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MELDUNG/2197: Auch Jugend schützt vor Torheit nicht (SB)



Jürgen Brähmer setzt sich problemlos gegen Rob Brant durch

Jürgen Brähmer hat sich zum Auftakt der World Boxing Super Series durchgesetzt und damit das Halbfinale erreicht. Der 39jährige ehemalige Weltmeister behielt in seiner Heimatstadt Schwerin gegen den zuvor ungeschlagenen US-Amerikaner Rob Brant einstimmig nach Punkten die Oberhand (119:109, 118:110, 116:112). Damit verbesserte Brähmer seine Bilanz auf 49 Siege und drei Niederlagen, während sich der 27 Jahre alte Brant nach 22 Erfolgen erstmals geschlagen geben mußte. Vor rund einem Jahr hatte der Schweriner den WBA-Titel im Halbschwergewicht an den inzwischen zurückgetretenen Waliser Nathan Cleverly verloren. Anschließend war er nach zehn Jahren im höheren Limit ins Supermittelgewicht zurückgekehrt, um an den Kämpfen um die Muhammad Ali Trophy teilzunehmen. [1]

Da Brähmer inzwischen in die Jahre gekommen ist und so lange nicht mehr im Ring gestanden hatte, war zwangsläufig ungewiß, wie er mit dem wesentliche jüngeren Gegner zurechtkommen würde. Überdies fehlte Trainer Michael Timm in seiner Ecke, der wegen einer dringenden Familienangelegenheit, die schon fest geplant war, bevor der Kampftermin bestimmt wurde, nach Neu Delhi geflogen war. Assistiert wurde Brähmer von seinem Konditionstrainer Sebastian Förster und Cutman Gulio Spagnoli, wobei der Italiener alle Hände voll zu tun bekam. In der fünften Runde fing die Nase des Schweriners nach einem Treffer an zu bluten, wovon sich der frühere Weltmeister jedoch nicht irritieren ließ. [2]

Auch er bekam eine Menge ab und sah am Ende recht lädiert aus, was aber um so mehr für den US-Amerikaner galt, der mit Brähmers körperlichen Vorteilen und dessen Erfahrung nicht zurechtkam. Wenngleich die beiden gleich groß waren, wirkte der normalerweise im Mittelgewicht kämpfende Kontrahent aus St. Paul, Minnesota, doch schmächtiger. Der in der Rechtsauslage boxende Schweriner spielte seine Routine aus, indem er den Gegner mit weit vorgestreckter Führhand beschäftigte und einen harten Jab schlug oder mit der linken Geraden nachlegte. Im ersten Viertel des Kampfes hielt der US-Amerikaner gut mit, wenngleich der vom Publikum stürmisch angefeuerte Lokalmatador alles unter Kontrolle zu haben schien.

Sobald Brant einmal mit der Rechten durchkam, setzte ihm Brähmer sofort nach und revanchierte sich mit einer Linken zum Kopf. Dank dieser Routine, die der frühere Champion fast wie ein Uhrwerk durchsetzte, bekam der Gegner zu keinem Zeitpunkt Oberwasser und konnte kaum Eindruck bei den Punktrichtern machen. Zudem war es natürlich frustrierend für den zwölf Jahre jüngeren Boxer, auf diese Weise lektioniert und für jeden Erfolg umgehend bestraft zu werden. Obgleich Rob Brant schneller als der Schweriner schlagen konnte, gereichte ihm das nicht zum Vorteil, da ihn die Kombinationen und Konter des versierten Kontrahenten offensichtlich verwirrten, der wahlweise auch gefährliche Haken schlug.

In der zweiten Hälfte des Kampfes rang der US-Amerikaner zunehmend nach Luft und wirkte erschöpft, als habe er sich zu heftig an Brähmer abgearbeitet. Andererseits überrascht diese Konditionsschwäche nicht, da Brants bis dahin längster Auftritt im Ring über zehn Runden gegangen war, als er sich am 23. Oktober 2015 gegen Louis Rose durchgesetzt hatte. Er war offensichtlich nicht in der Lage, zwölf Runden lang ohne längere Pausen durchzuboxen, während Brähmer keine derartige Schwäche erkennen ließ. Der Schweriner war also unter dem Strich der eindeutig bessere Boxer und hatte sich in ausgezeichneter Verfassung präsentiert. Allerdings profitierte er dabei auch von den körperlichen Nachteilen des letztlich überforderten Kontrahenten. Rob Brant wäre gut beraten, ins Mittelgewicht zurückzukehren, wo er bislang an Nummer zwei der WBA-Rangliste geführt wird. [3]

Wie Jürgen Brähmer nach seinem Erfolg berichtete, habe er sich nach seiner langen Abwesenheit im Ring noch etwas steif gefühlt. Ihm sei es dennoch gelungen zu zeigen, daß noch einiges in ihm steckt, konnte er zufrieden Bilanz ziehen. Promoter Kalle Sauerland war denn auch voll des Lobes und erklärte, er habe den Schweriner seit langer Zeit nicht mehr so stark gesehen. Im Halbfinale bekommt es Brähmer mit einem gefährlicheren Gegner zu tun. Er trifft im Februar 2018 auf den Briten Callum Smith, während das andere Halbfinale des Supermittelgewichts von dessen Landsleuten George Groves (WBA-Weltmeister) und Chris Eubank jun. (IBO-Champion) bestritten wird.

Nachdem angloamerikanische Experten vor Turnierbeginn der festen Überzeugung waren, daß Brähmer nur mühsam die erste Runde überstehen, im Falle eines Erfolgs aber zwangsläufig an dem ungeschlagenen Callum Smith scheitern werde, hat nun ein anderer Ton Einzug in die Kommentare gehalten. Wie es nun heißt, müsse sich der Brite warm anziehen. Der Schweriner wirke in konditioneller Hinsicht zehn Jahre jünger, als er tatsächlich sei, kämpfe aber so intelligent und ausgefuchst, daß Smith noch nie einen Gegner dieser Kategorie vor den Fäusten gehabt habe. Lasse sich der Brite nicht schnell eine fundierte taktische Variante einfallen, die er dann auch noch mit aller Entschiedenheit umsetzen müsse, werde er ebenso an dem unbequemen deutschen Linkshänder scheitern wie Rob Brant.

Die World Boxing Super Series wird im Supermittel- und Cruisergewicht mit jeweils acht Teilnehmern in drei Durchgängen ausgetragen. Nur die Gewinner ziehen eine Runde weiter, Brähmer ist der einzige Deutsche, der noch im Rennen ist. Zuvor war im Cruisergewicht Marco Huck in seinem ersten Kampf an dem ukrainischen Olympiasieger Oleksandr Ussyk gescheitert, Arthur Abraham hatte die Qualifikation zum Turnier nicht geschafft, da er chancenlos gegen Chris Eubank jun. war. Der Wettbewerb ist insgesamt mit etwa 50 Millionen US-Dollar dotiert, den Siegern in den beiden Gewichtsklassen winken jeweils rund 10 Millionen Dollar sowie die eigens dafür geschaffene Muhammad-Ali-Trophy. Für Jürgen Brähmer dürfte das Turnier die letzte Gelegenheit in seiner Karriere sein, noch einmal für Schlagzeilen zu sorgen und sehr viel Geld zu verdienen. Er wolle etwas Großes erreichen, so der Schweriner, der nach der World Boxing Super Series wohl die Handschuhe an den Nagel hängen wird.


Fußnoten:

[1] http://www.spiegel.de/sport/sonst/world-boxing-super-series-juergen-braehmer-besiegt-rob-brant-a-1175206.html

[2] https://www.welt.de/sport/article170129853/Braehmers-laediertes-Gesicht-deutet-nicht-gerade-auf-Sieg-hin.html

[3] http://www.boxingnews24.com/2017/10/juergen-braehmer-vs-rob-brant-results/#more-245942

28. Oktober 2017


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