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MELDUNG/2151: Der Weltmeister läßt sich nicht abspeisen (SB)



Deontay Wilder weist Eddie Hearns Angebot zurück

Der 31 Jahre alte Deontay Wilder ist Weltmeister des Verbands WBC im Schwergewicht und in 38 Profikämpfen ungeschlagen, wobei er nur ein einziges Mal über die volle Distanz von zwölf Runden gehen mußte, als er Bermane Stiverne den Titel abnahm. Der Champion aus Tuscaloosa in Alabama bewegt sich für einen Boxer seines Limits sehr schnell und schlägt mit enormer Wucht zu, weshalb er von vielen Experten als führender Akteur der Königsklasse gehandelt wird. Warum der in seinem heimatlichen Bundesstaat überaus populäre Weltmeister vom US-amerikanischen Boxpublikum ansonsten eher zurückhaltend wahrgenommen wird und bislang keine Zugnummer im Bezahlfernsehen ist, bleibt in beträchtlichen Teilen ein Rätsel, das noch einer Lösung harrt.

Da sich Wilder Operationen an der Hand und am Bizeps des rechten Arms unterziehen mußte, war er längere Zeit außer Gefecht. Unterdessen hat das World Boxing Council verfügt, daß er sich dem alten Bekannten und neuen Pflichtherausforderer Bermane Stiverne stellen muß, der inzwischen die WBC-Rangliste anführt. Große Lust, erneut auf den als Eisenschädel bekannten Kanadier einzuschlagen, dürfte Wilder nicht haben, zumal sich mit diesem Kampf relativ wenig Geld verdienen ließe. Allererste Wahl wäre für den US-Amerikaner hingegen der Brite Anthony Joshua, der die Gürtel der WBA und IBF in seinem Besitz hat. Dieser Vereinigungskampf der beiden Weltmeister wäre zweifellos das attraktivste und lukrativste Duell, das sich im Schwergewicht derzeit auf die Beine stellen ließe. Allerdings muß Joshua zunächst Wladimir Klitschko die vertraglich vereinbarte Revanche gewähren, sofern der Ukrainer von dieser Option Gebrauch macht.

Um aus der Not dieser bislang ungeklärten Situation eine einträgliche Tugend zu machen, möchte der britische Promoter Eddie Hearn den WBC-Champion dafür gewinnen, seinen Titel zunächst gegen den 29jährigen Dillian Whyte zu verteidigen, der an Nummer fünf der Rangliste geführt wird und 21 Siege sowie eine Niederlage vorzuweisen hat. Da Wilder jedoch Anthony Joshua und nicht ersatzweise einen Gegner, der 2015 gegen Joshua verloren hat, vor die Fäuste bekommen will, hat er ein Angebot von 3 Millionen Dollar für diesen Kampf ausgeschlagen und mindestens 7 Millionen verlangt. Hearns Interesse liegt auf der Hand: Würde es Whyte wider Erwarten gelingen, Wilder zu besiegen und sich des WBC-Titels zu bemächtigen, ließe sich ein spektakuläres innerbritisches Duell zweier Schwergewichtler inszenieren, die beide bei ihm unter Vertrag stehen. Schon der erste Kampf zwischen Joshua und Whyte vor zwei Jahren verkaufte sich im Pay-TV bei Sky Box Office ausgezeichnet. Träten die beiden als Weltmeister zur Revanche gegeneinander an, spränge dabei mit Sicherheit ein großer Zahltag heraus.

Sofern Wilders Aussage zutrifft, Hearn habe ihm 3 Millionen Dollar angeboten, macht seine Absage durchaus Sinn. Warum sollte er zugreifen, wenn er sich noch einige Zeit gedulden und dann gegen Joshua sehr viel mehr Geld einstreichen könnte? Ginge es dem britischen Promoter in erster Linie um einen hochkarätigen Kontrahenten für Dillian Whyte, könnte er sich beispielsweise an Luis Ortiz wenden, der angesichts einer solchen Börse zweifellos mit im Boot wäre. Denkbar wäre aber auch ein zweiter Kampf gegen Dereck Chisora, da sich die beiden bei ihrem ersten Aufeinandertreffen im Dezember 2016 ein spektakuläres Gefecht geliefert haben, das allseits mit Hochachtung bedacht wurde. Eine Revanche würde schon deswegen Sinn machen, weil sich Whyte damals nur hauchdünn nach Punkten durchsetzen konnte und nicht wenige Experten der Auffassung waren, daß Chisora um den Sieg geprellt worden sei.

Wie Eddie Hearn dazu anmerkte, habe er Wilders Berater Al Haymon mehrere Angebote gemacht, aber noch keine endgültige Antwort erhalten. Allerdings habe Deontay mit seiner Gegenforderung in den sozialen Medien im Grunde bereits eine klare Ansage gemacht. Dabei habe er dem WBC-Champion doch die Chance eröffnet, eine Menge Geld zu verdienen und sich im Falle eines Sieges mit Anthony Joshua zu messen. Er hoffe sehr, daß alle Beteiligten auf dem Teppich blieben und das Interesse des Publikums an echten Schwergewichtskämpfen im Auge behielten, so Hearn.

Diese Aussage läßt darauf schließen, daß der Promoter nicht willens ist, sein Angebot auf die von Wilder ins Spiel gebrachten 7 Millionen Dollar aufzustocken. Möglicherweise würde der US-Amerikaner für diese Summe sogar einschlagen, da er vor Ende des Jahres auf jeden Fall in den Ring zurückkehren will, aber Joshua so schnell nicht bekommen wird. Im Grunde kann Wilder aber mit Dillian Whyte nichts anfangen, da er an diesem Punkt seiner Karriere spektakuläre Auftritte auf höchster Ebene anstrebt, wofür eigentlich nur Wladimir Klitschko, Anthony Joshua und mit Abstrichen der neuseeländische WBO-Weltmeister Joseph Parker in Frage kommen. Whyte galt als vielversprechender Kandidat, bis sich im Kampf gegen Joshua eine Verletzung an seiner linken Schulter derart verschlimmerte, daß er mit nur einem gesunden Arm weiterboxend schließlich in der siebten Runde verlor. Wenngleich er die Folgen der erforderlichen Operation längst auskuriert und seither schon mehrmals gekämpft hat, läßt er die frühere Gefährlichkeit vermissen. Seine gefürchtete Waffe war ein gewaltiger linker Haken, den er offenbar nicht mehr mit der früheren Wucht schlagen kann.

Da Dillian Whyte in den USA unbekannt ist, ließe sich dieser Kampf dort schlichtweg nicht vermarkten. Wilder müßte daher schon in England antreten, wo Eddie Hearn die Bedingungen festlegen könnte. Darauf läßt sich der WBC-Weltmeister jedoch zumindest für 3 Millionen Dollar nicht ein. Er erinnert den britischen Promoter an dessen Zusage auf der Jahrestagung des Verbands, daß als nächstes ein Kampf gegen Anthony Joshua anstünde. Daß ihm Hearn in der Folge statt dessen zunächst Tony Bellew und nun Dillian Whyte angeboten habe, sei ein schlechter Witz. Soweit er sich erinnere, sei er immer noch der Champion, so Wilder. [1]

Wie sein Promoter Lou DiBella einwirft, genieße natürlich der größtmögliche Kampf absolute Priorität. Andererseits sei der Pflichtherausforderer Bermane Stiverne nun einmal ein Fakt, mit dem man sich befassen müsse. Der Kanadier ließe sich für eine angemessene Entschädigung von vielleicht einer Million Dollar vermutlich dazu bewegen, sein Vorrecht zurückzustellen, so daß der Weltmeister zwischenzeitlich einen anderen Kampf austragen könnte. Diese Praxis ist weder ungewöhnlich noch ehrenrührig, sondern gang und gäbe im Boxgeschäft. Wilder müßte also Stiverne eine beträchtliche Abfindung zahlen und in England gegen Whyte antreten, was aus seiner Sicht in der Tat nur Sinn machen würde, wenn er dabei sehr viel mehr verdienen könnte, als ihm Eddie Hearn anzubieten bereit ist. Für Deontay Wilder kommt es in erster Linie darauf an, in der Gunst des US-amerikanischen Publikums aufzusteigen, das sich keinen Deut darum scheren würde, wenn er im fernen London britisches Kanonenfutter vermöbelt.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/06/deontay-wilder-wants-7m-dillian-whyte-fight/#more-237364

25. Juni 2017


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