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MELDUNG/2095: Hausmacht in der Westfalenhalle? (SB)



Marco Huck und Mairis Briedis kämpfen um den Interimstitel

Marco Huck und Mairis Briedis treffen am 1. April in der Dortmunder Westfalenhalle zu einem Kampf um den vakanten Interimstitel des Verbands WBC im Cruisergewicht aufeinander. Der amtierende WBC-Weltmeister Tony Bellew hat die Erlaubnis erhalten, im Schwergewicht gegen seinen britischen Landsmann David Haye anzutreten, der ihm am 4. März in der Londoner O2 Arena die Leviten lesen will. Sollte Bellew danach im Schwergewicht bleiben, wird der Sieger des Kampfs zwischen Huck und Briedis neuer Champion. Kehrt der Brite in seine angestammte Gewichtsklasse zurück, muß er sich dem Interimsweltmeister stellen.

Der inzwischen 32 Jahre alte Marco Huck dominierte zwischen 2009 und 2015 das Cruisergewicht, als er noch bei Sauerland Event unter Vertrag stand und von Ulli Wegner trainiert wurde. Mit dreizehn erfolgreichen Titelverteidigungen stellte er den langjährigen Rekord in dieser Gewichtsklasse ein. Ausgerechnet bei seinem ersten Auftritt in Eigenregie, der noch dazu sein Debüt in den USA war, mußte er sich im August 2015 überraschend dem Polen Krzysztof Glowacki in der elften Runde geschlagen geben. Im Februar 2016 setzte er sich in seinem vierten Duell mit dem Briten Ola Afolabi in der zehnten Runde und im November einstimmig nach Punkten gegen Dimitro Kucher durch. Dabei zog er sich einen Bruch an der rechten Schlaghand zu, der jedoch mittlerweile auskuriert ist.

Huck, für den 40 Siege, drei Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen, wird an Nummer zwei der WBC-Rangliste geführt. Der gleichaltrige und in 21 Auftritten ungeschlagene Briedis führt die Rangliste an und hat in seinem letzten Kampf im Oktober Simon Vallily in der dritten Runde außer Gefecht gesetzt. Wie Huck hervorhebt, eile dem Letten der Ruf voraus, ein höchst unangenehmer Gegner mit gewaltigem Dampf in den Fäusten zu sein. Das sei ihm jedoch gerade recht, da er mit seinen Aufgaben wachse. Er werde sich gewissenhaft vorbereiten, denn wenn er seine Hausaufgaben gründlich mache, habe er für gewöhnlich schon gewonnen, bevor es im Ring losgeht.

Mairis Briedis würdigt seinen deutschen Gegner als eine wahre Legende des Cruisergewichts. In ihrem Kampf gehe es jedoch für beide um alles oder nichts, da der Titel auf dem Spiel stehe. Er sehe darin eine einmalige Gelegenheit und werde sein volles Potential zur Entfaltung bringen. Das gelte natürlich gleichermaßen für Marco Huck, der sein Bestes geben werde. [1]

Vermutlich wird Bellew angesichts der hohen Börse, mit der er im Kampf gegen David Haye rechnen kann, im lukrativeren Schwergewicht bleiben. Und dies um so mehr, als er sowohl gegen Huck als auch Briedis schlechte Karten hätte. Wenngleich der Brite damit seinen Titel im Cruisergewicht zurückgeben müßte, ist es um seine Aussichten im höheren Limit zumindest in finanzieller Hinsicht besser bestellt. Tony Bellew brüstete sich zwar, der führende Akteur seiner Gewichtsklasse zu sein, doch stand er mit dieser Auffassung so ziemlich allein auf weiter Flur.

Ob Marco Huck die Gelegenheit beim Schopf ergreifen kann, wieder Weltmeister eines der vier maßgeblichen Verbände zu werden, dürfte davon abhängen, ob er noch einmal seine früheren Qualitäten aufbieten kann. Er war nie ein Boxer, der sich dank exzellenter technischer oder taktischer Fertigkeiten behauptete. Seine Stärke bestand darin, einen enormen Druck zu entfalten und den Gegner niederzukämpfen. Davon war jedoch bei seinen letzten beiden Auftritten nicht allzu viel zu sehen, so daß er schon über sich hinauswachsen muß, um den Letten in der Schranken zu weisen. Mairis Briedis wird derzeit als einer der gefährlichsten Kandidaten im Cruisergewicht eingeschätzt und wäre höchstwahrscheinlich längst WBC-Weltmeister, hätte sich Bellew dem Pflichtherausforderer gestellt.

Wenngleich der beim Publikum noch immer beliebte Marco Huck in der Westfalenhalle mit stimmgewaltiger Unterstützung rechnen kann, wird ihm nicht zuletzt die lenkende Hand seines früheren Trainers fehlen. Ulli Wegner wußte um die Risiken, die sein Schützling beim Schlagabtausch mit offenem Visier einging, und zügelte dessen hitziges Temperament, soweit das überhaupt möglich war. Als dieses Korrektiv fehlte, begnügte sich Huck im Kampf gegen Krzysztof Glowacki nicht damit, seinen Vorsprung sicher nach Hause zu boxen, sondern wollte den Polen unbedingt auf die Bretter schicken. Dabei lief er in einen wuchtigen Konter des Herausforderers, der ihn von den Beinen holte.

Das darf ihm gegen Briedis keinesfalls passieren, dessen Schlagwirkung die des Polen noch übertrifft. Zudem wird es der Lette wohl darauf anlegen, sich nicht dem Urteil der Punktrichter auszusetzen, sondern mit einem vorzeitigen Erfolg für klare Verhältnisse zu sorgen. Huck profitierte mitunter vom Heimvorteil, wenn er wie beispielsweise gegen den Russen Denis Lebedew am Rand einer Niederlage stand. Auch mit dem versierten Steve Cunningham hatte er große Probleme, da es bei hochklassigen Kontrahenten nicht ausreicht, den wilden Mann zu markieren. Mit fliegenden Fahnen zu siegen oder unterzugehen, ist eine Kampfesweise, die den Zuschauern gefällt, aber enorme Risiken birgt. Solange Huck Weltmeister war, profitierte er von dem Bonus des heimischen Champions, wenn es eng wurde. Er ist zwar seit dem Sieg über Ola Afolabi Weltmeister des kleinen Verbands IBO, hat aber seine Hausmacht verloren, die er sich erst wieder erkämpfen muß. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/18504220/cruiserweights-mairis-briedis-marco-huck-fight-vacant-interim-world-title

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/01/marco-huck-vs-mairis-briedis/#more-225427

23. Januar 2017


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