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TIERVERSUCH/665: Wie Hersteller Tierversuche vermeiden (tierrechte)


tierrechte 3.15 - Nr. 72, September 2015
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V

TIERVERSUCHE FÜR HAUSHALTSPRODUKTE
Wie Hersteller Tierversuche vermeiden


Im Kern ist es eine Frage der Rezeptur eines Produktes, ob Tierversuche für die Sicherheitstests gemacht werden müssen oder nicht. Hersteller wie Ecover, Sodasan oder Almawin, die mit Labeln wie dem springenden Kaninchen oder der Veganblume ausgezeichnet sind, achten bei den Inhaltsstoffen ihrer Produkte darauf, dass sie altbewährte Substanzen verwenden, deren Gefährdungseinschätzung bereits bekannt ist. Um die nötigen Angaben zu Augenschädigung, Hautreizung, Hautsensibilisierung, ganzkörperliche Vergiftungserscheinungen und zu den Risiken für Wasserorganismen im Sicherheitsdatenblatt machen zu können, vergleichen sie ihre Substanzen mit anderen, die bereits getestet wurden. Das Vorgehen ist nicht nur zulässig - nach REACh ist es sogar erwünscht, um Tierversuche zu vermeiden. Wie geringfügig sich die Inhaltsstoffe der Mixturen zwischen den einzelnen Anbietern unterscheiden können, zeigt das folgende Beispiel:


WC-KRAFTGEL


Inhaltsstoffe eines konventionellen WC-Kraftgels

Wasser
Ameisensäure
Fettalkoholethoxylat C9-11 8EO
(nichtionisches Tensid, Detergens)
Natriumclorid
(Kochsalz, NaCl)
Decylglucosid
(Tensid)
Natriumformiat
(Salz der Ameisensäure)
Xanthangummi
(Verdickungsmittel)
Parfum
Farbstoff
Denatoniumbenzoat
(Vergällungsmittel gegen versehentliches Trinken)

Tierversuche: Das konventionelle Gel enthält laut Sicherheitsdatenblatt Ameisensäure, die entkalkt und Bakterien abtötet. Für die Ameisensäure musste der Hersteller Tierversuche(*) an Kaninchen, Ratten, Fischen und an Kleinstkrebsen durchführen, um die Ätz-/Reizwirkung auf die Haut, die Keimzell-Mutagenität und die Giftigkeit für die Umwelt zu testen. Die übrigen Inhaltsstoffe mussten - und durften sogar - nicht getestet werden.


Inhaltsstoffe eines WC-Kraftgel "vegan"

Wasser
Zitronensäure
Trinatriumzitrat (Wasserenthärter)
Natriumlaurylsulfat (anionisches Tensid)
Alkylpolyglucoside (nicht-ionisches Tensid)
d-Glucopyranose
Parfum
Polysaccharide
CI 75815 (Natrium-Kupfer-Chlorophyllin),
Lebensmittelfarbstoff
Limonen

Keine Tierversuche: Anstelle der Ameisensäure hat der alternative Hersteller Zitronensäure verwendet und als Wasserenthärter die Substanz "Trinatriumzitrat" gewählt, für die keine Tierversuche nötig waren.


(*) Folgende Tierversuche wurden für die Ameisensäure durchgeführt: → Ätz-/Reizwirkung auf die Haut (TG 402): Die Testsubstanz wird bei Kaninchen auf die rasierte Haut aufgetragen und für 24 Stunden abgedeckt. Es können schmerzhafte Entzündungen entstehen. → Keimzell-Mutagenität (TG 471): Ratten werden mit einer giftigen Substanz behandelt, um ihr Leberenzymsystem anzukurbeln. Dann werden die Tiere getötet und ihre Lebern entnommen, um deren Bestandteile in Bakterientests (Ames-Test) zu verwenden. → Ökotoxikologie: akuter Fischtest (LC50 nach TG 203): Die Tiere werden im Wasser der Testsubstanz ausgesetzt. Es wird die Konzentration ermittelt, bei der 50 Prozent der Fische sterben. → Akuter Daphnientest (LC50 48 h nach TG 202): In kleinen Testgefäßen, die Daphnien ("Wasserflöhe") enthalten, werden verschiedene Konzentrationen der Testsubstanz zugegeben. Dann wird die Konzentration ermittelt, bei der 50 Prozent der Daphnien sterben.


KASTEN
 
GLOSSAR

In-vitro
"Im Reagenzglas", mit In-vitro-Verfahren sind Zell- und Gewebekultur-Verfahren gemeint.

In-vivo
"Im Lebenden", mit In-vivo-Verfahren sind Verfahren und Experimente am lebenden Tier gemeint.

OECD
Die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der circa 30 Industrienationen angehören, veröffentlicht die sogenannten Testrichtlinien, nach denen sich alle Hersteller von Chemikalien richten müssen. Diese Richtlinien schreiben die Durchführung von Tierversuchen und tierversuchsfreien Verfahren vor.

Toxizität
Die Toxizität (Giftigkeit) ist eine Stoffeigenschaft. Die toxische Wirkung eines Stoffes auf ein Lebewesen hängt neben seiner Giftigkeit entscheidend von der Dosis und Art ihrer Aufnahme ab: eine orale Aufnahme unterscheidet sich im Verlauf der Vergiftung häufig von einer inhalativen (durch die Atmung), dermalen (durch Hautkontakt), oder intravenösen, intramuskulären oder intraperitonealen (durch die Bauchhöhle) Aufnahme.

Transgen
Gen, das mit gentechnischen Verfahren in das Erbgut eines Organismus eingebracht wurde.

REACh
steht für die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien und ist die geltende EU-Chemikalienverordnung. Für die Zulassung neuer chemischer Substanzen sind Tierversuche nach REACh vorgeschrieben. Grundsätzlich muss der Hersteller oder Importeur bei der Herstellung von Chemikalien Informationen über dessen toxische Effekte vorlegen (Registrierungsdossier).

Validierung
Verfahren zur Überprüfung der Qualität und des praktischen Nutzens einer tierversuchsfreien Methode sowie zur behördlichen Anerkennung. Der Validierungsprozess durchläuft verschiedene Stufen und ist in der Regel sehr langwierig. Will eine Firma ihre Produkte weltweit vertreiben, wird sie auch die hierzu in den OECD-Richtlinien verlangten Tests durchführen.

Europäische Chemikalienagentur (ECHA)
Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA, engl. European Chemicals Agency) ist eine Behörde der EU, die die technischen, wissenschaftlichen und administrativen Aspekte bei der Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien regelt. Die ECHA ist die zentrale Schaltstelle der REACh-Verordnung.

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Quelle:
tierrechte 3.15 - Nr. 72/September 2015, S. 12
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
eMail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de
 
tierrechte erscheint viermal jährlich.
Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2015

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