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MELDUNG/2087: Schimpftiraden sollen die Kasse klingeln lassen (SB)



David Haye kündigt Tony Bellew ein frühes Ende an

Der britische Schwergewichtler David Haye hat seinem aus dem Cruisergewicht kommenden Landsmann Tony Bellew für ihren Kampf am 4. März in der Londoner O2 Arena ein frühzeitiges Ende angekündigt. Wie er vorhersagt, werde sein Gegner die vierte Runde nicht überstehen. Die Konstellation ist denn auch dazu angetan, einen solchen Ausgang für durchaus realistisch zu halten. Haye, der 28 Auftritte gewonnen und zwei verloren hat, war zwar in der Vergangenheit Champion zweier Verbände im Cruisergewicht, ist aber bereits 2008 ins Schwergewicht aufgestiegen, wo er zeitweise regulärer WBA-Weltmeister war, bis er sich vor fünf Jahren Wladimir Klitschko in Hamburg geschlagen geben mußte. Er hat zudem gegen weitere namhafte Kontrahenten gekämpft, was man für Tony Bellew nicht gerade sagen kann. Der Liverpooler hat 28 Siege, zwei Niederlagen sowie ein Unentschieden auf dem Konto und ist derzeit WBC-Champion im Cruisergewicht. Woher er die Überzeugung nimmt, in dem vom Sender Sky Box Office im Pay-TV übertragenen Kampf die Oberhand behalten zu können, bleibt sein Geheimnis.

Wenngleich das Duell beim britischen Publikum durchaus auf Interesse stoßen dürfte, mutet es angesichts der unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen und Erfahrungen der Kontrahenten doch recht seltsam an. Zwar sind Abstecher von Cruisergewichtlern in die Königsklasse so ungewöhnlich nicht, doch ist Bellew auch in seinem angestammten Limit trotz seines Titels nicht gerade ein Überflieger, so daß man durchaus Schlimmes für ihn befürchten muß. Kritiker zählen ihn nicht einmal zu den zehn besten Akteuren seiner Gewichtsklasse und sind der Auffassung, daß er nur mit sehr viel Glück WBC-Weltmeister geworden ist. Aus kaum nachvollziehbaren Gründen ließ ihn der Verband gegen Ilunga Makabu um den vakanten Titel kämpfen. Hätte man ihm hingegen Mairis Briedis oder Marco Huck zugeteilt, trüge er heute nicht den Gürtel.

Andere Cruisergewichtler wie der Ukrainer Oleksandr Ussyk oder Murat Gassijew könnten David Haye durchaus Probleme bereiten, da sie technisch versiert sind und eine enorme Schlagwirkung aufbieten können. Bellew boxt hingegen statisch und hat außer seinem übersteigerten Selbstbewußtsein wenig vorzuweisen, was ihn befähigen könnte, volle zwölf Runden mit dem Londoner zu überstehen.

Hatten die beiden eine Fehde herbeigeredet, deren Resultat die Vereinbarung ihres andernfalls kaum begründbaren Kampfs war, so werden sie auch jetzt nicht müde, verbal aufeinander loszugehen. Auch auf diesem Gebiet verfügt Haye über die weitaus größere Erfahrung, hat er doch seinerzeit die Klitschkos solange provoziert, bis er tatsächlich einen von beiden vor die Fäuste bekam und dabei eine riesige Börse kassieren konnte. Auch der gutdotierte Kampf gegen seinen Landsmann Dereck Chisora war das Produkt einer inszenierten Rauferei nach dessen Niederlage gegen Vitali Klitschko.

Wenn er höre, daß ihn Tony Bellew ins tiefe Wasser locken wolle, um ihn dort zu ertränken, könne er ihm nur empfehlen weiterzuträumen, so Haye. Bellew könne so hart trainieren wie er wolle und werde doch die fünfte Runde nicht mehr erleben. Doch selbst wenn er länger durchhalten sollte, habe er keine Chance, da er in jeder Hinsicht unterlegen sei. Die nervige Stimme dieses Gegners sporne ihn Tag für Tag an, sich gesund zu ernähren, sportgerecht zu leben und hingebungsvoll zu trainieren. Alles spreche gegen Bellew, dessen Lichter am 4. März ausgehen würden.

Tony Bellew ließ sich nicht lange bitten und pöbelte postwendend zurück. Haye liege in der Sonne und posiere alle fünf Minuten, als bereite er sich auf eine Rolle bei Baywatch vor. Der Idiot solle lieber etwas Produktives unternehmen und sich vernünftig vorbereiten. Es steht jedoch zu befürchten, daß selbst ein David Haye in schlechter körperlicher Verfassung kurzen Prozeß machen würde. Er wittert die Lücken, schlägt schnell und seine gewaltigen Schwinger treffen mit großer Wucht auf, so daß Bellew restlos überfordert sein dürfte. [1]

Vielleicht wäre der Außenseiter aus Liverpool besser beraten gewesen, sich im Schwergewicht zunächst mit Dillian Whyte oder Dereck Chisora zu messen, ehe er sich an David Haye heranwagt. Wer allerdings vor kurzem den spektakulären Kampf zwischen Whyte und Chisora gesehen hat, in dem die beiden einander nichts schenkten und Runde für Runde übereinander herfielen, kann sich kaum vorstellen, daß Bellew einen solchen Gang überstehen würde. Für den Cruisergewichtler ist das Duell mit Haye gewissermaßen eine Flucht nach vorn, da er überall schlechte Karten hat, aber in diesem Fall zumindest die größte Börse kassieren kann.

Für Haye, der nach vierjähriger Pause erst zwei Aufbaukämpfe gegen schwache Gegner schnell für sich entschieden hat, ist Bellew eine Zwischenetappe auf dem Weg zu einen möglichen Titelkampf. Obgleich er mit Mark de Mori und Arnold Gjergjaj zwei Kandidaten das Nachsehen gegeben hat, deren Namen zuvor kaum jemand kannte, wird er bei den Verbänden IBF (3), WBO (4), WBA (5) und WBC (6) schon wieder an aussichtsreichen Positionen der Rangliste geführt. Bei der WBO ist er sogar Pflichtherausforderer des Australiers Joseph Parker, der sich den vakanten Titel im Kampf gegen Andy Ruiz gesichert hat. Für Haye kam diese Gelegenheit jedoch zu früh, so daß er Tony Bellew vorzog. Noch muß der 35jährige ehemalige Champion hochklassigen Kontrahenten aus dem Weg gehen, doch kann er es sich andererseits auch nicht leisten, seine Karriere noch einmal neu aufzubauen und weitere Jahre zu investieren. Tony Bellew ist aus seiner Sicht eine optimale Wahl, da der zwei Jahre jüngere Cruisergewichtler recht überschaubar boxt und handelt, so daß er sich in einen Kampf manövrieren ließ, den er eigentlich nicht gewinnen kann. Mit einem spektakulären Sieg im innerbritischen Kräftemessen will Haye ein Zeichen setzen, das die Palette seiner Optionen erheblich erweitert.

Der Verband WBC spielt mit und beläßt Bellew den Titel, während er einen Ausflug ins Schwergewicht macht. Auch nach einer Niederlage gegen Haye kann Tony Bellew zurückkehren und seinen Gürtel verteidigen, sofern er nicht plötzlich auf die Idee kommt, fortan in der Königsklasse anzutreten. Das wäre allerdings nur dann plausibel, wenn er den Ring am 4. März als Sieger verlassen oder wenigstens mit fliegenden Fahnen untergehen würde, so daß eine Revanche in Aussicht stünde. An dieser Stelle müßte eigentlich die obligatorische Warnung folgen, daß im Boxsport eine Überraschung nie auszuschließen ist und folglich auch Bellew eine Chance hat. Vielleicht hat Haye inzwischen ja nur noch Luft für drei bis vier Runden, so daß er nicht nur frühzeitig gewinnen kann, sondern auch muß, will er nicht aus Konditionsgründen untergehen. An diesen Strohhalm scheint sich Bellew zu klammern, wenn er ominöse Andeutungen macht, er werde seinen Landsmann ins tiefe Wasser locken, bis ihm die Puste ausgeht. Wenn David Haye auch nur halb so gesund lebt, wie er behauptet, sollte das ausreichen, um auch diese vage Hoffnung seines Gegners zunichte zu machen.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/01/haye-bellew-youre-not-going-past-4-rounds/#more-224412

5. Januar 2017


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