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MELDUNG/2340: Mittelgewicht - Verjüngungskur ... (SB)



Gennadi Golowkin erläutert seine Zukunftspläne

Gennadi Golowkin hat derzeit kein Interesse daran, sich mit Billy Joe Saunders (WBO-Weltmeister im Supermittelgewicht) oder Demetrius Andrade (WBO-Champion im Mittelgewicht) zu befassen. Wie der Kasache erklärte, konzentriere er sich auf seinen nächsten Gegner Steve Rolls. Danach wolle er im Herbst den dritten Kampf gegen Saul "Canelo" Alvarez austragen, um für die umstrittene Niederlage im September 2018 Revanche zu nehmen. Sofern Saunders und Andrade gegen ihn antreten wollten, müßten sie sich hinten anstellen. Für den 37 Jahre alte Golowkin stehen 38 Siege, eine Niederlage sowie ein Unentschieden zu Buche. Dank einer modifizierten Kampfesweise, die er gegenwärtig mit seinem neuen Trainer Johnathon Banks erarbeitet, hofft er "Canelo" entscheidend in die Schranken weisen zu können. Banks setzt darauf, daß der Kasache häufiger angreifen und in erheblich höherer Frequenz schlagen müsse, um einen ständigen Druck vorzuhalten, mit dem der Mexikaner nicht Schritt halten könne, der bekanntlich konditionelle Probleme an den Tag legt. Lasse man ihm zwischendurch Zeit, gebe ihm dies Gelegenheit, sich wieder zu erholen.

Wenngleich Saunders in 28 Kämpfen ungeschlagen ist, hat er, von dem Iren Andy Lee abgesehen, keinen wirklich hochklassigen Gegner besiegt. Während seiner drei Jahre währenden Regentschaft als Weltmeister versäumte er es, sich international einen Namen zu machen. Er trat gegen wenig bekannte Kontrahenten wie Artur Akavow, Willie Monroe und David Lemieux an, ging aber Golowkin und "Canelo" aus dem Weg. Als der Kasache bereit war, sich mit ihm zu messen, ließ Saunders die laufenden Verhandlungen platzen, indem er plötzlich überzogene Börsenforderungen stellte. Im Grunde war es nur der WBO-Titel im Mittelgewicht, der ihn für Golowkin und andere Rivalen der Spitzenklasse interessant machte. Und da der 29jährige Brite nie in den USA aufgetreten ist, gilt er für das dortige Publikum als unbeschriebenes Blatt. Zudem ist seine defensive Vorgehensweise nicht gerade eine Augenweide für die Zuschauer, die mit einem Boxer wenig anfangen können, der es vor allem darauf anlegt, dem Gegner den Kampf zu verderben, indem er ihm ständig ausweicht oder klammert.

Als Saunders 2017 gegen David Lemieux gewann, der ihn nicht zu stellen vermochte und meistenteils Löcher in die Luft schlug, führte ihn der Brite überheblich vor und posierte ständig fürs Publikum. Damit verminderte er zweifellos seine Chance, jemals einen Auftritt mit Golowkin oder "Canelo" zu bekommen, die natürlich keine Lust haben, einem Gegner unablässig hinterherzulaufen, der sich nicht zum Kampf stellt. Das läßt auch den besten Boxer schlecht aussehen und verärgert das Publikum, das viel Geld bezahlt hat, ohne etwas dafür geboten zu bekommen. Als Saunders seinen WBO-Titel im Mittelgewicht gegen Demetrius Andrade verteidigen sollte, wurde er positiv auf eine verbotene Substanz getestet und mit einer Sperre belegt. Obgleich Andrades Promoter Eddie Hearn grünes Licht dafür gab, die erste Titelverteidigung des neuen Weltmeisters gegen den Briten auszutragen, stieg dieser statt dessen ins Supermittelgewicht auf, wo er dem weithin unbekannten Schefat Isufi aus München den gerade vakanten WBO-Titel abjagte, was kein großes Kunststück war.

Gennadi Golowkin hat ganz andere Pläne. Er möchte "Canelo" die Titel der Verbände WBA, WBC und IBF wieder abnehmen, worauf Andrades WBO-Gürtel an die Reihe käme, so daß die Sammlung endlich komplett wäre, wie dies der Kasache seit Jahren angestrebt hat. Da Andrade und Golowkin beide einen Vertrag mit dem Streamingdienst DAZN abgeschlossen haben, sollte es kein Problem sein, diesen Kampf auf die Beine zu stellen. Zuvor aber muß der Kasache am 8. Juni den Kanadier Steve Rolls und anschließend "Canelo" besiegen, wobei vorerst völlig offen bleibt, ob der Mexikaner überhaupt bereit zu einer Trilogie ist. Eher steht wohl zu befürchten, daß Saul Alvarez und sein Promoter Oscar de la Hoya dieses Risiko scheuen und einem schwächeren Kandidaten den Vorzug geben.

Jedenfalls scheint sich der Kasache bei seinem neuen Trainer wohlzufühlen. Er hatte sich von Abel Sanchez getrennt, da dessen Ideen und Methoden nicht ausreichten, um Saul "Canelo" Alvarez entscheidend zu besiegen. Von Johnathon Banks erhofft er sich neue Impulse, um seiner Karriere frischen Schub zu verleihen. Der in 19 Auftritten ungeschlagene Steve Rolls, auf den er im New Yorker Madison Square Garden trifft, gilt als klarer Außenseiter. Für Golowkin kommt es darauf an, diesen Kampf nicht nur zu gewinnen, sondern dies auf überzeugende Weise zu bewerkstelligen, da aller Augen auf ihn gerichtet sein werden, um zu sehen, wie es nach dem Rückschlag gegen "Canelo" um ihn steht. [1]

Billy Joe Saunders nimmt Gennadi Golowkin übel, daß dieser kein Interesse an einem Kampf gegen ihn hat. Wie um zu beweisen, daß es die Gegenseite war, die 2017 ihr geplantes Aufeinandertreffen verhindert hat, stellt er eine damalige Textnachricht von Golowkins Manager Tom Loeffler in die sozialen Medien, die für sich genommen diesen Eindruck erweckt. Diese kurze Mitteilung ist indessen aus dem Zusammenhang des gesamten Kommunikationsverlaufs gerissen, wie sich ohnehin die Frage stellt, was der Brite damit bezweckt, diese zurückliegende Kontroverse neu aufzurollen. Daß er sich selbst keinen Gefallen damit tut, Golowkin vor den Kopf zu stoßen und damit endgültig dafür zu sorgen, daß er diesen Kampf nie bekommen wird, scheint ihm nicht bewußt zu sein.

Warum sich Tom Loeffler im Jahr 2017 gegen Saunders entschied, wird deutlich, wenn man sich die damaligen Auftritte des Kasachen vor Augen führt. Am 18. März besiegte Golowkin den US-Amerikaner Daniel Jacobs in New York nach Punkten und kam wenig später mit Saul "Canelo" Alvarez überein, für den 16. September einen Kampf in Las Vegas zu vereinbaren. Daß man die Chance, sich endlich mit dem selbsterklärten Superstar der Branche zu messen, einem Auftritt gegen Saunders vorzog, erklärt sich von selbst. Dem Briten stünde künftig im Supermittelgewicht offen, hochklassige Kämpfe gegen Callum Smith oder David Benavidez auszutragen, wenn er denn bereit wäre, gegen die gefährlichsten Rivalen anzutreten, wie er das stets von sich behauptet. Golowkin und "Canelo" wird er hingegen schon deswegen nie bekommen, weil er seit Jahren nur gegen relativ schwache Gegner gekämpft hat und deswegen nicht besonders populär geworden ist. [2]

Von seinem äußeren Erscheinungsbild her wirkt Gennadi Golowkin derzeit erheblich leichter als in seinen letzten Kämpfen. Welche Absicht dem zugrunde liegt ist nicht bekannt, und wie sich das geringere Gewicht im Kampf mit Steve Rolls auswirkt, wird sich zeigen. Körperlich sieht er so aus, wie vor fünf oder sechs Jahren, als er Matthew Macklin, Gabriel Rosado und Nobuhiro Ishida überzeugend in die Schranken wies. In Verbindung mit dem Vorhaben, künftig in höherer Frequenz als bislang zu schlagen, könnte eine Gewichtsreduzierung von Vorteil sein. Indessen sollte man diese Veränderung am besten nicht mit einer Bedeutung überfrachten, die ihr nicht zukommt, sondern auch dies unter dem Ansatz verbuchen, für frischen Wind zu sorgen und neu durchzustarten.

Daß der wenig bekannte Kanadier Steve Rolls als nächster Gegner ausgesucht wurde, stieß zwangsläufig auf Kritik, da sich die Fangemeinde natürlich einen spektakuläreren Auftritt gewünscht hätte. Da Golowkin jedoch auf einen Kampf gegen "Canelo" im September zuarbeitet, ob dieser nun ebenfalls dazu bereit ist oder nicht, macht ein zwischenzeitlicher nicht allzu schwerer Aufbaukampf durchaus Sinn. Auch der Mexikaner verfährt nicht anders und hat sich im Dezember 2018 Rocky Fielding vorgeknöpft, den regulären Weltmeister der WBA im Supermittelgewicht. Wenngleich es sich zweifellos um ein Ausweichmanöver in weniger gefährliche Sphären, einen nachrangigen Titel und einen handhabbaren Gegner handelte, ließ sich der Abstecher doch als Vorhaben verkaufen, sich künftig auch in der höheren Gewichtsklasse als Champion zu etablieren. [3]

Wie Golowkin jüngst anmerkte, gehe er auf professionelle Weise an die nächsten Schritte heran und handle so, als sei er mit Saul "Canelo" Alvarez fest für September verabredet. Deshalb lege er größten Wert darauf, sich voll und ganz auf Steve Rolls zu konzentrieren, um ihn mit einem souveränen Auftritt zu besiegen. Alle Welt rufe nach einem dritten Kampf gegen den Mexikaner, der die Emotionen abermals hochkochen lassen werde. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß es tatsächlich dazu kommt, beabsichtige er, ein unübersehbares Zeichen zu setzen.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2019/05/golovkin-not-interested-in-saunders-or-andrade-fights/

[2] www.boxingnews24.com/2019/05/saunders-reacts-to-ggg-dismissing-him-as-not-serious-option/

[3] www.boxingnews24.com/2019/05/ggg-looking-ripped-for-steve-rolls-fight/

1. Juni 2019


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