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MELDUNG/2155: Von einer Regentschaft kann kaum die Rede sein (SB)



Verteidigt Saunders seinen Titel gegen Monroe?

Der in 24 Kämpfen ungeschlagene WBO-Champion Billy Joe Saunders hat den letzten Gürtel im Mittelgewicht in seinem Besitz, der Gennadi Golowkin noch zur Komplettierung seiner Trophäensammlung fehlt. Da sich der Kasache darauf festgelegt hat, Weltmeister aller Verbände in dieser Gewichtsklasse zu werden, bevor er sich anderen Aufgaben zuwendet, hat es nicht an Signalen an die Adresse des Briten bis hin zu ersten Verhandlungen geführt. Im vergangenen Jahr waren die Gespräche schon so weit gediehen, daß der Kampf in greifbare Nähe zu rücken schien. Dann legte Saunders plötzlich mit absurd hohen Börsenforderungen nach, die offenbar die Verhandlungen auf eine Weise platzen lassen sollten, die man ihm nicht auf ganzer Linie als bloßes Fluchtmanöver auslegen konnte.

Da der aus einem Familienclan von Travellern stammende Boxer nicht gerade für Bescheidenheit und die Fähigkeit zur Selbstkritik bekannt ist, läßt sich schwer sagen, was er aus Gründen der eigenen Vermarktung zur Schau trägt oder aber allen Ernstes selber glaubt. Unter Experten gilt Saunders jedenfalls als schwacher Champion, der seinen Gürtel längst losgeworden wäre, hätte er es seither mit gefährlichen Kontrahenten aufgenommen. Billy Joe Saunders konkurrierte mit seinem damals ebenfalls ungeschlagenen Landsmann Chris Eubank jun. um den Rang des talentiertesten britischen Mittelgewichtlers und behielt dabei nach Punkten die Oberhand - nach Auffassung vieler Beobachter eine fragwürdige Entscheidung.

Sie ebnete Saunders den Weg zu einem Titelkampf gegen Andy Lee, den er in der dritten Runde zweimal niederschlug. Den Rest des Kampfs dominierte der Ire, der es allerdings versäumte, dem Herausforderer in letzter Entschiedenheit nachzusetzen. Dennoch fiel er aus allen Wolken, als das Kampfgericht seinen Gegner zum Sieger erklärte. Alles in allem wäre ein Unentschieden wohl die angemessene Wertung gewesen, zumal sie verhindert hätte, daß der notorisch konditionsschwache Brite den Rang des WBO-Weltmeisters besetzen und blockieren konnte. Seither ist in dieser Nische nicht mehr viel passiert, da Saunders zeitweise verletzt war und zudem die Verhandlungen mit Golowkins Team platzen ließ.

Im Dezember verteidigte der Brite schließlich seinen Titel im schottischen Paisley gegen den schwach eingeschätzten Artur Akavow und hätte diesen Kampf trotzdem um ein Haar verloren. Saunders schien in schlechter körperlicher Verfassung zu sein, brach abermals konditionell ein und wirkte nicht wie ein Weltmeister, sondern allenfalls wie ein durchschnittlicher Kandidat aus den Top 15. Akavow wurde als Gast benachteiligt und war nach Einschätzung etlicher Experten unter dem Strich der bessere von beiden. Daher fällt es schwer, überhaupt von einer Regentschaft des Weltmeisters Billy Joe Saunders zu sprechen, da sich dessen Tage als Champion bislang eher durch Reden als durch überzeugende Taten ausgezeichnet haben.

Der Verband WBO schien dieser höchst unbefriedigenden Situation auf die Sprünge zu helfen, als er Avtandil Khurtsidze zum neuen Pflichtherausforderer erklärte und Saunders eine Frist für die Austragung dieses Kampfs setzte. Der Georgier ist als robuster Boxer bekannt, der gewaltig zuschlagen kann, so daß er den Briten vor enorme Probleme stellen würde. Er fiel jedoch aus, da er kürzlich unter dem Vorwurf festgenommen wurde, in kriminelle Geschäfte verwickelt zu sein. Billy Joe Saunders hat also wieder einmal Glück gehabt, muß sich aber einen neuen Gegner suchen. In einer Presseerklärung teilte sein Team mit, der nächste Kampf werde am 4. Juli offiziell angekündigt. Dazu kam es jedoch nicht, da der Termin ohne eine entsprechende Verlautbarung verstrichen ist.

Kursierenden Gerüchten zufolge wird der WBO-Weltmeister seinen Titel am 16. September in der Londoner Copper Box Arena gegen Willie Monroe verteidigen, der 21 Kämpfe gewonnen und zwei verloren hat. Für den US-Amerikaner wäre dies die zweite Chance seiner Karriere, einen Weltmeister vor die Fäuste zu bekommen. Im ersten Anlauf scheiterte er am 16. Mai 2015 an Gennadi Golowkin, der ihn in Verona im Bundesstaat New York bereits in der zweiten Runde zweimal auf die Bretter schickte. Dann ließ es der Kasache ruhiger angehen, um den Zuschauern etwas für ihr Geld zu bieten, so daß sich Monroe in den folgenden beiden Durchgängen erheblich besser in Szene setzen konnte. Die aufkeimenden Hoffnungen im Team des Herausforderers zerschlugen sich jedoch in der fünften Runde, als Golowkin wieder Druck machte und den Gegner mit einem schweren Treffer ins Wanken brachte. In der nächsten Runde war es schließlich um Monroe geschehen, als er einen dritten Niederschlag hinnehmen mußte. Er kam zwar wieder auf die Beine, doch ließ er den Ringrichter wissen, daß er den Kampf nicht länger fortsetzen könne.

Gegen Saunders hätte der US-Amerikaner jedoch wesentlich günstigere Aussichten, da der Brite über keine ausgeprägte Schlagwirkung verfügt. Die beiden Niederschläge beim Titelgewinn gegen Andy Lee verdankten sich eher der Unvorsichtigkeit des Iren, der ihm zweimal regelrecht in einen Konter lief. Der WBO-Champion gilt als sogenannter technischer Boxer, der sich viel bewegt und den Gegner auszumanövrieren versucht. Da Saunders jedoch erfahrungsgemäß nach einigen Runden die Luft ausgeht, läuft er Gefahr, sich einem energisch nachsetzenden und gefährlich schlagenden Kontrahenten irgendwann nicht mehr entziehen zu können.

Willie Monroe ist ein zäher und erfahrener Boxer, der mit Gennadi Golowkin, Gabriel Rosado, John Thompson, Brian Vera und Brandon Adams im Ring gestanden hat. Am 17. September 2016 trat er im Vorprogramm des Kampfs zwischen "Canelo" Alvarez und Liam Smith in Arlington, Texas, gegen Rosado an und behielt die Oberhand. Nachdem zuvor die Rede davon gewesen war, dem Sieger winke ein Gang mit dem populären Alvarez, erwähnte dessen Promoter Oscar de la Hoya diese Option hinterher nicht einmal mehr. Dies nährte den Verdacht, die Golden Boy Promotions seien nur an Rosado interessiert gewesen, nicht jedoch an dem wesentlich unbequemeren Willie Monroe. [1]

Daß die Wahl offenbar auf Monroe gefallen ist, ruft kritische Einwände auf den Plan, weil der in der WBO-Rangliste an Nummer zwei geführte David Lemieux als hochwertigerer Kandidat eingeschätzt wird. Ob der Verband dem Kanadier einen Titelkampf angeboten hat, jedoch abschlägig beschieden wurde, ist nicht bekannt. Ebensowenig herrscht Klarheit darüber, wieso Saunders nach dem Ausfall des Pflichtherausforderers Khurtsidze seinen Gürtel jetzt wieder freiwillig gegen einen Kontrahenten seiner Wahl wie Monroe verteidigen darf. Lemieux hätte gute Aussichten, Saunders in die Schranken zu weisen, und wäre als WBO-Weltmeister ein attraktiver Gegenpart für den Sieger des Kampfs zwischen Gennadi Golowkin und Saul "Canelo" Alvarez, wenn es schließlich um die Zusammenführung sämtlicher Titel im Mittelgewicht geht.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/07/saunders-monroe-boxing/#more-238079

8. Juli 2017


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