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FORSCHUNG/211: Die Wolfskommissarin - Was DNA-Spuren über Deutschlands wilde Tiere verraten (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 4/14
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Die Wolfskommissarin
Was DNA-Spuren über Deutschlands wilde Tiere verraten

Von Nele Rißmann



Das Schwarz-weiß-Foto über dem Schreibtisch zeigt eine junge Frau, blond und schlank, die einen Wolf streichelt. Angst habe sie keine gehabt, sagt Verena Harms. Gemeinsam mit einem Wolfsforscher hatte sie vor einigen Jahren Gelegenheit, dem jungen Tier in einem Wildpark in Niedersachsen ganz nahe zu kommen.

Verena Harms ist Wissenschaftlerin im Fachgebiet Naturschutzgenetik am Senckenberg-Forschungsinstitut in Gelnhausen. "Die Tiere überraschen mich immer wieder", erzählt die Expertin in Sachen Wolfs-DNA, die außerdem Hundeliebhaberin und stolze Besitzerin eines Mischlings ist. "Am meisten fasziniert mich ihre Mobilität". Bestes Beispiel sei, so Harms, der Fall eines in Dänemark aufgefundenen Wolfes. Die Forscher nahmen eigentlich an, dass das Tier aus einem deutschen Rudel über die Grenze gekommen war. Doch da lagen sie falsch: Die Erbgut-Untersuchung ergab, dass der Wolf ursprünglich aus dem Baltikum stammte und in kurzer Zeit die weite Strecke bis nach Dänemark gelaufen war.

Herkunft und Verwandtschaft

Aus Cuxhaven stammend, studierte Harms an der Philipps-Universität in Marburg Biologie mit den Schwerpunkten Ökologie, Zoologie und Naturschutz. Seit Mai 2010 arbeitet sie am genetischen Monitoring des Wolfes in Deutschland, das gleichzeitig Grundlage für ihre Doktorarbeit ist. Einen typischen Wochenablauf gebe es nicht, meint die 34-Jährige. Neben der Arbeit im Labor verbringe sie häufig Zeit am Computer, um die Rohdaten auszuwerten. Doch auch Wolfsberater müssen von Zeit zu Zeit geschult werden und auch da kann die Biologin weiterhelfen.

Im Auftrag des Bundesamts für Naturschutz ist das Senckenberg-Institut seit 2009 das Referenzzentrum für Wolfsgenetik in Deutschland. Auch Spuren von Luchsen und anderen Wildtieren werden hier untersucht. Durch ein bundesweites Monitoring erhält das Institut in unregelmäßigen Abständen Kot-, Haar-, Blut-, Speichel- und Gewebeproben.

Rückkehr aus dem Osten

Über Jahrtausende standen Wolf, Luchs und Bär neben dem Menschen an der Spitze der Nahrungsnetze in Europa. Diese Konkurrenz ist den Raubtieren nicht bekommen, sie wurden bis zur Ausrottung verfolgt. Doch im Jahr 2000 wurden in Deutschland zum ersten Mal seit 150 Jahren wieder Wolfswelpen von einer in Freiheit lebenden Wölfin geboren. Dies war der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die schon ab Mitte des letzten Jahrhunderts mit vereinzelt einwandernden Wölfen aus den östlichen Nachbarländern begann.

Ohne menschliche Hilfe fand der Wolf zurück nach Deutschland und hat sich über Polen von der Sächsischen und Brandenburgischen Lausitz ausgehend in der Republik ausgebreitet.

"Mit unserer Arbeit tragen wir zu mehr Verständnis bei", betont Verena Harms. "Denn mit den DNA-Proben können wir belegen, dass Deutschlands Wölfe nicht bei uns angesiedelt wurden, sondern dass sie auf natürlichem Weg zurückgekehrt sind", erklärt die Wissenschaftlerin.

Nutztierschäden erstatten

In enger Abstimmung mit Wissenschaftlern des Senckenberg-Standorts Görlitz, den Länderbehörden und dem Wildbiologischen Büro LUPUS werden in Gelnhausen Analysen durchgeführt, die sich langsam aber sicher zu einem umfassenden Bild zusammenfügen. Die Analysen liefern präzise Daten zu Rudel-Strukturen, Wanderbewegungen und zur eventuellen Vermischung (Hybridisierung) der deutschen Wölfe. Dabei ergaben die Untersuchungen, dass nach einem bereits bekannten Fall einer Vermischung von Haushund und Wolf keine weiteren Wolfs-Hund-Hybriden mehr auftraten. Außerdem konnten die Forscher mithilfe der Daten dem Ursprung der meisten westdeutschen Wölfe auf die Schliche kommen.

"Wenn eine Art wie der Wolf, die einmal in Deutschland heimisch war, von ganz allein zurückkehrt, dann ist es ein Zeichen dafür, dass sie zu uns gehört."

Doch es geht nicht nur um die Herkünfte und Verwandschaftsbeziehungen der Wölfe. Oft ist zunächst einmal zu klären, ob Spuren überhaupt von Wölfen stammen. Besonders schnell muss es gehen wenn Schafe, Kühe oder andere Tiere scheinbar einem Wolf zum Opfer gefallen sind, erzählt Harms. Denn die Bundesländer ersetzen Nutztierschäden und die Tierhalter üben häufig großen Druck auf die Behörden aus. An dieser Stelle kann das Institut aufklären: "Für das Bearbeiten einer Probe brauchen wir im Idealfall fünf Tage, um ausschließen zu können, dass nicht etwa ein anderes Tier, sondern tatsächlich ein Wolf für den Riss verantwortlich war", erklärt Verena Harms.

Wölfe willkommen heißen

Ihre Arbeit erinnere dabei fast an die einer Kommissarin. Dann müssen Speichelproben vom gerissenen Tier entnommen werden. "Die Analyse einer Speichelprobe ist besonders heikel", erklärt Harms. Denn diese seien im Vergleich zu anderen am schwierigsten zu untersuchen und außerdem nicht länger als 48 Stunden haltbar. Die Probe wird zunächst an die zuständige Fachbehörde geschickt und anschließend dem Institut übermittelt. Die DNA muss dort extrahiert, vervielfältigt und sichtbar gemacht werden. Das "Standard-Paket" kostet 225 Euro, damit werden sowohl die Art wie auch das Individuum identifiziert.

Die Wissenschaftlerin hofft, dass die Wiederbesiedlung Deutschlands weiter voranschreitet und ist optimistisch, solange keine Maßnahmen unternommen werden, die Wölfe erneut auszurotten. "Wenn eine Art, die einmal in Deutschland heimisch war, von ganz allein zurückkehrt, dann ist es ein Zeichen dafür, dass sie zu uns gehört", findet Harms.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Wolf oder nicht Wolf, und wenn ja: woher und mit wem verwandt? Beim Senckenberg-Institut werden Gewebe-, Kot- und Speichelproben so aufbereitet, dass anschließend die Erbsubstanz der Tiere analysiert und verglichen werden kann.

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 4/14, Seite 12 + 14
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2014