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AKTION/175: Niedersachsen ist Spatzenland (NABU NI)


NABU Landesverband Niedersachsen - Hannover, 2. Juni 2014

Mehr Vögel in Dörfern und Städten - Niedersachsen ist Spatzenland

Ergebnisse der Stunde der Gartenvögel 2014



Hannover - Seit 12 Jahren beobachten und zählen niedersachsenweit Naturinteressierte die Vogelwelt. Jetzt liegen nicht nur die Ergebnisse der Stunde der Gartenvögel 2014 vor, sondern die Zahlen erlauben auch einen längeren Rückblick auf Entwicklungen und Trends. Für Niedersachsen steht auf jeden Fall fest, dass der 'Dreckspatz' auch in diesem Jahr wieder das Rennen gemacht hat: Während Berlin die Hauptstadt der Spatzen ist, ist Niedersachsen 'das Spatzenland', während man sich um andere Arten aber Gedanken machen muss.

Bei der diesjährigen Stunde der Gartenvögel wurden in Niedersachsen knapp 108.000 Vögel in über 2.800 Gärten beobachtet. Im gesamten Bundesland beteiligten sich 5.000 Naturfreunde an der Mitmachaktion im Namen der Bürgerwissenschaft ("Citizen Science"). Am Spatz kommt in Niedersachsen keiner vorbei. Auch bei der zwölften Auflage der NABU-Vogelzählung, der ,Stunde der Gartenvögel' in Niedersachsen, liegt der Seriensieger Haussperling erneut vor allen anderen Arten mit landesweit über fünf beobachteten Exemplaren pro Garten.

Auf den weiteren Spitzenplätzen hat sich nicht viel getan: Die vier bisherigen Spitzenreiter Haussperling, Amsel, Kohl- und Blaumeise aus dem Jahr 2013 bleiben auch in diesem Jahr auf dem Siegertreppchen. Ihre Bestände bleiben fast unverändert.

Nach zehn Aktionsjahren bundesweit zeigen sich nun erste langfristige Trends auch für Niedersachsen: "Immer mehr Vogelarten zieht es aus der freien Landschaft in Dörfer und Städte", erklärt Dr. Holger Buschmann, NABU-Landesvorsitzender Niedersachsen. Am Beispiel des Feldsperlings lasse sich beobachten, dass typische Feldvögel vermehrt im Siedlungsbereich auftauchten. Dies deute darauf hin, dass ihre Lebensbedingungen in der Agrarlandschaft immer schlechter würden.

Der ländliche Vetter des Haussperlings nimmt im Agrarland ab, in Städten und Dörfern dagegen konstant zu. Lag der Feldsperling im Jahr 2006 mit durchschnittlich 0,21 gezählten Vögeln pro Garten auf Platz 22 der am häufigsten beobachteten Vögel in Niedersachsen, so steigerte er sich bis 2014 kontinuierlich auf Platz 11 mit durchschnittlich 1,05 gezählten Vögeln pro Garten. Dies unterstreicht die wachsende Bedeutung von Gärten und Parks als Rückzugsgebiete für die Natur. "Um den Feldvögeln im Siedlungsbereich zu helfen, sollten alle Naturfreunde ihre Gärten naturnah gestalten und auf den Einsatz von Giften verzichten", so Dr. Buschmann. Naturnahe Gärten stellten wichtige Lebensräume für viele Vogelarten dar, die in der ausgeräumten Agrarlandschaft kaum noch ein Auskommen fänden.

Mit Besorgnis beobachtet der NABU Niedersachsen den anhaltenden Negativtrend bei den Mehl- und Rauchschwalben. In diesem Jahr belegen die hübschen Segler mit dem gegabelten Schwanz nur Platz 18. Im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von 14 Prozent (bezogen auf beobachtete Vögel/je Garten). Bei den Mehlschwalben (Platz 13) beträgt der Rückgang landesweit sogar 19 Prozent. Um unseren heimischen Schwalben unter die Flügel zu greifen hat der NABU Niedersachsen die Aktion "Schwalben willkommen!" ins Leben gerufen. Naturfreunde, die aktiv Mehl- und Rauchschwalben unterstützen, bzw. die damit einhergehenden Unannehmlichkeiten, wie z.B. bekotete Fassaden tolerieren, erhalten vom NABU als Dank eine Urkunde und eine Plakette für die Hauswand.

Vor dem Hintergrund der immer wieder aufflammenden Diskussion um den zigtausendfachen Abschuss von Rabenvögeln, hat der NABU die Zählergebnisse bei Rabenkrähe und Elster besonders aufmerksam beobachtet. "Auch wenn immer wieder behauptet wird, dass diese Vögel 'überhand nehmen' und deshalb der Abschuss notwendig sei: Die diesjährige 'Stunde der Gartenvögel' zeigt einmal mehr, dass das ein Mythos ist. Die gemeldeten Beobachtungen pro Garten von Elster und Rabenkrähe sind über die Jahre stabil, wenn auch die absoluten Meldungen bei der Rabenkrähe für dieses Jahr etwas gestiegen sind", erklärt der NABU. Dass sich Elstern und Krähen in unseren Siedlungen wohl fühlen, führt der NABU auf das Angeboten zurück, dass sie dort erwartet: hohe Fichten und Birken als Brutplätze sowie kurz geschorene Rasenflächen, Komposthäufen und Abfälle als Nahrungsquellen machen Siedlungen für diese Vogelarten besonders attraktiv.

Der NABU Niedersachsen bedankt sich bei allen Teilnehmern der Gartenvogelzählung. Genauere Auswertungen sind über die interaktive Karte auf [1] möglich. Diese interaktive Karte stellt dar, wie sich eine Vogelart in einem ausgesuchten Landkreis entwickelt hat.


HINTERGRUND
NABU und LBV: Immer mehr Vögel zieht es vom Land in die Stadt

Berlin - Stadtpark statt Wiese und Hausgarten statt Feldflur: Immer mehr Vogelarten zieht es aus der freien Landschaft in Dörfer und Städte. Dies zeigt die diesjährige "Stunde der Gartenvögel", an der 39.600 Naturfreunde aus ganz Deutschland teilnahmen. Für die gemeinsame Aktion des NABU und seines bayerischen Partners, dem Landesbund für Vogelschutz (LBV), beobachteten und registrierten sie eine Stunde lang die Vögel in Gärten und Parks. Die "Stunde der Gartenvögel" fand bundesweit zum zehnten Mal statt. Bei insgesamt mehr als 930.000 gemeldeten Vögeln landete wie in den Vorjahren der Haussperling auf Platz eins, gefolgt von Amsel, Kohlmeise, Blaumeise und Star.
"Unsere Aktion ermöglicht es, zuverlässige und deutschlandweit flächendeckende Zahlen zur Bestandsentwicklung von Vogelarten im Siedlungsraum zu sammeln", erläutert NABU-Vogelexperte Lars Lachmann. Nach dem Prinzip der "Citizen Science" schlüpfen Vogelfreunde und Naturliebhaber in eine Forscherrolle und tragen gemeinsam große Datenmengen zusammen, die einen wichtigen wissenschaftlichen Beitrag leisten. Die Ergebnisse bieten Vergleichsmöglichkeiten mit den Vorjahren sowie zwischen den Vogelarten und den verschiedenen Regionen des Landes.
Insgesamt überwiegen bei den Gartenvögeln die positiven Entwicklungen. Bei den 50 häufigsten Gartenvögeln stehen im Zehnjahresvergleich fünf abnehmenden Arten 22 zunehmende Arten gegenüber, die übrigen 23 Arten sind stabil. Die Zunahmen im Siedlungsraum stehen oft im starken Gegensatz zu den Rückgängen in anderen Lebensräumen. Dies unterstreicht die wachsende Bedeutung unserer Gärten und Parks als Rückzugsgebiete für die Natur. "Das Paradebeispiel hierfür ist der Feldsperling. Der ländliche Vetter des Haussperlings nimmt im Agrarland ab, in Städten und Dörfern dagegen konstant zu. 2014 gab es hier beinahe fünfmal so viele Feldsperlinge wie 2006. Damit konnte der Feldsperling erstmals einen Platz unter den Top10 der häufigsten Gartenvögel erobern", so Lachmann.
Doch auch im Siedlungsraum gibt es Sorgenkinder. Besonders gravierend sind die Rückgänge bei Mehlschwalben und Mauerseglern, die in diesem Jahr mit Abstand ihre niedrigsten Werte erreichten. Damit setzen sich die Trends der vergangenen Jahre fort. "Bei beiden Arten haben wir jetzt nur noch 58 Prozent des Bestandes von 2006", warnt Lachmann. Grund dafür sind fehlende Nistmöglichkeiten an modernen oder sanierten Gebäuden, ein Rückgang von Fluginsekten als Nahrung und die Auswirkungen des Klimawandels auf die komplexen Wanderungen dieser Arten nach Afrika und zurück. Mauersegler und Mehlschwalbe könnte man durch sinnvolle Planung von Renovierungsarbeiten und Neubauten sowie durch den Einbau von Nistmöglichkeiten oder das Anbringen von Nisthilfen vergleichsweise einfach helfen.
Ein historischer Tiefstand ist auch bei der Amsel zu verzeichnen. Seit Beginn der "Stunde der Gartenvögel" vor zehn Jahren setzt sich ihre kontinuierliche Abnahme fort. Die Amsel ist zwar immer noch zweithäufigster Gartenvogel, hat aber in diesem Zeitraum ein Viertel ihres bundesweiten Bestandes verloren. Nur ein kleiner Teil dieser Verluste lässt sich auf das Usutu-Virus zurückführen, das seit 2011 im Rheintal zu einem größeren Amselsterben geführt hat. Noch dramatischer sah es in diesem Jahr beim Grünfinken aus, der gegenüber 2013 einen Einbruch um 27 Prozent erlitt. "Zumindest in einigen Regionen ist dies mit dem vermehrten Auftreten einer Infektion mit einem parasitischen Einzeller erklärbar, die meist im Umfeld von sommerlichen Vogelfütterungen auftritt", sagte Lachmann.

Die nächste große Mitmachaktion ist die "Stunde der Wintervögel" vom 9. bis 11. Januar 2015.


[1] http://niedersachsen.nabu.de/aktionen/sdg/ergebnisse/14847.html

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Quelle:
Pressemitteilung, 02.06.2014
Naturschutz aktuell - NABU Pressedienst
Herausgeber: NABU Niedersachsen, Alleestr. 36, 30167 Hannover
Redaktion: Ulrich Thüre (ViSdP), NABU Pressesprecher
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2014