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FORSCHUNG/242: Reptilienhandel transparent machen (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter März 2016

Reptilienhandel transparent machen

Von Kerstin Viering


Der Handel mit Schlangen, Echsen und Schildkröten ist ein lukratives Geschäft. Der UFZ-Biologe Mark Auliya erforscht seit vielen Jahren die Auswirkungen des Reptilienhandels. Er verfolgt als Experte und Berater die Vertragsstaatenkonferenzen des Washingtoner Artenschutzübereinkommens CITES. Und er entwickelt - finanziert über ein Projekt von Louis Vuitton Moët Hennessy - in enger Zusammenarbeit mit dem "WildGenes"-Labor der "Royal Zoological Society of Scotland" im Namen von "Trace Wildlife Forensics Network" und anderen Interessengruppen genetische Methoden mit dem Ziel, der Herkunft der Reptilien und Handelswegen auf die Spur zu kommen.


Prominenz kann gefährlich werden. Diese Erfahrung muss seit kurzem auch der Borneo-Taubwaran Lanthanotus borneensis machen. Lange hatte sich kaum jemand für das unscheinbare braune Reptil interessiert, das unterirdisch im Nordwesten Borneos lebt. In der gesamten Zeit zwischen seiner Entdeckung 1877 und dem Jahr 2000 wurden vielleicht hundert Exemplare gefangen.

Nun aber ist die seltene Art ins Visier von Reptilienhändlern geraten. "In Deutschland, Japan und den USA zahlen einige Sammler inzwischen Tausende von Euro, um sich eine solche Rarität in ihr Terrarium zu holen", sagt Dr. Mark Auliya vom UFZ. Der Biologe erforscht die Auswirkungen des Handels auf die Bestände von Reptilien. Dabei agiert er nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch als Berater von Zollbehörden an Flughäfen, die seine Expertise immer dann zurate ziehen, wenn wieder einmal ein exotisches lebendes Exemplar oder ein Produkt aus Reptilleder beschlagnahmt wurde und niemand so richtig weiß, um welche Art es sich handelt und ob seine Einfuhr legal oder illegal ist. Und diese Anrufe werden mehr, denn seltene Reptilien zu halten, ist derzeit in. Deshalb ist er sich auch ziemlich sicher, dass dem Taubwaran seine neue Popularität nicht gut bekommen wird.

Einen Hoffnungsschimmer könnte allerdings die nächste Vertragsstaatenkonferenz des Washingtoner Artenschutzübereinkommens CITES bieten, die im September 2016 im südafrikanischen Johannesburg stattfindet.

Wie immer wird es dort langwierige Diskussionen über die Anhänge dieses Regelwerkes geben. Denn die legen fest, für welche Tiere und Pflanzen welche Handelsbeschränkungen gelten. So sind in Anhang I mehr als 900 akut vom Aussterben bedrohte Arten aufgelistet, die überhaupt nicht mehr zu kommerziellen Zwecken ein- und ausgeführt werden dürfen. Für diese strengste Schutzkategorie ist auch der Borneo-Taubwaran im Gespräch. Im Anhang II sind zudem mehr als 34.000 Arten aufgeführt, deren Handel nur mit speziellen Dokumenten legal ist. Mit Zweidrittelmehrheit kann die Vertragsstaatenkonferenz Tiere und Pflanzen neu in das Regelwerk aufnehmen oder sie wieder streichen. Manchmal werden auch Arten von einem Anhang in den anderen versetzt.

Das lukrative Geschäft mit Reptilien

Mark Auliya ist sehr gespannt, was sich da im Bereich der Reptilien tun wird. Denn gerade bei dieser Tiergruppe sieht er noch einige Lücken im Schutzschild gegen den Ausverkauf der Natur. Schließlich ist der Handel mit Schlangen, Echsen, Schildkröten und Co. ein lukratives Geschäft. Zwischen 2004 und 2014 hat die EU fast 21 Millionen lebende Reptilien importiert, dazu kommt noch der Handel mit Häuten, die zu Handtaschen, Schuhen oder Gürteln verarbeitet werden. Angesichts der anhaltenden großen Nachfrage drohen die Bestände vieler Arten zu schrumpfen. "Trotzdem stehen bisher nur etwa zehn Prozent der mehr als 10.200 Reptilienarten auf den CITES-Anhängen", sagt der Forscher. Der große Rest darf prinzipiell frei gehandelt werden. Selbst die im Abkommen erfassten Arten aber sind damit noch keineswegs in Sicherheit. So versuchen Geschäftemacher immer wieder, die bestehenden Vorschriften zu umgehen. Mal werden Wildfänge in den CITES-Papieren zu Farmtieren umdeklariert, mal gibt man ein falsches Herkunftsgebiet an, um regionale Fangbeschränkungen auszuhebeln.

Gemeinsam mit Kollegen vom "WildGenes Laboratory" der "Royal Zoological Society of Scotland" versucht Mark Auliya, zumindest für einige Arten etwas mehr Licht ins Dunkel der verschlungenen Handelswege zu bringen. Dabei konzentriert er sich derzeit auf die beiden größten Riesenschlangen Asiens, den Netzpython Malayopython reticulatus und den Dunklen Tigerpython Python bivittatus. Beide Arten stehen auf dem CITES-Anhang II und sind vor allem als Lederlieferanten für die Modeindustrie beliebt. Allein zwischen 1995 und 2013 haben Indonesien, Malaysia und Vietnam fast 6,4 Millionen Netzpython-Häute in die EU exportiert, zahlreiche weitere landeten auf dem japanischen und dem US-amerikanischen Markt.

Angesichts dieser Mengen fürchten Artenschützer um die Stabilität der Bestände. Schließlich handelt es sich in den allermeisten Fällen um Wildfänge, nur Vietnam führt seit Jahren angebliche Zuchttiere aus. "Da besteht aber der Verdacht, dass es sich größtenteils um Pythons aus der freien Natur handelt", sagt Mark Auliya. Anders als etwa bei Krokodilen gestaltet sich die kommerzielle Nachzucht von Riesenschlangen schwierig.

Wegen seiner weiten Verbreitung in großen Teilen Südostasiens hat die Weltnaturschutzunion IUCN den Netzpython bisher zwar nicht auf die Rote Liste der bedrohten Arten aufgenommen. Allerdings weiß niemand so genau, wie groß die Populationen tatsächlich sind und ob sie nicht vielleicht bedenklich schrumpfen. "In einigen Regionen gibt es bereits Hinweise darauf", sagt der UFZ-Forscher. So kämpfen die Reisbauern auf Java mit einer starken Zunahme von Nagetieren. Immer mehr Ratten fallen in die Plantagen ein, weil deren natürliche Feinde wie Pythons, Speikobras und Rattennattern seltener geworden sind. Und im Westen Borneos mussten die Händler bereits Ende der 1990er Jahre ihre Fanggebiete vergrößern, um ihre jährliche Fangquote zu erreichen.

"Der Häutehandel kann also durchaus Populationen von ökologisch sehr flexiblen Arten dezimieren", betont Mark Auliya. Auch Populationen, die bisher noch gar nicht wissenschaftlich beschrieben sind. Das lässt sich allerdings nur beurteilen, wenn man das Erbgut von Netzpythons aus verschiedenen Regionen untersucht. Genau das ist das Ziel des von Louis Vuitton Moët Hennessy (LVMH) finanzierten Projekts "Population genetics and their forensic applications to the reticulated python (Malayopython reticulatus ssp.) and the Burmese python (Python bivittatus ssp.) involved in the commercial skin trade in Southeast Asia", an dem Mark Auliya und seine Kollegen seit knapp drei Jahren arbeiten.

Mit genetischen Tests auf der Spur von Handelswegen

Die erste Herausforderung war dabei, Gewebeproben von Pythons verschiedener Herkunft zusammenzutragen. Das ist eine aufwendige Angelegenheit, zumal auch Wissenschaftler für die Arbeit mit CITES-Arten Genehmigungen brauchen. Etwa 140 Proben sind über Museen, Züchter, Händler, Tierärzte und Freilandforscher bereits zusammengekommen, aus denen die Forscher DNA extrahieren konnten. Konzentriert haben sie sich dabei zunächst auf einen Abschnitt im Erbgut der Mitochondrien, die in den Zellen für die Energiegewinnung zuständig sind. Diese Sequenz enthält Informationen für die Bildung von Cytochrom b, einem Protein, dessen Gene den Wissenschaftlern Informationen zu genetischen Unterschieden zwischen verschiedenen Python-Populationen liefern.

In etlichen Fällen gibt es bereits interessante Ergebnisse. "Wir sehen zum Beispiel ganz klare Unterschiede zwischen Tieren von den Philippinen und solchen von den Großen Sundainseln Borneo, Sumatra und Java, die zuvor so nicht bekannt waren", berichtet Mark Auliya. Zudem lassen sich mit anderen Methoden, zum Beispiel der Mikrosatellitenanalyse, wohl auch Pythons aus Borneo von ihren Verwandten aus Singapur und dem angrenzenden West-Malaysia unterscheiden. Und auch die Population auf den östlichen Molukken scheint ihre genetischen Eigenarten zu haben.


DNA-ANALYSEN VON NETZPYTHONS

Mit genetischen Untersuchungen von Mikrosatelliten, einer Abfolge sich wiederholender DNA-Sequenzen, wurde anhand von Gewebeproben des Netzpythons Malayopython reticulatus erstmals deutlich, dass es innerhalb der Sundalandpopulationen (das sind die heutigen Inseln Borneo, Sumatra, Java, Palawan und weitere kleinere Inseln Südostasiens genetische Unterschiede gibt. Jeder Punkt in dieser Hauptkomponentenanalyse entspricht einem Individuum (N=72). Die genetische Ähnlichkeit wird durch die Nähe der Farbellipsen zueinander dargestellt. Demnach sind Populationen von Singapur und Borneo näher miteinander verwandt als mit Populationen der Philippinen.

Abbildungen der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht.


Diese Erkenntnisse sollen zum einen dazu beitragen, die genetische Vielfalt der Pythons nachhaltig zu schützen. "Wenn die Tiere einer bestimmten Region ein ganz eigenes Erbgut haben, muss diese Population gesondert gemanagt werden", erklärt Mark Auliya. Dazu könne man zum Beispiel angepasste Fang- und Exportquoten festsetzen oder gegebenenfalls ein Handelsverbot verhängen.

Zum anderen können die genetischen Untersuchungen aber auch helfen, die Angaben der Export- oder Ursprungsländer in den CITES-Papieren zu überprüfen - also zum Beispiel festzustellen, ob die importierten Häute tatsächlich wie angegeben aus dem indonesischen Teil Borneos stammen oder aus irgendwelchen dunklen Quellen. Die Modeindustrie hat nach wie vor großes Interesse daran, die Herkunft der verarbeiteten Häute rückverfolgen zu können ("traceability"). Deshalb ist Mark Auliya auch optimistisch, dass das Python-Projekt mit Louis Vuitton, dessen Finanzierung in diesen Tagen ausläuft, verlängert wird. Auch Kooperationen mit anderen Interessengruppen, etwa solchen, die Markierungsmethoden für Häute entwickeln, um diese auf ihren Handelswegen überwachen zu können, könnten seiner Meinung nach sinnvolle Synergien ergeben und sind im Entstehen. An offenen Fragen, die der Forscher gern beantworten möchte, mangelt es jedenfalls nicht. Gern würde er zum Beispiel weitere genetische Proben analysieren, um eine endgültige Aussage über die Netzpythons des gesamten südostasiatischen Raumes machen zu können. Zudem möchte er in einem ähnlichen Projekt das Erbgut des Bindenwarans Varanus salvator untersuchen, dessen Häute, die ausschließlich von Wildfängen stammen, ebenfalls zu Hunderttausenden pro Jahr aus Südostasien exportiert werden. Und eines Tages hofft er, nicht nur Reptilien aus verschiedenen Regionen unterscheiden zu können, sondern auch Wildfänge von Zuchttieren.

Einen Ansatzpunkt dafür haben er und seine Kollegen bereits gefunden. Sie nutzen dabei die Tatsache, dass es von Kohlenstoff, Stickstoff und Wasserstoff jeweils verschieden schwere Varianten gibt. Im Kot von Tieren finden sich C- und N-Isotope je nach Nahrung in unterschiedlichem Verhältnis. "Bei Riesenschlangen zeigen solche Isotopenanalysen, von welchen Pflanzen sich ihre Beutetiere ernährt haben", erklärt Mark Auliya. Hat eine Schlange zum Beispiel mit Pellets gefütterte Ratten verspeist, stammt sie wahrscheinlich aus einer Zuchtstation. Bestand das Menü aus Nagetierarten, die sich von Reispflanzen ernährt haben, war der Python wohl auf einer Plantage zuhause. Und eine besonders abwechslungsreiche Ernährung deutet auf einen naturnahen Lebensraum hin. Bis die Forscher eine solche Einschätzung zuverlässig treffen können, wird es allerdings noch dauern. Denn um herauszufinden, welche Isotopenverhältnisse für welchen Lebensstil typisch sind, brauchen sie zunächst eine große Vergleichsdatenbank. Dann könnten auch die Kotanalysen helfen, das Leben der Reptilien sicherer zu machen.

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REPTILIENEXPERTE UND BERATER

Dr. Mark Auliya beschäftigt sich seit nunmehr 20 Jahren mit dem internationalen Artenschutz (an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik) und ist deshalb gefragter Experte zu Fragen des Wildtierhandels mit Fokus auf die Reptilien Südostasiens. Das belegen u.die Mitgliedschaften in den zahlreichen Arbeitsgruppen der Weltnaturschutzunion IUCN sowie beratende Tätigkeiten.

IUCN SSC Mitgliedschaften in "Specialist Groups" (SG)
  • Crocodile SG und AG des Sunda-Gavials, Tomistoma Task Force
  • Tortoise and Freshwater Turtle SG
  • Sea snake SG
  • Boa and Python SG (Red List Authority)
  • Monitor Lizard SG Co-Vorsitz
Beratende Funktionen
  • Sachverständiger für das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) des BMU - Sachgebiete Amphibien und Reptilien
  • Referent für Zoll-Lehrveranstaltungen (national, international)
  • Protagonist in Fernsehdokumentationen (national, international)



UFZ-Ansprechpartner:
Dr. Mark Auliya
UFZ-Dept. Naturschutzforschung
e-mail: mark.auliya@ufz.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Der Netzpython Malayopython reticulatus gehört zu den größten Riesenschlangen Asiens. Sie ist vor allem als Lederlieferant für die Modeindustrie beliebt.

- Viele Schlangen enden als Handtaschen oder Schuhe. Um möglichst hochwertiges Leder zu gewinnen, werden die Netzpythons zur Häutung aufgehängt.

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Quelle:
UFZ-Newsletter März 2016, Seite 6 - 8
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. April 2016

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