Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/2124: Dunkle Wolken am Horizont (SB)



Kell Brook verteidigt seinen Titel gegen Errol Spence

Kell Brook verteidigt den Titel des Verbands IBF im Weltergewicht am 27. Mai in Sheffield gegen den Pflichtherausforderer Errol Spence jun. aus den USA. Dies gaben der Brite und sein Promoter Eddie Hearn von Matchroom Sport im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem US-Amerikaner bekannt. Als die Kontrahenten einander wie üblich dicht gegenüberstanden, blickte Spence selbstsicher auf den erheblich kleineren Weltmeister herab und versuchte, ihn in einen Wortwechsel zu verwickeln. Brook wirkte nervös und ängstlich, doch zeigte zumindest seine operativ wiederhergestellte rechte Augenpartie keinerlei Spuren des Eingriffs. Während der Herausforderer den Eindruck machte, als wolle er den Widersacher am liebsten an Ort und Stelle in Stücke reißen, wirkte dieser etwas derangiert, als liege noch eine Menge Arbeit vor ihm, um sich in Bestform zu bringen.

Das wiederum ist kein Wunder, da er sich zuletzt zwei Limits höher im Mittelgewicht mit Gennadi Golowkin gemessen und dafür derart zugelegt hatte, daß er beim offiziellen Wiegen schwerer als der Kasache war. Um wieder im Weltergewicht anzutreten, muß er den umgekehrten und wesentlich schwierigeren Prozeß der Gewichtsabnahme absolvieren, ohne dabei Substanz einzubüßen und im Kampf Konditionsprobleme zu bekommen. Sollte er verlieren, könnte er zumindest die Strapaze des Abkochens zur Entschuldigung anführen. Diese Erwägung ist insofern nicht aus der Luft gegriffen, als der Lokalmatador trotz seines Gürtels eher als Außenseiter gehandelt wird, sofern man nicht gerade seine eingefleischten Fans fragt.

Zumindest geht endlich sein langgehegter Wunsch in Erfüllung, zu Hause in der Bramall Lane anzutreten. Dummerweise bekommt er es mit einem Kontrahenten zu tun, der zu den größten Talenten der Gewichtsklasse gehört und alles daransetzen wird, ihn vorzeitig auf die Bretter zu schicken. Vermutlich hätte der Brite besser daran getan, frühere Gegner wie Kevin Bizier, Jo Jo Dan oder Frankie Gavin vor heimischem Publikum vorzuführen, gegen die er sich problemlos durchsetzen konnte.

Der Kampf gegen Spence wird im britischen Pay-TV und in den USA von Showtime übertragen, so daß die gesamte angloamerikanische Fangemeinde verfolgen kann, wer der bessere Boxer ist. Es bleibt nur zu hoffen, daß die Punktrichter diesmal auf der Höhe des Geschehens sind und einem Mindestmaß an Sachverstand den Vorzug vor möglichen Sympathien für den einheimischen Akteur geben. Zumindest sollten sie in der Lage sein, sich vom euphorischen Jubel der Zuschauer bei jedem Luftloch, das der Lokalmatador schlägt, nicht übermäßig beeindrucken zu lassen. Im Kräftemessen mit Golowkin, das in London über die Bühne ging, schrieb ein Punktrichter Brook fast alle Runden gut, während die beiden anderen nach vier Runden einen Gleichstand notiert hatten. Das regte nichtbritische Kommentatoren zu der süffisanten Frage an, ob sie womöglich einen ganz anderen Kampf gesehen hatten.

Der 26jährige Errol Spence wartet schon eine halbe Ewigkeit auf die Chance, um den IBF-Titel im Weltergewicht zu kämpfen. Lange war unklar, ob Kell Brook den Gürtel zurückgeben und fortan im Halbmittelgewicht antreten würde, da er schon geraume Zeit Probleme gehabt hatte, das Limit einzuhalten. Da Spence bei diesem Verband Pflichtherausforderer ist, übte er sich in Geduld, um diesen Platz nicht preiszugeben. Brook entschloß sich schließlich doch dazu, seinen Titel zu verteidigen, obgleich ihm sein Promoter riet, in die höhere Gewichtsklasse aufzusteigen. Wenngleich Eddie Hearn zur Begründung anführte, daß sein Schützling dort viel komfortabler die Gewichtsgrenze erreichen könne, dürfte das nur der mindere Teil der Erwägung sein. Hearn fürchtet zweifellos, daß Brook desaströs gegen Spence verlieren könnte und nach der zweiten vorzeitigen Niederlage in Folge kaum noch behaupten könnte, er sei in Wirklichkeit des bessere von beiden gewesen.

Errol Spence, der für die US-amerikanische Olympiamannschaft bei den Spielen 2012 in London angetreten war, wird von keinem Geringeren als Floyd Mayweather als nächster Star im Weltergewicht angekündigt. Da der ehemals beste Boxer aller Gewichtsklassen auch im sportlichen Ruhestand mit Argusaugen über sein Vermächtnis wacht, ist dieses Kompliment eine durchaus ernstzunehmende Einschätzung. Davon abgesehen haben die attraktiven Auftritte des jungen US-Amerikaners gezeigt, wie druckvoll und gefährlich für jeden Gegner er zur Sache geht. Er wird es in Sheffield wenn irgend möglich nicht auf die Punktrichter ankommen lassen, sondern Brook in die Enge treiben, um ihn zur Strecke zu bringen.

Was könnte Kell Brook dagegen unternehmen? Beim Titelgewinn im Kampf gegen Shawn Porter 2014 lief er entweder davon oder klammerte sofort, um den US-Amerikaner am Schlagen zu hindern. Porter hielt dann fairerweise inne, bis der Ringrichter das Trennkommando gab. Diese regelkonforme Haltung wurde dem Titelverteidiger zum Verhängnis, da der Referee das ständige Klammern des Briten ungestraft durchgehen ließ, der im Gewühl seine Punkte machte. In der Folge setzte sich Brook gegen die oben genannten schwachen Herausforderer durch, was ihn merkwürdigerweise in der Überzeugung bestärkte, er könne es mit jedem aufnehmen. [1]

Das dürfte maßgeblich dazu beigetragen haben, daß er das Angebot ohne zu zögern annahm, sich mit Gennadi Golowkin zu messen. Der Kasache fügte ihm gegen Ende der ersten Runde mit einem Volltreffer eine Fraktur am Augenbogen zu. Nach einer starken zweiten Runde des Briten, die man ihm durchaus zuschreiben konnte, lief er von der dritten an unentwegt vor Golowkin davon, der schließlich in der fünften derart über ihn herfiel, daß der Trainer des Briten das Handtuch zum Zeichen der Aufgabe warf. Dominic Ingle bewahrte seinen Boxer damit vor noch gravierenderem Schaden und nicht zuletzt vor einem endgültigen Niederschlag, was es Brook erlaubte, sein Gesicht als tapferer, aber unglücklich gescheiterter Herausforderer zu wahren.

Kell Brook zog daraus jedoch den Schluß, daß er lieber weitergekämpft und am Ende wahrscheinlich gewonnen hätte, worin ihn ein erheblicher Teil zumeist britischer Kommentatoren unterstützte. Der Eindruck, daß sich dieser Boxer nicht nur vollmundig vermarktet, sondern vermutlich selber glaubt, was er an Selbsteinschätzungen von sich gibt, erhielt auf der Pressekonferenz neue Nahrung. Wie er dort verkündete, werde er am 27. Mai vor den Augen seiner Leute in der Bramall Lane aller Welt zeigen, daß er der beste Weltergewichtler auf diesem Planeten sei.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/03/kell-brook-vs-errol-spence-bramall-lane/#more-230725

23. März 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang