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MELDUNG/2185: Feierstimmung beim Debüt in Riga (SB)



Mairis Briedis setzt sich nach Punkten gegen Mike Perez durch

Im ersten Kampf um eine Weltmeisterschaft, der jemals in Lettland ausgetragen wurde, hat der 32jährige Mairis Briedis in seiner Heimatstadt Riga den WBC-Titel im Cruisergewicht erfolgreich verteidigt und sich zugleich im Viertelfinale der World Boxing Super Series durchgesetzt. Briedis, der den vakanten Titel durch einen Sieg über Marco Huck im April gewonnen hatte, behielt gegen Mike Perez einstimmig nach Punkten die Oberhand (116:110, 115:111, 114:112) und ist nun in 23 Auftritten ungeschlagen.

Der ein Jahr jüngere Kubaner Mike Perez, für den jetzt 22 Siege, drei Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen, lebt seit seinem Wechsel ins Profilager 2008 im südirischen Cork. Er trat lange im Schwergewicht an, wo er sich lediglich dem US-Amerikaner Bryant Jennings (2014) und dem Russen Alexander Powetkin im Mai 2015 geschlagen geben mußte. Nachdem Powetkin in nur 91 Sekunden kurzen Prozeß mit ihm gemacht hatte, verließ Perez das Schwergewicht, wo er keine Chance mehr sah, einen Titel zu gewinnen. Er dürfte wohl fast 20 Kilo Gewicht abgebaut haben, um im Cruisergewicht antreten zu können. Es sollte zwei Jahre dauern, bis er den ersten Auftritt in seinem neuen Limit gab, bei dem er im Juni 2017 den wenig bekannten Slowaken Viktor Biscak binnen 29 Sekunden besiegte. Dennoch wurde er für das Turnier nominiert, das insbesondere im Cruisergewicht mit vier amtierenden Weltmeistern außerordentlich stark besetzt ist. [1]

Wie sich im Kampf gegen Briedis zeigte, war Perez nach der langen Pause sowohl konditionell im Hintertreffen, als auch noch nicht beweglich genug für das Cruisergewicht. Er machte in der Anfangsphase die bessere Figur und bereitete dem Lokalmatador mit der Linken erhebliche Probleme, gleich ob er sie als Jab oder Haken zu Kopf und Körper schlug. Von der vierten Runde an ging ihm jedoch allmählich die Luft aus, und da sich der Lette inzwischen auf ihn eingestellt hatte, mußte Perez ein ums andere Mal wuchtige Treffer einstecken. Der durchaus spannende und keineswegs einseitige Kampf wurde immer wieder durch Klammern, Kopfstöße und andere grenzwertige Handgreiflichkeiten unterbrochen, wobei die Kontrahenten einander auch in dieser Hinsicht in nichts nachstanden.

Der italienische Ringrichter Massimo Barrovecchio zog Perez nach einem eher zufälligen Kopfstoß in der dritten Runde, durch den Briedis eine Rißwunde über dem linken Auge davontrug, einen Punkt ab. In der zehnten Runde war es dann der Weltmeister, der nach einem Tiefschlag auf dieselbe Weise bestraft wurde. Nach und nach kam der Champion mit der Distanz und beiderseitigen Bewegungsweise besser zurecht. Er traf präziser und brachte insbesondere den Uppercut immer wieder ins Ziel, da Perez mit dem Kopf voran auf ihn losging. Der Kubaner war zu langsam auf den Füßen, um den Gegner auszumanövrieren, und lief beim Versuch, an ihn heranzukommen, häufig in dessen Schläge.

Als Perez allmählich ins Hintertreffen geriet, beklagte er sich des öfteren beim Ringrichter, der jedoch nicht darauf reagierte und das fortgesetzte Klammern und Kopfstoßen durchgehen ließ. Dem Kubaner gingen offenbar die Mittel aus, um der zunehmenden Offensive des Weltmeisters etwas entgegenzusetzen. Er hielt zwar noch mit, schien aber müde und ratlos zu werden. Nun schlug er des öfteren daneben und kam nicht im Infight zum Zuge, worauf er verstärkt zu unsauberen Mitteln griff, um den Letten zu bremsen. Selbst als Perez in der zwölften Runde versuchte, das Blatt mit einem Volltreffer zu wenden, gingen die häufigeren und klareren Treffer auf das Konto des Titelverteidigers, der seinen Sieg mit zwei Uppercuts kurz vor dem Schlußgong besiegelte. [2]

Mairis Briedis zog nach seinem Erfolg mit den Worten Bilanz, es sei nicht leicht gewesen, aber er habe es geschafft. Nach seiner ersten Titelverteidigung in Lettland gebe es noch eine Menge zu tun, doch er freue sich schon auf das Halbfinale. Mike Perez war sichtlich frustriert und haderte insbesondere mit dem Ringrichter, der seinen Job nicht gemacht und keinen fairen Kampf erwirkt habe. In der Enttäuschung des Augenblicks zog der Kubaner sogar seine sportliche Zukunft in Zweifel und erklärte bitter, er habe viel durchgemacht, und dies sei wohl seine letzte Chance gewesen.

Der im Turnier an Nummer drei gesetzte Mairis Briedis war trotz seines Titelgewinns im April so etwas wie ein unbeschriebenes Blatt im Konzert der acht Teilnehmer. Er hat sich nun gegen Mike Perez nicht zuletzt dank seiner robusten Physis und Kampfstärke durchgesetzt. Im Halbfinale trifft er im Frühjahr 2018 auf Oleksandr Ussyk, den in 13 Kämpfen ungeschlagenen WBO-Weltmeister aus der Ukraine. Der 30 Jahre alte Olympiasieger 2012 im Schwergewicht gilt als Turnierfavorit und hat im Viertelfinale Marco Huck am 9. September in Berlin nach klar überlegen geführtem Kampf in der zehnten Runde ausgeschaltet. Briedis muß sich noch einmal gehörig steigern, will er Ussyk Paroli bieten, der sich viel behender als Perez bewegt und schwerer zu treffen ist. Zudem wird der Ukrainer wohl im Unterschied zu dem Kubaner durchgängig Druck machen und gefährlichere Treffer landen.

Im zweiten Halbfinale trifft der in 22 Kämpfen ungeschlagene Kubaner Yunier Dorticos auf den Sieger des Kampfs zwischen dem russischen IBF-Champion Murat Gassijew und dem ehemaligen WBC-Weltmeister Krzysztof Wlodarczyk aus Polen, der am 21. Oktober in Newark, New Jersey, ermittelt wird. Dorticos ist regulärer Weltmeister der WBA und hat sich zum Auftakt am 23. September in San Antonio recht überraschend bereits in der zweiten Runde gegen den stark eingeschätzten Dmitri Kudriaschow durchgesetzt. Das Finale im Cruisergewicht wie auch im parallel dazu laufenden Turnier des Supermittelgewichts soll im Mai 2018 über die Bühne gehen.

Für das lukrative Turnier werden insgesamt 50 Millionen Dollar Preisgeld ausgeschüttet. In der von den Promotern Richard Schaefer und Kalle Sauerland für die Schweizer Comosa AG organisierten World Boxing Super Series kämpfen in jeder der beiden Gewichtsklassen jeweils acht Teilnehmer paarweise gegeneinander, der Sieger erreicht die nächste Runde. Während im Cruisergewicht fast die gesamte Weltelite vertreten ist, fehlen im schwächer besetzten Supermittelgewicht die drei Weltmeister James DeGale (IBF), Gilberto Ramirez (WBO) und David Benavidez (WBC), wobei sich letzterer den zuvor vakanten Titel erst vor wenigen Wochen gesichert hat. Derzeit werden die Kämpfe des Viertelfinales ausgetragen, das Halbfinale folgt im Januar und Februar 2018. Den Siegern in beiden Gewichtsklassen, die schließlich im Mai ermittelt werden, winken jeweils mehr als zehn Millionen Euro sowie die eigens dafür geschaffene Muhammad-Ali-Trophy.


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/20874443/mairis-briedis-outpoints-mike-perez-earns-place-wbss-semifinals

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/09/mairis-briedis-vs-mike-perez-results/#more-244075

2. Oktober 2017


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