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ATOM/1260: Kaufrausch - Bund kauft Atommüllager (Strahlentelex)


Strahlentelex mit ElektrosmogReport
Unabhängiger Informationsdienst zu Radioaktivität, Strahlung und Gesundheit
Nr. 730-731 / 31. Jahrgang, 1. Juni 2017 - ISSN 0931-4288

Kaufrausch
Bund kauft Atommülllager

von Thomas Dersee


Nach der Neuordnung der behördlichen Zuständigkeiten für die Endlagerung wärmeentwickelnder, umgangssprachlich als "hochaktiv" bezeichneter radioaktiver Abfälle, fällt in Zukunft auch der Betrieb von atomaren Zwischenlagern in die Verantwortung des Bundes. Darauf machte das Bundesumweltministerium (BMUB) in einer Mitteilung vom 8. Mai 2017 aufmerksam. Und zwar schneller als ursprünglich kommuniziert. Die zu diesem Zweck gegründete Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) mit Hauptsitz in Essen werde zu 100 Prozent in den Besitz des Bundes übergehen. Zu ihrem Geschäftsfeld gehörten künftig nicht nur die zentralen Zwischenlager in Gorleben und Ahaus, die ab dem 1. August 2017 übernommen werden sollen, sondern ab 2019 auch die 12 dezentralen Zwischenlager an den AKW-Standorten. Zudem werde die BGZ in einem weiteren Schritt auch die Verantwortung für die 12 Lager mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen aus dem Betrieb und Rückbau der Atomkraftwerke übernehmen, wird erklärt.

Die BGZ war am 1. März 2017 in Abstimmung mit dem Bundesumweltministerium von der Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS), einem Gemeinschaftsunternehmen der vier großen Atomkonzerne, gegründet worden. Der Bund wird voraussichtlich im August 2017 sämtliche Geschäftsanteile an der BGZ übernehmen - einschließlich der kerntechnischen Einrichtungen an den Standorten in Ahaus und Gorleben. Der Bund als neuer Eigentümer der BGZ will auch das Personal an den Zwischenlagerstandorten in Ahaus und Gorleben (ca. 80 Beschäftigte) sowie zum Teil am Standort Essen (ca. 70 Beschäftigte) übernehmen.

Mit dem "Gesetz zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung" wurden Ende letzten Jahres langfristig die Verantwortlichkeiten für die Stilllegung und den Rückbau der Atomkraftwerke sowie für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle neu geregelt. Die Betreiber der Atomkraftwerke sind nach dem Gesetz für die gesamte Abwicklung und Finanzierung der Bereiche Stilllegung, Rückbau und die fachgerechte Verpackung der radioaktiven Abfälle zuständig. Die Durchführung und Finanzierung der Zwischenund Endlagerung fällt hingegen künftig in die Verantwortung des Bundes.

Die finanziellen Mittel für die Zwischen- und Endlagerung sollen dem Bund von den Betreibern in einem öffentlich rechtlichen Fonds zur Verfügung gestellt werden. Insgesamt sollen derart circa 24 Milliarden Euro in den Fonds fließen. Der Fonds wird den bislang von den Betreibern getragenen Anteil an den Kosten für die Zwischen- und Endlagerung übernehmen, erklärt das BMUB. Kostenschätzungen gehen allerdings von einem vielfach höheren finanziellen Aufwand aus als die von den Betreibern zur Verfügung gestellten 24 Milliarden Euro. Die Mehrkosten wird der Steuerzahler tragen.

Trotzdem wird auch noch ein Kaufpreis für die Übernahme der BGZ durch den Bund bezahlt. Zu dessen Höhe wollten sich Bund und GNS nicht äußern und verwiesen auf noch nicht unterschriebene Verträge, heißt es in einem Bericht der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung.

Endlagersuche durch BGE anstatt durch DBE

Mit dem Verkauf der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe (DBE) endet jetzt ein Geschäftsmodell, das mehr als ein Geschmäckle hatte. Darauf weist die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) in einer Mitteilung vom 16. Mai 2017 hin. Hoffnungen aber, daß sich damit die "Endlagerphilosophie" ändert, hegt die Bürgerinitiative nicht. Denn im Zuge des Verkaufs der DBE-Anteile an den Bund werden die rund 900 DBE-Beschäftigen sämtlich übernommen. Künftig findet die Endlagersuche durch die Bundes-Gesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) statt.

Stück für Stück hatte die Gesellschaft für Nuklear-Service mbH (GNS) - eine Tochter der vier großen Stromkonzerne - die DBE übernommen und hielt am Ende 75 Prozent der Anteile. "Nach der Endlagervorausleistungsverordnung zahlten die Atomstromproduzenten in einen Topf für den Ausbau Gorlebens als nukleares Endlager, also weitgehend schlicht in ihren eigenen", erläutert die BI. Dazu kam eine Gewinngarantie in Höhe von 3,25 Prozent.[1]

"Das war inzestuös", so BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. "Zum Glück ließ sich das Bundesumweltministerium - anders als beim Kauf der GNS-Anteile bei der Zwischenlagerung - nicht noch einmal über den Tisch ziehen. Unsere Forderung in diesem Fall bleibt unverändert: Die Öffentlichkeit hat ein Anrecht darauf zu erfahren, wie hoch diese Kaufsumme war."


[1] Lagerung des eigenen Atommülls mit Gewinngarantie für AKW-Betreiber. Strahlentelex 614615 v. 2.8.2012, S.7,
http://www.strahlentelex.de/Stx_12_614_S07.pdf


Der Artikel ist auf der Website des Strahlentelex zu finden unter
www.strahlentelex.de/Stx_17_730-731_S05.pdf

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Quelle:
Strahlentelex mit ElektrosmogReport, Juni 2017, Seite 5
Herausgeber und Verlag:
Thomas Dersee, Strahlentelex
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Internet: www.strahlentelex.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2017

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