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MELDUNG/2330: Schwergewicht - die Chance seines Lebens ... (SB)



Tom Schwarz darf sich mit Tyson Fury messen

Für den jungen deutschen Schwergewichtler Tom Schwarz aus Halle ist es ein Geschenk des Himmels. Er darf völlig überraschend mit dem britischen Star Tyson Fury in den Ring steigen, der gegenwärtig zu den drei begehrtesten Akteuren der Königsklasse gehört. Der Kampf findet am 15. Juni in Las Vegas statt, wo er voraussichtlich im Thomas & Mack Center oder aber im MGM Grand oder im Mandalay Bay Events Center über die Bühne gehen soll. Veranstalter ist Furys Co-Promoter Top Rank Boxing, bei dem der Brite im Februar einen Fernsehvertrag mit ESPN über fünf Auftritte unterschrieben hat, der Medienberichten zufolge mit insgesamt 91,2 Millionen Euro dotiert sein soll. Bob Arum hat mit diesem Coup einen ausgesprochen dicken Fisch an Land gezogen und wird fortan mit der ihm eigenen Geschäftspolitik die Geschicke des ehemaligen Weltmeisters lenken. Der ungeachtet seiner mittlerweile 86 Lebensjahre nach wie vor ungemein rührige Promoter, dessen einstige Erzrivalen wie Don King heute fast schon Geschichte sind, arbeitet mit dem Sender ESPN zusammen. Die Kämpfe werden nicht im Bezahlfernsehen übertragen, sondern zeitgemäßer und sehr viel kostengünstiger auf einer App angeboten, so daß die Vielzahl der Buchungen für den Ertrag sorgen soll. [1]

Der 30jährige Tyson Fury ist in 28 Kämpfen ungeschlagen und feierte seinen bislang größten Erfolg, als er im November 2015 gegen den bis dahin elf Jahre unbesiegten Wladimir Klitschko gewann und ihm die Titelsammlung abnahm. Am 1. Dezember 2018 trat der Brite in Los Angeles gegen WBC-Weltmeister Deontay Wilder an und erzwang dank einer unerwartet starken Leistung ein Unentschieden, bei dem ihm das Kampfgericht allerdings recht gewogen war. In der zwölften Runde stürzte Fury nach einem Volltreffer nieder und lag mit geschlossenen Augen reglos am Boden, doch der Ringrichter brach den Kampf nicht ab, sondern zählte ihn weiter an. Plötzlich stand der Brite wieder auf, kämpfte weiter und erreichte den Schlußgong. Die Punktwertung fiel mit 115:111, 112:114 und 113:113 kontrovers aus und ergab summarisch ein Unentschieden, mit dem Fury sehr gut bedient war, da nicht wenige Experten inoffiziell einen Vorsprung für Wilder notiert hatten.

Der Verband WBC ordnete daraufhin eine Revanche an, die ganz nach dem Geschmack des Boxpublikums war, das nach der respektablen Vorstellung beider Akteure ein zweites Aufeinandertreffen forderte. Nachdem dies zunächst auch dem beiderseitigen Wunsch zu entsprechen schien und lukrative Einkünfte versprach, machte Furys Unterschrift bei Top Rank den sofortigen Rückkampf zunichte. Bob Arum hatte seinerzeit den Kampf zwischen Manny Pacquiao und Floyd Mayweather geschlagene sechs Jahre "marinieren" lassen, bis er 2015 endlich stattfinden konnte. Nun steht zu befürchten, daß auch die Revanche zwischen Fury und Wilder ewig auf sich warten läßt, wenn sie denn jemals stattfindet. Da der WBC-Champion mit Al Haymon und dessen Format Premier Boxing Champions zusammenarbeitet, dürften allein schon die unterschiedlichen Sender mögliche Verhandlungen beträchtlich erschweren. Deontay Wilder verteidigt ersatzweise seinen Titel am 18. Mai im Barclays Center in Brooklyn gegen seinen Landsmann Dominic Breazeale, den Pflichtherausforderer beim Verband WBC.

Offensichtlich haben weder Bob Arum noch die Verantwortlichen bei ESPN ein Interesse daran, Tyson Fury womöglich gegen Deontay Wilder und damit gleich beim ersten Auftritt im Rahmen ihres Vertrags mit dem prominenten Briten scheitern zu sehen. Wie zu erwarten war, setzen sie ihm statt dessen einen vergleichsweise leichten Gegner vor, um seinen Marktwert zu erhalten. Dieser Winkelzug stößt unter Boxfans auf harsche Kritik, entspricht aber Arums langjährigem Geschäftsgebaren, sich im Haifischbecken der Branche zu behaupten, indem er tunlichst nichts mehr aus den Fingern läßt, was sie einmal gepackt haben. So hat er bereits angekündigt, daß sein britischer Schützling erst im Februar 2020 "hoffentlich" gegen Wilder antritt, sofern er gegen Tom Schwarz die Oberhand behält. [2]

Auf die zwangsläufig im Raum stehende Frage, ob er die weithin erhobene Forderung nach einem Rückkampf gegen Deontay Wilder verstanden habe, erwiderte Fury, beide müßten diese Revanche haben. Bevor es dazu komme, habe er sich jedoch zunächst um Schwarz zu kümmern. Er selbst sei sehr fit, absolut bereit und könne es kaum erwarten, gegen den Deutschen zu kämpfen, der jung, ungeschlagen, frisch und ehrgeizig sei, ließ der Brite ungewohnt handzahm verlauten. Hingegen kritisierte Eddie Hearn, es sei ein schrecklicher Kampf, wenn aus dem Rematch gegen Wilder ein Ringauftritt gegen Tom Schwarz werde. Allerdings müsse man Tyson Fury bewundern und beglückwünschen, sofern er tatsächlich soviel verdient, wie berichtet wird, um diesen Kampf auszutragen, so der Promoter Anthony Joshuas mit einem unüberhörbar höhnischen Unterton. Joshua ist bekanntlich Weltmeister der Verbände WBA, WBO und IBF und damit der Dritte im Bunde auf dem Gipfel des Schwergewichts. [3]

Der 24 Jahre alte Tom Schwarz ist in 24 Kämpfen ungeschlagen, von denen er 16 vorzeitig gewonnen hat. Er steht beim Magdeburger Boxstall SES unter Vertrag, dessen Promoter Ulf Steinforth zu Recht hervorhebt, daß sein Schützling nichts zu verlieren habe. "Natürlich rechne ich mir etwas Großes aus", erklärt Schwarz, der den Interkontinentaltitel der WBO hält und in deren aktueller Rangliste an Nummer zwei geführt wird. Für ihn sei das die größte Chance seines Lebens und er werde alles dafür geben zu gewinnen. "Ich gehe nicht nach Las Vegas, um zu verlieren."

Schwarz, der 1,97 Meter mißt und 108 Kilo auf die Waage bringt, gehört zu den größten deutschen Talenten der letzten Jahre. Er ist Junioren-Weltmeister nach Version der WBO und des WBC und gewann 2017 den Interkontinentaltitel der WBO, den er seitdem viermal in Folge vorzeitig verteidigt hat. Seine Karriere ist jedoch nicht nur von Erfolgen geprägt, zwangen ihn doch zwei Bandscheibenvorfälle zu längeren Pausen. Dem 2,06 m großen und wesentlich schwereren Tyson Fury ist nicht nur körperlich, sondern auch an Erfahrung klar unterlegen, hat Schwarz doch bislang keine international hochklassigen Kontrahenten vor den Fäusten gehabt.

Übrigens hat schon einmal ein Hallenser gegen Fury geboxt. Am 3. Mai 2010 hielt Hans-Jörg Blasko in Huddersfield keine volle Runde gegen den Briten durch. Das will Tom Schwarz natürlich sehr viel besser machen, wobei er auch damit rechnen muß, daß sich der Ton des verbalen Schlagabtauschs im Vorfeld deutlich verschärfen wird, je näher der Kampf rückt. Schließlich ist Fury für sein loses Mundwerk und eine Zermürbetaktik bekannt, mit dem er seinen kommenden Gegner zu verunsichern trachtet. Das weiß natürlich auch Ulf Steinforth, wenn er warnt, daß sein Schützling erst 24 Jahre alt sei und sein ganzes Team brauche, um für Schutz und Rückhalt zu sorgen. Die Phase vor dem Kampf werde womöglich noch heftiger ausfallen als der Auftritt im Ring. Ein Achtungserfolg für Tom Schwarz gäbe nicht zuletzt dem angeschlagenen deutschen Boxsport einen dringend benötigten Impuls. Im Juli 2018 hatte der Berliner Supermittelgewichtler Tyron Zeuge als letzter Weltmeister der Bundesrepublik seinen WBA-Titel verloren.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2019/03/tyson-fury-vs-tom-schwarz-official-for-june-15/

[2] www.sport1.de/kampfsport/boxen/2019/03/boxen-deontay-wilder-tyson-fury-mega-fight-erst-2020-schwarz-fordert-fury

[3] www.mdr.de/boxen/tom-schwarz-naechster-gegner-von-tyson-fury-100.html

24. März 2019


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