sie mittlerweile anzutreffen.
Auf allen LBV-Flächen findet sich eine reiche Tagfalterfauna. 33 verschiedene Arten wurden in Niederbayern in den letzten zwei Jahren nachgewiesen. Dabei ist bei einem Besuch der Flächen auch die hohe Individuendichte auffällig, die augenfällig macht, welche Insektendichte sich auf ungestörten Biotopen entwickeln kann.
Moschusbockkäfer Aromia moschata
Foto: © Dr. Chr. Moning
Auf unseren Flächen finden sich z.B. Rote-Liste-Arten wie Magerrasen-, Mädesüß- und Sumpfwiesen-Perlmuttfalter. Darüber hinaus sind z.B. aus dem Rainer Wald bis jetzt 217 Nachtfalter und Kleinschmetterlinge bekannt. Darunter befinden sich der attraktive Stachelbeerspanner oder der Weidenbohrer, beides mittlerweile seltene Arten der Auwälder. In den Bohrgängen des Weidenbohres finden sich übrigens gerne holzbewohnende Schwebfliegenlarven (z.B. von Ferdinandea sp.) als Nachmieter ein - ein Beispiel, wie die Lebensgemeinschaften der Insekten voneinander abhängen können.
Schwebfliegen sind hervorragende Indikatoren für verschiedene Biotopstrukturen und können zur ökologischen Bewertung herangezogen werden. Neben den Arten, bei denen die Larven Blattläuse fressen, gibt es auch zahlreiche Arten, bei denen die Larven in Totholz, in verrottenden Pflanzenteilen oder minierend in Pflanzen leben. Allein in den letzten zwei Jahren wurden auf den niederbayerischen LBV-Flächen 204 verschiedene Schwebfliegenarten nachgewiesen, von denen sich 68 in der Roten Liste wiederfinden. Darunter z.B. Anasimyia interpuncta, deren Larven in feuchter Erde leben. Daneben wurden drei weitere Arten dieser Gattung, alle selten und gefährdet, nachgewiesen. Sie alle brauchen ungestörte Feuchtbiotope und sind u.a. im Rainer Wald, in den Steinacher Mooswiesen bei Straubing, der Gundelau bei Deggendorf und einer Kiesgrube in der Nähe von Dingolfing zu finden. Der Rainer Wald ist z.B. auch Lebensraum zahlreicher holzbewohnender Arten. Eine von ihnen ist die hübsche Xylota sylvarum, die sich nicht selten auf Blättern im Halbschatten aufhält. Diese holzbewohnenden Arten sind Qualitätszeiger für strukturreiche Waldgebiete, in denen Totholz in verschiedener Ausprägung belassen wird -stehend und liegend, trocken oder im Wasser liegend.
Westliche Keiljungfer Gomphus pulchellus a
Foto: © Dr. G. Merkel-Wallner
Natürlich sind unsere Flächen auch Lebensräume für zahlreiche Libellen und Heuschrecken. Z.B. kann man im Rainer Wald der seltenen Westlichen Keiljungfer begegnen, aber auch die hübschen Gebänderten Prachtlibellen sitzen gerne auf Zweigen entlang der Wege. In der Gundelau bei Deggendorf und einer Kiesgrube bei Dingolfing lebt die wärmeliebende Sichelschrecke, die hochgrasige, wenig genutzte Lebensräume benötigt. Diese LBV-Flächen sind ideale Biotope für diese Art.
Hier kann nur ein kleiner Einblick in die Insektenvielfalt unserer LBV-Flächen gegeben werden. Es lohnt sich aber bei allen unseren Eigentums- und Pachtflächen, auch in anderen Teilen Bayerns, genauer hinzusehen und uns an der bunten, interessanten Insektenwelt zu erfreuen
Die Autorin
Dr. Gisela Merkel-Wallner
Diplom-Biologin
Mitglied des LBV-Landesvorstandes
Chefredakteurin des Vogelschutz
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Quelle:
Vogelschutz - 3/2010, S. 12-15
Magazin für Arten- und Biotopschutz
Herausgeber:
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Verband für Arten- und Biotopschutz
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und erscheint vierteljährlich
veröffentlicht im Schattenblick zum 20. September 2010