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MELDUNG/2274: Halbweltergewicht - Heimspiel in Glasgow ... (SB)



Josh Taylor behält gegen Viktor Postol die Oberhand

Josh Taylor hat sich in Glasgow gegen Viktor Postol durchgesetzt, ist dabei aber den Beweis schuldig geblieben, der kommende Star des Halbweltergewichts zu sein. Der nun in dreizehn Auftritten ungeschlagene Schotte behielt gegen den früheren WBC-Weltmeister einstimmig nach Punkten die Oberhand (117:110, 118:110, 119:108). Wenngleich sein verdienter Erfolg nicht in Abrede zu stellen ist, war der von den Punktrichtern attestierte Vorsprung doch von einem Heimvorteil geprägt, der nicht dem Kampfverlauf entsprach und der Leistung des talentierten Ukrainers kaum gerecht wurde, für den nun 29 Siege und zwei Niederlagen zu Buche stehen. Da es sich um einen Ausscheidungskampf des Verbands WBC handelte, wahrte Taylor seine Titelchance.

Daß der 34jährige Postol in Glasgow schwerlich nach Punkten gewinnen würde, stand von vornherein zu befürchten. Das Ausmaß seiner Benachteiligung nahm jedoch fast schon groteske Züge an, als ihm das Punktgericht nicht mehr als zwei bis drei Runden gutschreiben mochte, obgleich der Kampf lange ausgeglichen verlaufen war. Letzten Endes gab nicht Taylors boxerisches Können, sondern die Kondition den Ausschlag, da er in den letzten vier Durchgängen mehr Luft als sein Gegner hatte. Die ersten acht Runden kämpfte Postol auf gleicher Augenhöhe, indem er sich geschickt bewegte und den sieben Jahre jüngeren Kontrahenten aus der Distanz in Schach hielt. Josh Taylor kam nur dann besser zum Zuge, wenn er dem Ukrainer dichter zu Leibe rückte, was Postol jedoch zumeist zu verhindern wußte.

Selbst als der Außenseiter in der zehnten Runde nach einem linken Haken zu Boden gehen mußte, kam er rasch wieder auf die Beine und hielt den Schotten bis zur Pause mit seinem Jab wie auch der hart geschlagenen Rechten auf Distanz. Die letzten beiden Durchgänge gingen zwar an den Lokalmatador, der jedoch auch in der Schlußphase auf der Hut sein mußte, da er immer wieder in Konter lief. Postol machte sich die Unerfahrenheit und die ungestümen Attacken des Kontrahenten zunutze, der heftig zuschlug, doch dabei klaffende Lücken für Gegenangriffe öffnete. Vieles erinnerte an den Kampf des Ukrainers gegen Lucas Matthysse, in dem er die Aggression des favorisierten Argentiniers gegen ihn gekehrt, dessen überlegene Schlagwirkung dank seiner Mobilität und Übersicht mehr als wettgemacht und sich den WBC-Gürtel gesichert hatte.

Da Taylor in den letzten drei Runden des öfteren seine wuchtig geschlagene Linke ins Ziel brachte, zog Postol den kürzeren. Alles in allem profitierte der Schotte von seiner Jugend und Schlagwirkung, nicht zuletzt aber auch der Neigung des Punktgerichts, zu seinen Gunsten zu werten. Auch konnte er sich zahlreiche grenzwertige Aktionen leisten, die von dem britischen Ringrichter Ian John Lewis nicht geahndet wurden. Seit Viktor Postol im Jahr 2016 gegen Terence Crawford verloren hatte, schien es mit seinem Können und der Karriere bergab zu gehen. So räumte man ihm denn auch im Vorfeld keine Chance ein, sich gegen Josh Taylor durchzusetzen, und bei den Buchmachern wurde er als krasser Außenseiter gehandelt. Daß der Schotte dennoch beträchtliche Probleme hatte, die Oberhand zu behalten, läßt darauf schließen, daß er zwar über die bessere Physis verfügte, doch an die technischen und taktischen Fertigkeiten Postols nicht heranreicht. [1]

Gemessen am Hype, den sein Promoter Eddie Hearn um ihn macht, ist Josh Taylor in dieser Verfassung eher nicht die Zukunft des Halbweltergewichts. Ob er mit wachsender Erfahrung kompensieren kann, was ihm an Talent zu fehlen scheint, muß vorerst mit einem dicken Fragezeichen versehen werden. Hätte er an diesem Abend dem WBC-Interimschampion Regis Prograis gegenübergestanden, der als bester Akteur der Gewichtsklasse gehandelt wird, wäre er wohl untergegangen. Auch der amtierende WBC-Weltmeister Jose Ramirez dürfte noch eine Nummer zu groß für ihn sein, wobei Eddie Hearn Pläne zu schmieden scheint, auf direktem Weg einen Titelkampf anzusteuern.

Da Regis Prograis an der nächsten World Boxing Super Series teilnimmt, wird er dort für den Rest des Jahres wie auch bis ins Frühjahr 2019 hinein gebunden sein. Sollte sich Josh Taylor ebenfalls für das Turnier entscheiden, würde ihm die Fangemeinde sicher hoch anrechnen, sich dieser Herausforderung zu stellen. Da indessen ungewiß ist, ob er an dem ebenfalls teilnehmenden Ivan Barantschik vorbeikäme, und spätestens bei Prograis Endstation wäre, wird man den Schotten eher nicht bei der WBSS erleben. Schließlich ist sein Promoter Eddie Hearn dafür bekannt, die Karrieren seiner Akteure sorgsam aufzubauen und all zu großen Gefahren aus dem Weg zu gehen.


Fußnote:

[1] www.boxingnews24.com/2018/06/josh-taylor-vs-viktor-postol-results/#more-265687

24. Juni 2018


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