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ATOM/1037: Atommüll - "Irgendwo muss das Zeugs einfach hin" (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 120/1.2014

Atommüll: "Irgendwo muss das Zeugs einfach hin"

Von Dirk Seifert, Energiereferent ROBIN WOOD



Kurz vor dem dritten Jahrestag der mehrfachen Fukushima-Atomkatastrophe: Noch immer sind die Reaktoren nicht unter Kontrolle, gibt es kein Wissen, was im Inneren geschieht, und kann eine erneute Kernschmelze nicht ausgeschlossen werden. Eine Rückkehr der zigtausend evakuierten Menschen in das Unglücksgebiet wird auf viele Jahrzehnte nicht möglich sein.

Derweil in Deutschland? In Jülich schaffen es die Verantwortlichen nicht, ein atomrechtlich vorgeschriebenes Verfahren für die Lagerung von insgesamt 15 Castorbehältern mit hochradioaktiven Kugel-Brennelementen auf den Weg zu bringen: Die rot-grüne Landesregierung verfügt trotz amtlich festgestellter Sicherheitsmängel eine weitere Lagerung per Notverordnung. Weil die Betreiber im stillgelegten AKW Obrigheim vor Ort kein Zwischenlager haben und aus Kostengründen keines bauen wollen, sollen die hochradioaktiven Brennelemente nach Neckarwestheim verfrachtet werden. 15 Castortransporte sind dafür erforderlich. Und weil man für den Kompromiss der "Großkopferten" zur Endlagersuche noch einen Parkplatz für Atommüll aus Frankreich und England braucht, der nicht in Gorleben liegt, soll dieser ins ebenfalls baden-württembergische AKW Philippsburg. Der dortige Bürgermeister ist sauer und kündigt schon mal Blockaden an. Sein grüner Ministerpräsident Kretschmann erklärt: "Irgendwo muss das Zeugs einfach hin. Ich mein, so einfach ist die Welt."

Das sieht auch der grüne Energieminister Habeck in Schleswig-Holstein so. Zwar hat gerade das Oberverwaltungsgericht Schleswig die Genehmigung für das Castor-Lager am AKW Brunsbüttel aufgehoben, weil zahlreiche Sicherheitsnachweise nicht erbracht worden sind. Kein wirkliches Problem. Wird das Urteil rechtskräftig, erteilt das grün geführte Ministerium wie in NRW eine Ausnahmegenehmigung. Damit nicht genug: Habeck erklärt trotzdem, dass er weiterhin für den Kompromiss bei der Endlagersuche bereit ist, Atommüll aus England und Frankreich am AKW Brunsbüttel aufzunehmen.

Nicht ganz so toll läuft es auch im geplanten Endlager für leicht- und mittelradioaktive Atomabfälle im Schacht Konrad. Das sollte längst in Betrieb sein, aber immer wieder kommt etwas dazwischen: Das Erzbergwerk ist irgendwie nicht so stabil, wie es die Bauherren gern hätten. Immer aufwändiger müssen Risse, Spalten und Fugen versiegelt werden. Das kostet Geld und Zeit. Noch vor wenigen Wochen sprach man von einer möglichen Inbetriebnahme 2019. Dann munkelte man etwas von 2021 und jetzt soll das Bundesumweltministerium einen Zeitraum von 2021 bis 2025 im Auge haben. Nebenan droht das Atommülllager ASSE weiter abzusaufen und oder einzustürzen. Ob man den gefährlichen Atommüll bergen kann, steht in den Sternen. Gelingt das - was dringend zu hoffen ist, stellt sich schon die nächste dumme Frage: Und wohin jetzt damit?

Eine Frage, die auch für den Uranmüll in Gronau zutrifft. Die Anreicherungsanlage darf wie die Brennelementefabrik in Lingen völlig unbefristet weiterproduzieren. 100.000 Kubikmeter Uranmüll, davon gehen die Fachleute aus, müssen irgendwann in ein Endlager. Weil es das nicht gibt, hilft man sich mit einem Trick: Das Uran wird zum Wertstoff deklariert, dann ist es einfach kein Müll.

Und weil selbst die vermeintliche Entsorgung der leicht- und mittelradioaktiven Abfälle nicht funktioniert, entstehen nun neue Atomülllager an den stillzulegenden Atommeilern. Für wie lange? Unklar. Aber: Irgendwo muss das Zeug ja hin.

Von all dem will die große Politik aber gar nichts wissen. Die hat endlich den "Neustart" in der Endlagersuche für hochradioaktive Brennelemente auf den Weg gebracht - sicherheitshalber unter Ausschluss der Umweltverbände. Die wollten doch partout nicht so recht verstehen, wieso nach jahrzehntelangen Lügen und längst erkannten Sicherheitsmängeln Gorleben weiterhin im Topf ist, warum man sie im Verfahren ausgeschlossen hat, neue Behörden festlegte und all die anderen Probleme mit diesem verdammten Atommüll lieber ausklammert ...

Neustart? Unbedingt! Es geht um unser aller Sicherheit. Aber ohne Lügen, Tricks und Ignoranz! Das ganze Problem mit den Atommüllbergen muss auf den Tisch und an dem müssen von Anfang an alle Platz nehmen dürfen!


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Flyer: "Desaster Atommüll" und "Atommüll, Sorgenbericht der Atommüllkonferenz", eine Bestandsaufnahme, August 2013, 272 S.

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 120/1.2014, Seite 32
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2014