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TIERVERSUCH/685: Das stumme Leiden der Fische (tierrechte)


tierrechte 1.16 - Nr. 74, März 2016
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V

VERSUCHSTIER DES JAHRES 2016

Das stumme Leiden der Fische


Seit 2003 ernennt der Bundesverband das Versuchstier des Jahres. Dieses Jahr fiel die Wahl der Jury auf den Fisch, um auf dessen lautlose Qualen im Tierversuch aufmerksam zu machen. Denn den Wasserbewohnern wird oft die Leidensfähigkeit abgesprochen - völlig zu Unrecht - wie Untersuchungen ergaben.


Seit 2012 nimmt die Zahl der in Tierversuchen verbrauchten Fische rapide zu. Zuletzt stiegen die Zahlen von 2013 bis 2014 um 35 Prozent auf insgesamt 272.925 Fische. 9,8 Prozent der 'Versuchstiere' sind Fische. Am häufigsten kommen Zebrabärblinge, Medaka, Goldfische, Dorsche, Flussbarsche, Aale, Sprotten und Prachtgrundkärpflinge zum Einsatz. Die meisten Fische leiden in der Grundlagenforschung, wo sie in Tests für genetische Manipulationen(*) eingesetzt werden. Die Zahl der Tierversuche im Bereich Gentechnik steigt seit vielen Jahren kontinuierlich an. Im Jahr 2013 waren 19,3 Prozent der Fische, die zu Forschungszwecken verwendet wurden, gentechnisch verändert. Die wachsenden Fischzahlen stehen im Gegensatz zu den in Deutschland und der EU geltenden gesetzlichen Zielsetzungen, künftig weniger Tiere für wissenschaftliche Zwecke einzusetzen. Häufig werden steigende Tierversuchszahlen durch kommerzielle Interessen verursacht. Maßgeschneiderte 'Tierversuchsmodelle' sind in der Regel durch Patente geschützt, wie z.B. Thrombosemodelle, die auf der gentechnischen Veränderung des Zebrafischs basieren.


Genetische Manipulationen nehmen zu

Aber nicht nur die fertigen Modelle sind mit einem Patent belegt - auch die Techniken zur Herstellung der Modelle sind davon betroffen. Die neuen Methoden der synthetischen Gentechnik führen dazu, dass immer mehr Versuchstiere in immer kürzerer Zeit gentechnisch manipuliert werden können. Steigende Tierversuchszahlen sind die Folge. Aber auch für die regulatorische Toxikologie, also für gesetzlich vorgeschriebene Giftigkeitstests, müssen Fische leiden. Für die akuten 5-Tage-Fischtests ist zwar der Fischembryotest (FET) als tierversuchsfreies Verfahren anerkannt (OECD Testrichtlinie 236). Er steht dort aber nur als Alternative. Oft reichen den Herstellern die kurzfristigen Untersuchungen nicht aus und sie führen 21-Tage-Tests an Fischen durch. Bei Fischarten wie Dorsch, Buntbarsch, Flussbarsch, Karpfen und Forelle spielt ebenfalls die Grundlagenforschung eine Rolle, aber auch Untersuchungen zur Umwelttoxikologie, zur Erhaltung der Art oder, um Haltungsbedingungen für Fische in der Aquakultur zu erforschen.


Fische leiden Schmerzen

Ein Gutachten erstellt für die Eidgenössische Ethikkommission für Biotechnologie im Ausserhumanbereich kommt zu dem Ergebnis, dass sich Fische nicht so sehr von Säugetieren unterscheiden: Auch wenn sie es nicht deutlich zeigen können, leiden Fische unter Schmerzen. Aber - anders als bei Säugetieren - können Fische ihren Schmerz nicht artikulieren. Ihre Schreie sind stumm. Deshalb sah man Fische lange Zeit nur als reine Reflexmaschinen, die man eher als Masse oder Schwarm wahrnahm. Der kontinuierliche Anstieg der Tierverbrauchszahlen und die gentechnische Veränderung von Tieren widerspricht den Zielvorgaben des Tierschutzes. Um das Leid der Fische und aller Tiere im Tierversuch zu beenden, müssen die qualvollen Versuche so schnell wie möglich durch moderne tierversuchsfreie Verfahren beendet werden.


Nötig: Verbot von Tier-Patenten und mehr tierversuchsfreie Verfahren

Neue tierfreie Verfahren müssen so schnell wie möglich behördlich anerkannt werden, auf EU-Ebene und international. Weitere wichtige Maßnahmen sind: Die Streichung des Tierversuchs aus den Prüfvorschriften, sobald ein tierversuchsfreies Verfahren bzw. eine tierversuchsfreie Teststrategie aufgenommen wurde, und die zwingende Anwendung dieser Methode. Wenn einzelne Methoden als Ersatz zum Tierversuch nicht ausreichen, ist es wichtig, dass sogenannte integrierte Teststrategien und evtl. damit verbundene Messgeräte gemeinsam validiert und anerkannt werden. Da die bestehenden Gesetze nicht ausreichen, um dem Tier-Anstieg zu begegnen, fordert der Bundesverband zudem, Patente auf Tiere grundsätzlich zu verbieten sowie den Schutz der genetischen Integrität von Tieren gesetzlich zu verankern. Mehr zum Thema Fische lesen Sie in der nächsten Ausgabe.

(*) Die Fische werden in der sogenannten TALEN und CRISPR-Technologie eingesetzt. TALEN und CRISPR/Cas9-System ermöglichen, DNA-Sequenzen an gewünschten Stellen zu schneiden, wobei Gene zerstört (knock-out) oder gewünschte Sequenzen eingefügt werden können (knock-in).

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Quelle:
tierrechte 1.16 - Nr. 74/März 2016, S. 14
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
eMail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2016

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